Open Space: Projektmanagement Un-Konferenz PM Camp Dornbirn

Open Space: Eine Konferenz fast ohne Vorträge
Lebhafte Diskussionen statt dunkle Räume mit Powerpoint.
Keine Agenda, bis es losgeht.
Viel Austausch mit anderen Teilnehmern.
Eine Open Space Konferenz ist anders. Ganz anders.

Keine Konferenz

PM Camp Dornbirn LogoDas PM Camp Dornbirn war meine erste Un-Konferenz zu Projektmanagement.

Als klassischer Akademiker kenne ich ja reguläre Konferenzen. Also Konferenzen, bei denen man viele Monate  vorher einen mehr oder minder wissenschaftlichen Aufsatz (ein Paper) einreicht, dann angenommen wird oder auch nicht. Wenn man dann auf der Konferenz vorträgt, ist das Thema schon ein Jahr oder mehr alt, und man ist schon viel weiter in der Arbeit. Das hat den Vorteil, dass die Gedanken lange kondensiert sind, und dass am Ende meist ein zitierfähiger Beitrag steht, der in der wissenschaftlichen Welt Punkte bringt.

Im praktischen Leben ist der Mehrwert von zitierfähigen Vorträgen eher begrenzt. Im praktischen Leben haben wir alle auf Konferenzen und in internen Meetings schon mehr Powerpoint-Vorträge gesehen, als die Lebenszeit wert war. Im praktischen Leben zählen eher der Erfahrungsaustausch mit anderen, Impulse und Ideen, die aus der Diskussion entstehen.

Das Open Space Format

So haben Sie vielleicht auch schon einmal das Gefühl gehabt, dass das Nützlichste an einer Konferenz die Gespräche in den Pausen und am Abend waren, und dass die Themen zwar angeregt durch die Vorträge waren, aber doch ziemlich anders.

Damit sind Sie nicht allein. In den 1980er Jahren entstand aus dieser Erkenntnis das Format Open Space (siehe auch Wikipedia), die das Prinzip des gegenseitigen Austausches ganz nach oben setzt.

Open Space Sessionplan PM Camp Dornbirn 2016
Open Space Sessionplan PM Camp Dornbirn 2016

Das Format Open Space gibt zu Beginn einen Impulsvortrag, und bietet dann nur noch einen zeitlichen und örtlichen Rahmen, in dem die Teilnehmer selbst etwa einstündige Sessions vorschlagen und an eine Wand zur Sessionplanung anbringen. Diejenigen, die an einem Thema interessiert sind, finden sich dann eben zu den Zeiten in den zugewiesenen Räumen ein.
Portrait vom PM Camp Dornbirn 2016

Die Agenda entsteht also vor Ort. Das hat einige Vorteile und einige Nachteile. Einige Nachteile:

  1. Man weiß nicht genau, was einen an Programm erwartet. Das kann hinderlich sein, wenn man eine genaue Agenda braucht, um eine Teilnahme genehmigt zu bekommen.
  2. Man kann nicht vorher seine Konferenzteilnahme durchplanen, sondern muss sich ein Stück weit treiben lassen.
  3. Es braucht mehr Vertrauen in die Veranstaltung als bei einer klassischen Konferenz, eben weil die Unsicherheit über die konkreten Inhalte besteht.

Einige Vorteile, die ich sehe:

  1. Die Selbstverantwortung der Teilnehmer wird gestärkt, da das Programm durch das unmittelbare Wirken dieser entsteht, ohne dass das Gefühl einer Trennung von Sprechern und Teilnehmern entsteht.
  2. Jede kann Themen vorschlagen, die sie gerade bewegen, und nicht wie bei klassischen Konferenzen vor vielen Monaten.
  3. Der vorherige Organisationsaufwand ist geringer als bei klassischen Konferenzen, wo viel Zeit in Review von Einreichungen und Programmplanung fließt.
  4. Tracks und Themenflüsse entstehen organisch, und fügen sich auf wunderbare Weise zusammen.

Einer klassischen Konferenz und dem Open Space ist gemein, dass eine gute Keynote, ein guter Impulsvortrag den Ton für den ganzen Tag setzt und Gespräche und Themen in Gang bringt oder eben nicht.

PM Camp Dornbirn – Unterscheide, ohne zu trennen

PM Camp Dornbirn Logo 2016

Das PM Camp Dornbirn findet seit sechs Jahren in Vorarlberg am Bodensee statt und versammelt einen Teil der Projektleiter-Community zum gegenseitigen Austausch. Für mich war es das erste PM Camp, und auch die erste Unkonferenz vollständig im Open Space Format. Bislang hatte ich schon einige Male an Konferenzen mit einem kleinen Open-Space-Teil teilgenommen, aber noch an keiner reinen Open-Space-Veranstaltung.

Nun also Dornbirn. Das älteste der europäischen PM Camps, auf das ich aufmerksam wurde durch eine Blogparade zum Motto „Unterscheide ohne zu trennen“ und den Beitrag dazu des von mir sehr geschätzten Marcus Raitner, zu der ich selbst dann den Artikel „Erfolgreiche Beziehung und Organisation braucht zwei Blickwinkel“ beisteuerte.

