Vor kurzem führte ich ein interessantes (schriftliches) Gespräch über Organisationsentwicklung und Führung. Einige Auszüge aus diesem Gespräch möchte ich hier mit Ihnen teilen.
Welche Elemente der Führungspraktiken oder -haltung halte ich für besonders wichtig?
…sowohl für Teams, die vor Ort sind, als auch für solche, die remote arbeiten?
In einem Team von Experten bin ich als Führungskraft ganz sicher nicht der Top-Experte für alle Themen, und höchstwahrscheinlich auch nicht für die Themen, für die meine Mitarbeiter Experten sind. Daher war es für mich immer wichtig, Demut zu üben, viele Fragen zu stellen und neugierig zu sein auf das, was die Leute mitbringen.
Dies gilt umso mehr, weil ich in meiner vorherigen Stelle in beiden Funktionen der einzige Informatiker unter Maschinenbau-, Luft- und Raumfahrt- und Elektroingenieuren, Physikern, Mathematikern und ähnlichen Spezialisten war, von denen viele einen Doktortitel in ihrem Fachgebiet hatten. Daher ist es sehr wichtig, dass ich als Führungskraft anerkenne, dass ich nicht in allen Bereichen der beste Fachmann bin, und dass ich den Stil für das gesamte Team vorgeben kann, indem ich die Spezialgebiete der anderen schätze und zum Wohle des Ganzen einsetze.
Welche Managementpraktiken oder -ansätze sind meiner Meinung nach speziell für Remote-Teams am wichtigsten?
Bei gemischten Teams, die sich aus Ortsansässigen und Remote-Mitgliedern zusammensetzen, oder bei reinen Remote-Teams stand für eine transparente Kommunikation für mich immer an erster Stelle. Ein Gespräch an der Kaffeemaschine ist gut, aber es muss durch leichtgewichtige elektronische Kommunikationskanäle ergänzt werden. Die kanalgestützte Chat-Kommunikation zur Normalität zu machen und vom internen E-Mail-Versand wegzukommen, spielt dabei sicherlich eine wichtige Rolle.
Auch hier ist die Führungskraft das Vorbild; nur wenn ich diesen Kanal für meine gesamte schriftliche Kommunikation anstelle von E-Mail verwende, wird das Team dies auch übernehmen. Ebenso hilfreich ist es, einen internen Blog oder ein Intranet zu betreiben, um Vorgehensweisen, Änderungen und ähnliches zu dokumentieren. Dies gilt für alle Unternehmensgrößen, sei es auf Team-, Abteilungs- oder Unternehmensebene. Es dauert eine Weile, aber letztendlich schätzen die Menschen echte Transparenz und Ortsunabhängigkeit von Informationen und Verbindungen, selbst wenn sie an verschiedenen Standorten arbeiten. Dies gilt umso mehr für Mitarbeiter, die im Prinzip an einem gemeinsamen Standort arbeiten, aber tatsächlich oft vor Ort beim Kunden sind.
Darüber hinaus habe ich für alle Mitarbeiter, die mir direkt unterstellt sind, ein wöchentliches oder zweiwöchentliches 1o1 genutzt, um in Kontakt zu bleiben, und ich ermutige auch andere Führungskräfte, dies zu tun. Ich betrachte das 1o1 als ihre Besprechung, in der sie die Tagesordnung festlegen, oft nach einer Vorlage, auf die wir uns geeinigt haben. Und in manchen Wochen, wenn es wirklich nicht viel zu besprechen gibt, kann es in sechs Minuten vorbei sein. Und die Leute wissen diese 1o1s zu schätzen, wenn man sie ganz klar als Dienstleistung für den Einzelnen versteht und nicht als eine weitere Pflicht für ihn.
Welche Unternehmen haben meiner Meinung nach die besten Praktiken für Telearbeit und -management?
