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Kreativität und Prozess: 6 Schritte zum Prozess am Beispiel Fotografie Erstkommunion

Kreativ zu arbeiten kann sehr schön und erfüllend sein. Dabei braucht es die Freiheit, ein Resultat zu verwerfen und nochmal zu beginnen und ein anderes zu erschaffen. Manchmal geht das nicht: wenn es nur eine Chance gibt, und wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt, mit begrenzter Zeit etwas erschaffen werden soll. Dann hat ein Prozess besonders viele Vorteile. Wie zum Beispiel beim Fotografieren von Hochzeiten oder der Erstkommunion. Dieser Artikel zeigt, wie ein Prozess dazu entsteht und aussieht.

Ein Prozess gerade dann Vorteile, wenn man kreativ arbeitet. Schritte wiederholbar zu gestalten lässt mehr Raum für Kreativität in den Bereichen, in denen diese wirklich gefragt ist.

Ich fotografiere aus Leidenschaft und mit wachsender Erfahrung. Das spricht sich herum, und als ich vor drei Jahren die Fotos der Erstkommunion meines Sohnes kritisiere, hieß es: „Dann mach’s besser.“

So durfte ich dieses Jahr zum dritten Mal die Erstkommunionfeiern unserer Pfarreiengemeinschaft in Fotografien verewigen für die Familien der Kinder. Das Projekt Erstkommunion-Fotografie ist für diesen Artikel das Beispiel für die Entstehung eines Prozesses in 6 Schritten.

Anforderungen an den Prozess

Am Anfang eines Projektes, stehen Anforderungen. Das können extern eingebrachte Anforderungen sein – also durch den Auftraggeber oder Nutznießer – und intrinsische – durch mich eingebrachte.

In unserem Fall ist Auftraggeber die Pfarreiengemeinschaft, Kunden jedoch die Eltern. Auftraggeber ist die Pfarreiengemeinschaft, weil in der Messe fotografierende Anverwandte unerwünscht sind, die gar mit Blitz durch die Kirche laufen, und so Kinder und Zeremonie stören. So darf nur der dafür abgestellte – ich – herumlaufen und Fotos aufnehmen.

Das führt zu der interessanten Situation, dass Auftraggeber nicht gleich Kunde ist. Einer schafft an, andere zahlen, wenn ihnen das Ergebnis gefällt.

Gruppenfoto Erstkommunion
Das ist nicht das offizielle Gruppenfoto, aber nah dran.

Der Auftraggeber will:

  • Genau einen, der während der Zeremonie fotografiert,
  • Keinen Aufwand,
  • Ein Gruppenfoto für jedes Kind,
  • Fotos für die Website (den „Online-Pfarrbrief“).

Der Kunde will:

  • Eine Erinnerung an die Feier,
  • Sehr gute Fotos,
  • Rasch,
  • Günstig.

Beide Listen sind in absteigender Priorität, und das nicht linear sondern eher logarithmisch. Also in allererster Linie „eine Erinnerung an die Feier“, und wenn dann noch die anderen möglich sind, ist’s auch gut.

Auftraggeber und Kunde sind zwei Mitspieler. Es gibt noch einen. Der Schlosser will:

  • Sehr gute Fotos liefern auf exzellentem Fotopapier, das lange hält,
  • Flott und ohne Störung meines Berufs liefern,
  • Eine angemessene Vergütung für die Arbeit und die Instandhaltung der Ausrüstung.

Das sind keine disjunkten Anforderungen, doch braucht es einige Überlegungen, um alles zusammen zu bringen. Und das schöne: Der Kern der Anforderungen blieb bislang immer gleich, mein Prozess nicht.

Randbedingungen des Prozesses

Da ich das ja eben mal so mit dem Beruf zusammenbringen möchte, entstehen aus meinen Anforderungen einige Randbedingungen: kein Ladengeschäft, keine ganzjährig laufenden Infrastrukturkosten, möglichst hohe Automatisierung.

Eines ist mir für den Prozess wichtig:

Der Prozess soll sich für die Menschen nicht nach Prozess anfühlen, sondern nach Feier.

