Welche Reaktion löst der Begriff E-Mail-Ordner bei Ihnen aus? Zucken Sie zusammen oder fühlen Sie sich wohl? Sind Sie entspannt oder nagt etwas in Ihnen, das sagt »Da könnte noch was zu tun drin sein«?
- Wie viele E-Mails befinden sich in Ihrem Posteingang?
- Wie viele Ordner haben Sie in Ihrem E-Mail-Programm angelegt?
- In wie vielen Ordnern suchen Sie meist, bis Sie eine bestimmte Nachricht gefunden haben?
Der produktive Umgang mit E-Mail ist keine Frage des Programms, sondern der Methode, die Sie anwenden.
Produktivitätsverlust durch Überorganisiertheit
Werden Sie dafür bezahlt, eine Kathedrale von E-Mail-Ordnern zu erschaffen?
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Vielleicht geht es Ihnen wie vielen anderen Unternehmern, Führungskräften, Angestellten: Sie organisieren zu viel an Ihrer E-Mail. Sie erstellen wahrhaft kathedralenartige Strukturen von Ordnern im Postfach und verbringen ein Gutteil Ihrer Zeit damit, Mails in passende Ordner für ein Projekt oder für den jeweiligen Kunden, den jeweiligen Bereich oder Abteilung des Kunden abzulegen.
Was, wenn eine Mail zu einem Kunden und einem Projekt gehört?
Ihr Gehirn möchte diese Entscheidung vermeiden, in welchen Abteilungs-, Projekt- oder Kundenkontext eine Mail gehört, weil dies oft nicht eindeutig ist. Sie lassen die Nachricht im Posteingang, und fassen Sie später noch mehrmals an. Das ist nicht hilfreich und bringt Sie nicht voran.
Nein, machen Sie es einfacher.
5 E-Mail-Ordner — Weniger ist mehr
David Allen empfiehlt in Getting Things Done, Unterordner im Postfach nach der Funktion einzurichten und den Posteingang komplett leer zu halten. So bleiben bei mir nur die folgenden Ordner übrig:
- Antworten:
Mails, die meine Reaktion via Mail benötigen, kommen hierhin. Und zwar ausschließlich solche zu beantwortenden E-Mails, bei denen ich direkt zu schreiben anfangen kann. Wenn ich vorher noch eine Recherche durchführen muss, erstelle ich daraus eine Aufgabe. - Lesen offline:
E-Mails, auf die ich nichts tun muss, die ich nur lesen möchte oder soll, kommen in den Ordner Lesen offline. Alles Lesbare ist in der E-Mail selbst oder Anhängen enthalten, ich brauche keinen Internetzugang. Dieser Ordner kann auch mal ein paar Tage unbearbeitet bleiben. Muss ich Mails bis zu einem bestimmten Datum gelesen haben, erstelle ich eine Erinnerung. - Lesen online:
Dieser Ordner hat das gleiche Prinzip wie der Ordner Lesen offline, nur dass E-Mail hier Hyperlinks zu etwas zu Lesendem beinhalten.Die Unterscheidung ist mir wichtig, weil ich beruflich oft mit der Bahn unterwegs bin und dann diesen Ordner gar nicht ansehen brauche. Oder ich lade die verlinkten Dokumente herunter und verschiebe die Mail in den anderen Ordner. - Warten:
Hier hinein kommen alle Nachrichten, bei denen ich auf eine Antwort eines anderen angewiesen bin. In Warten kommt wirklich nur das, wo ich eine Antwort brauche. Diesen Ordner verwende ich selten. - Archiv/Referenz:
Alle Mails, die keine Aktion erfordern, die ich aber aufheben möchte, kommen in den Archiv-Ordner (früher Referenz-Ordner). Das sind bei mir 10‒30% der an einem Tag erhaltenen Nachrichten, alles andere kommt in den Papierkorb. Der Archiv-Ordner hat keine Unterstruktur. Keine Projekte, keine Teams. Nichts.