Sowohl aus Gesprächen mit Mitarbeitern als auch aus der Lektüre habe ich einen guten Eindruck von den Folgenden gewonnen, in keiner bestimmten Reihenfolge und ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit:
- Canonical: Remote-First-Unternehmen, Präsenz in vielen Ländern, gute Voraussetzungen und Bedingungen für Remote-Arbeit.
- Salesforce: legale Präsenz in vielen Ländern, gute Einrichtung und Unterstützung für Remote-Arbeit.
- Github: Remote-First-Unternehmen, breite Präsenz in Europa.
- Atlassian: Remote-First-Unternehmen, mit Präsenz vor Ort in vielen Ländern
- Automattic: Unternehmen, das vollständig auf Remote-Arbeit ausgerichtet ist und über alle dafür erforderlichen Systeme verfügt.
Was die Praktiken für Remote-Arbeit und Remote-Management angeht, halte ich die folgenden für wichtig:
- Employer Branding. Dabei geht es nicht um die schillernde, auf die Website ausgerichtete Art des Employer Branding, sondern um die Tatsache, dass alles, was Führungskräfte und Manager tun, und jeder Prozess, den das Unternehmen durchführt, effektiv Teil des Employer Branding ist.
- Onboarding. Ein bewusstes, gut gestaltetes, zentral organisiertes und dennoch individuelles Onboarding hat einen großen Einfluss auf die Leistung jedes neuen Mitglieds. Teams, in denen die Führungskraft einen Schwerpunkt auf das Onboarding legt, schneiden meiner Erfahrung nach in der Regel besser ab. Ich habe einen ganzen Leitfaden für Manager und Neulinge zum Thema Onboarding erstellt, der auch nicht offensichtliche Aspekte enthält.
- Transparenz und Check-ins. Wenn man sich nicht mehr gemeinsam an der Kaffeemaschine trifft, kann man sich isoliert fühlen und die emotionale Bindung an das Unternehmen verlieren. Ermutigen Sie zu multilateraler Kommunikation, regen Sie Diskussionen im Intranet an und machen Sie die virtuelle Plauderecke im Büro zu einer Notwendigkeit, um Kontakte zu knüpfen. Regelmäßige Besprechungen mit den Teammitgliedern sollten die Offenheit haben, auch Probleme im Privatleben zu thematisieren, denn nur dann können die Führungskraft, die Kollegen und schließlich das Unternehmen darauf eingehen, sie akzeptieren oder unterstützen. Jeder Einzelne hat seine eigene, sich verändernde Situation, sei es der Arbeitsplatz, die Internetverbindung, die Familie oder die gesellschaftlichen Herausforderungen, die eine Rolle bei der Leistung spielen.
- Vision und Zielsetzung. Wann immer es angebracht ist, und im Zweifelsfall öfter, helfen Sie den Mitarbeitern, die Verbindung zwischen dem, was sie tun, und dem Zweck, der Mission und der Vision des Unternehmens herzustellen. Das Zugehörigkeitsgefühl entwickelt sich nicht von selbst, und vor allem in Unternehmen, in denen die Mitarbeiter nicht täglich sehen, wie die Produkte tatsächlich hergestellt und ausgeliefert werden, kann das Gefühl dafür, was das Unternehmen tatsächlich tut und warum, schwinden.
Wie sieht mein idealer Ansatz für die kontinuierliche Weiterentwicklung von Führungskräften und Management aus, um deren Selbstvertrauen und Konsistenz zu stärken?
Für mich war das Kennenlernen der Systemtheorie von Niklas Luhmann in einem Programm namens „Future Leadership: Organisationsdesigner für agile Teams und Unternehmen“ war eine sehr wichtige Erkenntnis. Es muss nicht gleich eine mehrwöchige Schulung für alle Führungskräfte und das Management sein, aber es ist wichtig, ihnen im Laufe der Zeit nahezubringen, was eine Organisation ausmacht – und was nicht. Viele Führungskräfte in der Unternehmenswelt versuchen, Dinge zu beeinflussen, die sie nicht beeinflussen können, und so hat das Lernen über entscheidbare und nicht entscheidbare Entscheidungsprämissen einen großen Einfluss auf die Frage, worauf Führungskräfte ihre Energie verwenden.