Mehr noch:

Der Prozess macht das Gefühl der Feierlichkeit erst möglich, weil ich im Moment und bei den Menschen bleiben kann.www.joachimschlosser.de

Jedes Kind kommt nur einmal zur Erstkommunion, und so sollen auch die Fotografien und das drumherum einmalig für das Kind und die Familie sein.Erstkommunion Kind

Der Prozess selbst hat drei Phasen, die sich einfach durch den zeitlichen Verlauf ergeben:

  1. Vorbereitung. Irgendwie sollen die Eltern erfahren, wie das ganze abläuft. Ich richte ein, was ich dann brauche.
  2. Die Zeremonien selbst. Der Vormittag der Messe.
  3. Nachbearbeitung und Verkauf. Der Weg vom Material in der Kamera bis zu den Familien.

Der Prozess selbst ergibt sich aus den notwendigen Ergebnissen und den Anforderungen, die oben aufgelistet sind. Pro Jahrgang der Erstkommunion sind an drei Sonntagen zwischen vierzig und sechzig Kinder und damit Familien zu versorgen. Grund genug, eine Vorgehensweise zu suchen, die wiederholbar ist und gut skaliert.

Prozess der Vorbereitung

Alles, was gut vorbereitet ist, verursacht weniger Stress, wenn es darauf ankommt.

Der Prozess der Vorbereitung erstreckt sich über mehrere Monate, mit einigen festen Terminen. Es ist eine Sammlung aus Informationen bekommen, Online-Arbeit, Verwaltung, und Vor-Ort-Termin.

  1. Umfang ermitteln: Vom Pfarrbüro erfrage ich, in welcher Pfarrgemeinde wie viele Kinder feiern.
  2. Informationsmaterial aktualisieren: Ich aktualisiere das Informationsblatt für die Eltern, prüfe die Preisliste und tausche einige Beispielfotos aus. Ein lokaler Copyshop druckt in ausreichender Zahl.
  3. Website aktualisieren: Familien können sich auf meiner Website für Einzelfotos nach dem Gottesdienst vormerken. Das entsprechende Formular muss geprüft und aktualisiert werden.
  4. Information für alle Teil 1: Damit die Eltern wissen, wie das Fotografieren abläuft und wie sie an die Fotos kommen, besuche ich einen der Elternabende und bringe die Informationsblätter mit.
  5. Aufsetzen im Shop-System: Jede Familie soll die Fotos sehen, die vor allem das eigene Kind betreffen. Dazu lade ich die Namensliste in das Shop-System hoch. So bekommen die Eltern die Information aus dem Infoblatt auch per E-Mail.
  6. Code-Karten erstellen: Jedes Kind bekommt am Tag der Erstkommunion eine eigene Code-Karte, mit der die Familie später auf die Fotos zugreifen kann. Die Vorderseite der Code-Karten erstellt das Shop-System, ich gebe noch eine Rückseite dazu. Drucken und Schneiden geschieht einige Tage vor der jeweiligen Erstkommunion.
  7. Familienfotos terminieren: All diejenigen, die sich für Fotos nach der Kirche vorgemerkt haben, bekommen eine E-Mail mit der ungefähren Zeit, dem genauen Ort vor und in der Kirche, und wer vor ihnen dran ist.
  8. Fotoausrüstung vorbereiten: Alle Akkus für alle Kameras laden, Objektive reinigen, und Taschen packen. Genügend Batterien für die Fernsteuerungen einpacken. Alle Kameras bekommen die passenden Einstellungen und die Uhren synchronisiert, damit mich später beim Sichten nicht ein Durcheinander im Ablauf von Fotos irritiert. Hier arbeite ich mit einer Checkliste.

Die Reihenfolge der Aktivitäten habe ich immer mal wieder angepasst und damit Schritte eliminieren können. Habe ich letztes Jahr für die Info-Mail noch die E-Mail-Adressen händisch ein zweites Mal eingegeben, erfolgte der Versand dieses Jahr direkt aus dem System.

Prozess der Zeremonie

Der Flow entsteht auch durch Wissen über den Ablauf.

Seit mehreren Jahren fotografiere ich den Gottesdienst mit zwei Spiegelreflex-Kameras (DSLR). Eine bei mir, die andere fest auf einem Stativ, ferngesteuert ausgelöst. Das ermöglicht mir, Fotos aus Positionen aufzunehmen, an denen ich selbst stören würde. Die Zweitkamera habe ich ja sowieso dabei, um sofort umsteigen zu können, falls ein technisches Problem mit meiner Hauptkamera auftritt.