Eine Gruppe von etwas über hundert Menschen aller professionellen Altersgruppen, bunt gemischt Führungskräfte, Angestellte, Freiberufler, Akademiker. Alle mit dem Hintergrund Projektleitung, und mit dem Interesse, Projekte zielgerichteter zu leiten und zu führen. Das Themenspektrum reichte von agilen Methoden wie Scrum oder Kanban, über ethische Themen der Projektführung und Meeting Facilitation bis hin zu Themen der Organisationsentwicklung.

Das ganze wurde eingeleitet – wie oben erläutert – durch einen Impulsvortrag zum Thema „Projekt oder Prozess“ von Gerhard Wohland, der zwar bisweilen sehr unkonkret bleibt, dafür aber ganz präzise formuliert.

Sketchnotes Impulsvortrag Wohland – PM Camp Dornbirn
Meine Sketchnotes Impulsvortrag Wohland – PM Camp Dornbirn

Ich ging ziemlich ohne Erwartungen zum PM Camp, ganz einfach weil ich ja nicht wissen konnte, was mich genau erwartet. Und was soll ich sagen? Open Space funktioniert hier. Jeder sucht sich die Themen, die ihn interessieren – so wie auf einer „normalen“ Konferenz. Nicht jedes Thema ist für alle gedacht – wie auf einer „normalen“ Konferenz. Der Unterschied ist tatsächlich, dass man viel mehr in Stimmung kommt, nicht nur Vorträge und Statements zu konsumieren, sondern sich selbst einzubringen.

Mir taugte das Format sehr gut. Anders als bei klassischen Konferenzen, wo man zwar in einem Frageteil nach einem Vortrag kurz mal was anreißen kann, erlauben die meisten Sessions auch eine Diskussion und damit ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Thema, im Dialog, sei es zu zweit oder zu mehreren.

If this is your first night at Fight Club, you have to fight.
(Filmzitat aus Fight Club)

Ganz im Sinne der 8. Regel des Fight Club „If this is your first night at Fight Club, you have to fight“ bot ich an beiden Tagen auch jeweils eine Session an. Am ersten Tag war dies die Session „Nebenprojekte – Was wenn Projektteilnehmer andere Hauptaufgaben haben“ und am Samstag die Session „Thesen zu ehrlicher Projektkommunikation“. Zugegebenermaßen habe ich meine Sessions nicht von langer Hand geplant, was ihnen gewiß an so mancher Stelle gut getan hätte, sondern wurde mitgerissen vom Esprit der Eröffnung am Freitagmorgen, und habe etwas improvisiert. Die Hütte war beides mal gut gefüllt, und wir haben viele neue Erkenntnisse davon getragen – viel mehr, als wenn ich zu einem der beiden Themen einfach nur referiert hätte.

Nebenprojekte – PM Camp Dornbirn 2016
Nebenprojekte – PM Camp Dornbirn 2016

Eine Besonderheit des PM Camps ist, dass parallel zu den persönlichen Gesprächen auf der Veranstaltung die Gespräche auf Twitter kommen. Unter dem Hashtag #PMCampDOR tauschen sich die Teilnehmer aus, teilen Notizen und weiterführende Gedanken, geben Links weiter. Und danach wird alles noch auf OpenPM im Wiki-Format dokumentiert.

Auch andere Teilnehmer haben über das PM Camp Dornbirn 2016 gebloggt, unter anderem Cosima Laube, Stefan Hagen (einer der Organisatoren und der lokale Host), Fabian Kiss, Thomas Mathoi, Thomas Michl, Frédéric Jordan und bestimmt noch einigen weiteren. Einen speziellen Shout-out verdient Marianne Rady für ihre zahlreichen Sketchnotes zu mehreren Sessions – auch da kann ich mir noch was abschauen.

Mein Fazit: Ich habe schon lang nicht mehr so viel auf einer einzigen Veranstaltung gelernt.

Empfehlung – ausprobieren!

Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen nur empfehlen: Nehmen Sie auch mal an einer Open Space Veranstaltung teil. Sei es das PM Camp, das es auch in vielen anderen Städten im deutschsprachigen Raum gibt.

Wie fühlen Sie sich nach dieser Beschreibung des Formats? Interessiert?

Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!

Alle Logos: PM Camp Dornbirn. Alle Fotos: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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Kommentare

2 Antworten zu „Open Space: Projektmanagement Un-Konferenz PM Camp Dornbirn“

  1. Besten Dank für die Erwähnung!

  2. Hallo!

    Ich höre zum ersten mal von einer Open Space Konferenz. Das hört sich ziemlich interessant an und nicht so langweilig und fad wie die herkömmlichen Formate. Sollte ich in der nächsten Zeit die Möglichkeit haben in meiner nähe an solch einer Veranstaltung teilzunehmen, werde ich dies auf jedenfall tun. Hier in der Rhön gibt es sowieso immer viele Veranstaltungen, wo ich auch mal den Vorschlag einbringen werde, eine OpenSpace Veranstaltung daraus zu machen.

    Liebe Grüße

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