Damit muss ich nicht mehr lange überlegen, wo eine Mail hinkommt. Es hängt davon ab, was ich damit tun möchte ‒ ganz so wie Getting Things Done es vorsieht.
Die 5 Ordner einrichten
Über meine gut funktionierende Struktur zur E-Mail-Verwaltung können Sie in »Getting Things Done mit Outlook/Exchange und iPhone/iOS« lesen. Natürlich funktioniert das nicht nur in Outlook und auf dem iPhone, vergleichbare Funktionalität gibt es in vielen anderen Programmen und Systemen auch.
Den Archiv/Referenzordner müssen Sie zumindest in Outlook, Google Mail und iCloud nicht extra anlegen, da gibt es Archiv schon automatisch und auch entsprechende Knöpfe in den Mailprogrammen, um rasch Nachrichten dort hin verschieben zu können. Als ich mit dem System startete, gab es das noch nicht. Mittlerweile haben Sie und ich es einfacher.
Bonus-Ordner für Vielreisende:
Travel: Das ist mein einziger Spezialordner, der nach Inhalt statt Aktion befüllt wird. Alles, was mit Reisen zu tun hat oder mit Reisekosten, lege ich hier ab, etwa Fahrkarten, Hotelbestätigungen, eingescannte Kostenbelege, Flugtickets. Vor einer Reise schaue hier rein, drucke die passenden Belege aus und bin reisefertig. Nach der Reise habe ich beim Erstellen der Reisekostenabrechnung alles an einem Platz. Sobald die Reise beendet ist, lösche ich die Mails mit den Tickets. Ist die Reisekostenrechnung eingereicht, lösche ich auch die Rechnungen. Auf diese Weise halte ich weniger unnötige E-Mails vor.
Ganz konkret: Beispiele
Ich schaue in meinen Posteingang. Fünf neue E-Mails.
Von: Internes Bug Tracking System
Betreff: 1 (+0) Open records for Joachim Schlosser
Inhalt: Eine Nachfrage
Die Nachfrage kann ich mit zwei Klicks und einem Satz beantworten. Genau dies tue ich und lösche daraufhin die E-Mail.
Von: Kollege in USA
Betreff: Training/Meeting nach Firmenzusammenkunft 2015
Inhalt: Was muss ich tun, wenn ich ein Meeting im nächsten Januar anberaumen möchte.
Guter Hinweis. Ich setze mir eine Aufgabe, mit meinem Chef über mögliche Trainings für mein Team zu sprechen, und verschiebe die Mail in den Archiv-Ordner.
Von: Professor in Schweden
Betreff: Referenzcheck für Kandidaten
Inhalt: Er bestätigt mir einen Termin und eine Uhrzeit für ein Telefonat.
Ich erstelle aus der Mail einen Kalendereintrag und lösche dann die E-Mail.
Von: Kollege in USA
Betreff: Programmiersprachen
Inhalt: Antwort auf eine Diskussion, an der ich bislang nicht beteiligt war. Diskutiert Lernkurven und Tauglichkeit von Programmiersprachen.
Das ist nicht unmittelbar relevant, aber interessant. Ich verschiebe die E-Mail in den Ordner Lesen Offline.
Von: Offizieller eines studentischen Wettbewerbs
Betreff: Automatisierung eines Teilaspekts des Wettbewerbs (oder so)
Inhalt: Längere Antwort auf eine vorläufige Projektbeschreibung, die ich rumgeschickt hatte
Da muss ich ausführlich drauf antworten. Ich verschiebe die E-Mail in den Ordner Antworten.
Schon ist der Posteingang wieder leer. Nun kann ich – wenn ich jetzt E-Mails beantworten möchte – in den Ordner Antworten wechseln und alle dort abgelegten Nachrichten beantworten. Da dort nur solche Mails liegen, bei denen ich direkt anfangen kann zu schreiben, komme ich flott voran und arbeite den gesamten Ordner in einem Rutsch durch, und zwar auch, wenn ich im Zug bin und gerade offline. An genau diesem Ort kann ich dann auch alles in Lesen Offline durcharbeiten.