Dieses Jahr experimentierte ich mit einer dritten Kamera, um zu sehen, ob eine weitere Möglichkeit, Fotos aufzunehmen, brauchbare Ergebnisse erzeugt. Dafür nahm ich meine ActionPro (GoPro ähnlich) mit, wohl wissend, dass der extreme Weitwinkel niemals Hauptfotos ersetzen kann.

  1. Ankommen: Ich komme mindestens eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes an, damit ich in Ruhe aufbauen kann. So habe ich Zeit, gegebenenfalls den großen Kerzenständer oder ähnliches etwas zu verrücken.
  2. Aufbauen Zweitkamera: Für die Zweitkamera ist ein Platz zu suchen. Manchmal bietet ein Blumengesteck vor dem Altar einen schönen Platz, manchmal ist seitlich hinter dem Hochaltar besser. Fernsteuerung verkabeln, Stativ einrichten, Bildwinkel prüfen und die Fernsteuerung.
  3. Aufbauen Drittkamera: Da die Drittkamera und das Mini-Stativ sehr klein sind, kann ich sie fast überall aufstellen. Dabei muss ich an den Bildwinkel denken, und wie ich später die Fotos beschneide und entzerre, um anständige Fotos zu erhalten. Auch hier prüfe ich die Fernsteuerung.
  4. Einrichten Erstkamera: Ist die Beleuchtungssituation der Kirche schwierig, richte ich mir die wichtigsten Licht-Situationen als Programme auf der Kamera ein. Auf diese Weise kann ich später einfach umschalten.
  5. Kinder und Namen zuordnen: Sind alle Kinder im Vorbereitungsraum versammelt, teilen wir die Code-Karten aus, auf denen auch der Name aufgedruckt ist. Jedes Kind hält seine Code-Karte neben das Gesicht, und ich mache ein Foto. Auf diese Weise kann ich nachher Fotos den verschiedenen Namen zuordnen. Hier kläre ich auch, ob an dem Tag eine Taufe dabei ist, und wenn ja, wie viele.
  6. Gruppenfoto: Wir gehen mit den Kindern zum Ort des Gruppenfotos. Je nach Kirche ist dies auf den Kirchenstufen, rückwärtig im Grünen oder auf dem Dorfplatz. Sind die Kinder alle wohl platziert, kommt der Pfarrer dazu.
  7. Zeremonie: Ich beziehe meinen Platz für den Einzug und es geht los. Nachdem ich die Liturgie kenne, weiß ich, wann ich wo hingehe mit welchem Objektiv, um die Kinder passend ablichten zu können. Ziel während des Gottesdienstes ist, schöne Fotografien zu fertigen und dabei möglichst unsichtbar zu sein.
  8. Familienfotos: Je nach Wunsch fotografieren wir Kinder, Eltern, Verwandte in der Kirche oder im Grünstreifen davor. Hier entsteht eine Mischung aus Standard und dem, was sich die Menschen von mir als Spiel und Posen mitgeben lassen.
  9. Aufräumen: Alles Material wird wieder verpackt. Noch kann ich alles auf einmal zum Auto bzw. bei der nähesten Kirche zu Fuß nach Hause tragen.

Essentiell ist, die Liturgie zu kennen. Nur weil ich nicht überrascht bin von dem, was kommt, habe ich eine Chance, für alle Kinder alle Motive zu fotografieren.

Prozess der Nachbearbeitung und Verkauf

Unnötiges weglassen.

Nach der Zeremonie geht es weiter – die Fotos sollen flott online stehen. Schließlich habe ich einen Beruf, und was nicht gleich am Sonntag geschieht, kann ich nur in Abend- und Nachtschichten erledigen, um die Fotos spätestens am Donnerstag früh für die Familien im Online-Shop zur Verfügung zu stellen.

Hier habe ich die letzten Jahre den deutlichsten Geschwindigkeitszuwachs festgestellt. Brauchte ich vor zwei Jahren noch bis Mittwoch spät abends mit Upload in der Nacht, schaffe ich es mittlerweile meist, bis Sonntagabend fertig zu werden – auch dank neuer Hardware.