Das Wort „kontinuierlich“ in der Frage beschreibt es ziemlich gut: Führungs- und Managemententwicklung findet nicht in einmaligen Veranstaltungen statt, sondern in regelmäßigem Austausch und Reflexion in einem geschützten Raum. Mein Ansatz beinhaltet also einen Rahmen, in dem Führungskräfte und Manager ihre Managementpraktiken selbst reflektieren und mit anderen teilen können. Regelmäßige Dialogforen in kleinerem und größerem Rahmen ermöglichen es dann, im Laufe der Zeit Konsistenz zwischen den Individuen und auch innerhalb der Individuen zu erreichen. Konsistenz sollte jedoch nicht als statisch verstanden werden, sondern als Entwicklung, jedoch ohne unvorhersehbare Sprünge von Mal zu Mal.
Manche Kollegen mögen Leseclubs, doch ist ein Buch immer endlich, und das jeweilige Lesetempo und die Zeit zum Lesen variieren von Mitglied zu Mitglied, so dass diese Leseclubs oft schnell zerfallen. Empfehlungen für Podcasts, die für die eigene Rolle relevant sind, und eine regelmäßige Diskussion über die Episoden können jedoch dazu beitragen, dass die Inhalte des Podcasts tatsächlich auf die Arbeit übertragen werden.
Wie kann ich meine Kollegen dazu bewegen, ihr persönliches Weiterbildungsbudget optimal zu nutzen?
Auf allen Erfahrungsstufen können Entwicklungsziele ermittelt und festgelegt werden, meist von den Mitarbeitern selbst, aber auch mit Unterstützung ihrer jeweiligen direkten Vorgesetzten, die ihnen in der Regel am nächsten stehen, und mit Unterstützung der Organisationsentwicklung durch Rahmenvorgaben oder direkt. Die Ziele sind dabei natürlich auf die Bedürfnisse des Unternehmens abzustimmen. Was heißt das konkret?
Diese Entwicklungsziele bestimmen den bestmöglichen Einsatz des persönlichen Weiterbildungsbudgets für jeden. Eine Mischung aus zentral bereitgestellten Programmen und Empfehlungen mit persönlichen Vorschlägen kann für gute Fortschritte auf allen Ebenen sorgen.
Man glaubt ja gemeinhin, dass die Möglichkeit, Weiterbildung machen zu können, von den Mitarbeitern auch entsprechend genutzt würde, nur ist dem in der Realität oft nicht so. Die Leute fühlen immer Zeitdruck, Projektdruck und sich dadurch unabkömmlich im täglichen Trubel. Von daher sind Pläne und Ziele zur Weiterbildung alleine nichts wert. Ich muss als Führungskraft auch deutlich machen, dass mir Weiterbildung wichtig ist, auch in dem ich selbst mit gutem Beispiel voran gehe und selbst mich sinnvoll weiterbilde, sowohl im Selbststudium als auch in angeleiteten Trainings, und beides den Leuten gegenüber transparent mache.
Zusätzlich empfehle ich eine Bestandsaufnahme der Programme, die von den Mitarbeitern nicht nur meines Teams, sondern im ganzen Unternehmen, genutzt wurden, und besonders natürlich das Feedbacks der Teilnehmer direkt nach der Teilnahme sowie einige Monate danach einzusammeln. Das kann dazu beitragen, die durchschnittliche Qualität der genutzten Bildungsprogramme zu erhöhen.
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Übersetzt aus meinem eigenen englischen Original mit der Hilfe von DeepL.com
Alle Fotos Dr. Joachim Schlosser Fotografie
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