Prozedere
Das Bearbeiten des Posteingangs geht für jede Mail immer in denselben Schritten vor. Wichtig dabei ist für mich, den Posteingang nach Unterhaltungen sortiert zu haben, nicht einfach nach Zeitstempel.
- Nehme immer die oberste E-Mail. Egal wie Sie sortiert haben.
- Ist etwas für mich zu tun drin? (Auch intensiv lesen ist etwas tun.) Wenn ja, mache bei 2. weiter. Wenn nein, dann entweder löschen oder im Ordner Archiv ablegen und zurück zu 0.
- Falls etwas für mich zu tun drin ist, wie lange werde ich dafür brauchen?
- Weniger als 2 Minuten? Direkt tun, z.B. antworten oder die Aktion ausführen.
- Voraussichtlich länger als 2 Minuten? Was genau ist denn zu tun?
- Falls per E-Mail antworten: Verschieben in den Ordner Antworten.
- Wenn andere Aktion: Neue Aktion in meinem Task-System erstellen. E-Mail in Archiv-Ordner verschieben.
- Falls nichts zu tun drin ist, möchte ich die E-Mail einfach nur lesen?
- Wenn ja, dann verschieben in Ordner Lesen Offline oder Lesen Online, je nach Inhalt.
- Wiederhole ab Schritt 0 bis der Posteingang leer ist.
Nachdem der E-Mail Posteingang nun leer ist, kann ich je nach verfügbarer Zeit und Muße systematisch meine Aufgabenliste und den E-Mail-Ordner Antworten durcharbeiten, und alle zwei bis vier Tage die E-Mail-Ordner Lesen Offline und Lesen Online.
Das Ganze ist ziemlich einfach, wenn Sie sich drei Schwierigkeiten mit E-Mail bewusst machen, die mit E-Mail auftreten.
Häufige Fragen
- Wie verfahre ich mit Mails, die sich im Ordner Antworten befinden? Bekommen diese eine Fahne, eine Aufgabenmarkierung?
Sobald Sie eine Antwort geschrieben haben zu einer Nachricht, die im Antworten-Ordner liegt, verschieben oder löschen Sie die Nachricht aus diesem Ordner. Auf diese Weise sammelt sich nicht zu viel darin an. - Wie oft muss ich die Lesen-Ordner durcharbeiten?
So oft, wie Sie sich wohl damit fühlen. Bei mir ist das etwa ein- bis zweimal die Woche. - Warum keine Unterordner in Archiv?
Ich mag meine Struktur so gerne. Weil Sie nicht fürs Bauen von Kathedralen bezahlt werden. Die Struktur fordert Ihnen wieder so viele kleine Entscheidungen ab, dass Sie den Schwung und die Geschwindigkeit beim Abarbeiten des Posteingangs verlieren, und ist dank der Suchordner überflüssig. - »Ich habe […] die Befürchtung mich im Ordner Archiv/Referenzen irgendwann tot zu suchen und den Überblick in den Projekten zu verlieren.« Was tun?
Das funktioniert bei mir, so lange in der jeweiligen Nachricht ein Schlüsselwort enthalten ist, das die Zuordnung zu einem Projekt erlaubt. Perfekt ist es nicht. Muss es auch nicht sein, denn auch jetzt schon schieben Sie aus Versehen mal Mails in den falschen Ordner. Also spare ich mir die vergebliche Mühe. - »Wie verarbeiten Sie die E-Mail im Ordner „Gesendete Objekte“ weiter?«
Gesendete E-Mails bekommen bei mir im Normalfall keine gesonderte Aufmerksamkeit mehr. Alle heilige Zeiten kommt es mal vor, dass ich mir eine BCC/Blindkopie schicke und nach »Archiv« lege, aber wirklich selten.
Locker bleiben
Wie gehen Sie mit E-Mail um? Und was lösen die Vorschläge in diesem Artikel in Ihnen aus? Lassen Sie mich an Ihren Gedanken teil haben und kommentieren Sie bitte.
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike. Outlook-Ordner-Screenshot: Shannon Clark on Flickr, License CC-BY-SA
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