  1. Roh-Fotos herunterladen: Von allen Kameras lade ich die Fotos auf den Computer und importiere sie ins Bearbeitungsprogramm. Die Fotos verbleiben auf den Speicherkarten, falls dem Computer etwas passiert.
  2. Datensicherung durchführen: Bevor ich auch nur ein Foto anfasse, erstelle ich ein neues Backup des Computers, so dass die Fotos im importierten Zustand mitgesichert werden.
  3. Aussortieren: So flott wie möglich sortiere ich Fotos aus, aus denen nichts zu machen ist.
  4. Verbessern: Soweit nötig, gleiche ich Belichtung und Farbtemperatur an, schärfe nach, korrigiere den Bildausschnitt.
  5. Gruppenfoto: Ich wähle die drei besten Gruppenfotos aus, und daraus das eine, das alle bekommen werden. Falls ein nur ein oder zwei Kinder auf einem Foto nicht herschauen, füge ich in der Bildbearbeitung das Gruppenfoto aus den zwei oder drei besten zusammen.
  6. Verschönern: Bei den besten Fotografien säubere ich die Umgebung des fotografierten Kindes, dunkle die Nachbarn etwas ab.
  7. Namen vergeben: Fotografien, die im Shop-System genau einem Kind zugeordnet werden sollen, verschlagworte ich mit dem Namen. Dieser wird beim Export Teil des Dateinamens. Das gilt auch für das Foto mit der Code-Karte.
  8. Export und Upload: Der Export aus der Foto-Verwaltung dauert ein Weilchen, der Upload ins Shop-System nochmal. Direkt danach stoße ich wieder ein Backup an, um alle Bearbeitungen gesichert zu haben.
  9. Shop-System fertigstellen: Anhand der Code-Karten und der Dateinamen werden die Fotos den Kindern zugewiesen oder im allgemeinen Bereich abgelegt. Manchmal erkennt das System eine Code-Karte nicht und ich muss nacharbeiten.
  10. Auftrag online stellen: Die Eltern bekommen automatisch eine E-Mail, und freuen sich hoffentlich, weil sie die Fotos schon am Tag danach statt erst am Donnerstag bekommen. Ab dann läuft das meiste ohne mich: Das Shop-System überträgt bestellte Fotos direkt ans Labor, dieses produziert und liefert per Post direkt an die Familien, egal ob Abzüge, Leinwand, Poster oder Acryl.
  11. Support: Für Eltern, die nicht mit dem Internet vertraut genug sind, um online zu bestellen, finden wir telefonisch eine Lösung. Andere möchten besondere Wünsche erfüllt sehen, wie beispielsweise ein komplettes Fotoalbum, was dann eben ein Einzelstück wird.

Der Verkaufsprozess ist von mir entkoppelt, weil ich ja einen Hauptberuf habe und keinen Laden. Was an Nachfragen entsteht, kann ich per E-Mail oder Telefon beantworten. Die spezielle Telefonnummer geht sofort auf einen Anrufbeantworter, der mir die Nachricht per E-Mail weiterleitet, damit ich Die Frau™ damit nicht belaste.

6 einfache Schritte zum Prozess

Es sind einfache Schritte die zu dem Prozess führen.

  1. Anforderungen sammeln. Was willst du erreichen?
  2. Aktivitäten aufschreiben. Was mache ich?
  3. Muster erkennen. Was mache ich immer wieder?
  4. Abhängigkeiten klären. Welche Aktivitäten hängen wie voneinander ab?
  5. Aktivitäten ordnen. In welcher Reihenfolge möchte ich die Dinge tun?
  6. Wirksamkeit prüfen. Tut der erfasste Prozess, das, was er bewirken soll?

Das ist es. In jeder Iteration des Prozesses lerne ich etwas dazu, und prüfe, was ich verändern möchte. Ganz wie in Scrum.

Arbeitsprozesse bewusst machen

Wo hast Du einen Arbeitsprozess, den du dir vielleicht noch nie so richtig bewusst gemacht hast?

Lasse die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an deinen Gedanken und kommentiere unten.

Alle Fotos: www.joachimschlosser.de, Alle Rechte vorbehalten.

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