Was wurde nicht schon alles über Employer Branding geschrieben und gelehrt. Wie soll die Arbeitgebermarke, und so heißt nun mal Employer Branding auf deutsch, aussehen, wie soll sie sich anfühlen, welche Art Mitarbeiter wollen wir für uns gewinnen?
Wie stellen wir aus HR-Sicht unser Unternehmen auf der Karrierewebsite dar? Wo nutzen wir Video fürs Employer Branding, und wer macht uns diese Videos in einem unverwechselbaren Stil, der zu uns und auch noch ins Budget passt? Was soll auf die Banner und Aufsteller für die Karrieremesse? Welche Werbematerialien nehmen wir mit? Welche Freiheit haben wir im Employer Branding, was dürfen wir, so dass auch die Kollegen aus den Investor Relations nicht nervös werden, denn schließlich müssen wir ja auch an den Finanzmärkten vertrauenswürdig und seriös wirken, und die mögen es nicht zu hipp. Oder doch?
Fragen über Fragen rund um Employer Branding. Um diese Fragen geht es hier nicht, jedenfalls nicht vorrangig.
Was ist Employer Branding überhaupt? Wodurch entsteht die Arbeitgebermarke? Welche Einflussfaktoren sind wie stark?
Zunächst könnten Sie sich ja die Frage stellen: Muss ich überhaupt Employer Branding „machen?“
Ich kann nicht nicht Employer Branding machen
Wie Paul Watzlawick in seinem Werk über Konstruktivismus ganz eindringlich schreibt: Man kann nicht nicht kommunizieren. [1][2]
Employer Branding, also die Arbeitgebermarke, entsteht durch Kommunikation. Zusammen mit dem Satz Watzlawicks ergibt sich der Titel: Man kann nicht nicht Employer Branding betreiben.
Hier könnte dieser Beitrag streng genommen schon vorbei sein. Punkt gemacht, alles klar, oder?
Leider nein, denn in meiner Arbeit mit verschiedensten Organisationen von Klienten treffe ich immer wieder auf zwei grundsätzliche Irrtümer:
- Irrtum 1 geht davon aus Employer Branding sei das, was wir auf unserer Karriereseite machen und wie wir cool auf Social Media auftreten.
- Irrtum 2 geht davon aus Employer Branding sei nur das, was wir auf unserer Karriereseite machen und wie wir cool auf Social Media auftreten.
Wenn Sie jetzt gerade zweimal den gleichen Satz gelesen haben, dann lesen Sie bitte nochmal. Das „nur“ macht den Unterschied.
Was Employer Branding, oder auch auf deutsch die Arbeitgebermarkenbildung oder kurz Arbeitgebermarke, alles bedeutet, das klären wir auf den nächsten Seiten, doch zuvor sollten wir uns denen zuwenden, die meist mit der Pflege dieser betraut sind.
Employer Branding als Disziplin des Personalwesens / Human Resources
Die Arbeitgebermarke wird oft in Verantwortung der Personalabteilung gesehen, das wollen wir uns etwas genauer ansehen. Ebenso, und das wird den deutlich längeren Teil einnehmen, werden wir im Text überblicken, was und wer noch alles im Employer Branding mitwirkt.
Bisweilen spreche ich in Organisationen der Klienten mit Vertreterïnnen des Personalwesens, Human Resources, HR, sowie mit Vertreterïnnen des Marketings, die Unterstützung in Sachen Employer Branding erhalten möchten. Was, so die Frage, sollten sie auf welchem Kanal wie raushauen, damit potentielle Bewerber ein möglichst vorteilhaftes Bild der Firma erhalten? Wie sollte die Karriere-Website beschaffen sein?
Wie soll die Arbeitgebermarke aussehen, wie soll sie sich anfühlen, welche Art Mitarbeiter wollen wir für uns gewinnen? Wie sehen die Banner und Aufsteller für die Karrieremesse aus? Welche Werbematerialien nehmen wir mit? Wo nutzen wir Video fürs Employer Branding, und wer macht uns diese Videos in einem Stil, der zu uns und auch noch ins Budget passt, und vielleicht ja sogar unverwechselbar ist?
Die Karriere-Website
Das führt unter Umständen dazu, dass wir bei einem Blick auf die Karriereseite eines Unternehmens eine andere Bild- und Wortsprache vorfinden als auf der restlichen Website.
Es geht mir nicht um ein prinzipiell anderes Aussehen der Website, das liegt ganz oft und verständlich daran, dass Recruiting gerne mit Software-as-a-Service-Plattformen (SaaS) arbeitet, bei der die fertige Software einer externen Firma auf deren Plattform genutzt wird, die lediglich im Aussehen an die Haupt-Website angepasst wird.
Es geht mir um die Bild- und Wortsprache: Wie werden die Nutzer angesprochen? Welcher Schreibstil herrscht vor? Werden hier die Besucher geduzt, auf der Hauptseite gar nicht angesprochen oder gesiezt? Finden sich hier hauptsächlich Fotos von diversen Stockfoto-Gruppen oder vielleicht sogar echten Mitarbeiterïnnen, während auf der Haupt-Website Menschen gar nicht vorkommen?
Alles, was einen ganz anderen Eindruck macht, lässt mich immer fragen: Wieso möchte ein Unternehmen gegenüber (potentiellen) Kunden ein ganz anderes Bild des Unternehmens oder der Unternehmensziele präsentieren als gegenüber (potentiellen) Kollegïnnen? Sollen denn nicht die Mitarbeiterïnnen auf ein Unternehmensziel hin wirksam sein, das den Kunden einen Mehrwert bietet, und das beiden Gruppen auch noch konsistent kommuniziert werden kann?
Es ist völlig in Ordnung, wenn die Grundbotschaft auf die jeweilige Zielgruppe anpasst wird, weil man ja von Kunden etwas anderes möchte (Geld) als von Mitarbeiterïnnen (Arbeitskraft). Wobei eigentlich auch wieder nicht, denn Loyalität und Begeisterung für die Produkte und Dienste des Unternehmens möchte man doch von beiden.
Employer Branding als separate Disziplin innerhalb von Human Resources zu denken und zu behandeln, führt oft zu Inkonsistenzen im Außenauftritt. Selbst wenn diese Inkonsistenzen nicht himmelschreiend offensichtlich sind, beeinflussen sie die gesamte Wahrnehmung des Unternehmens in negativer Weise. Inkonsistente Kommunikation wird von Menschen oft unbewusst als Doublebinds[3] wahrgenommen und verursacht Unwohlsein in Bezug auf den Sender.
Außenwirkung insgesamt
Eine Kernfrage der kommunikativen externen Arbeitgebermarkenbildung ist, wie sich das Unternehmen nach außen darstellen möchte, und wie das Unternehmen gerne wahrgenommen werden möchte.
Oft werden hier über die Karriere-Website hinaus Kampagnen gefahren über Social Media, in dem etwa Unternehmensprofile auf LinkedIn, Twitter, Facebook, Instagram oder TikTok bespielt werden. Das kann funktionieren, muss aber nicht. Zum Thema Employer Branding via Social Media gibt es bereits viele gute Publikationen und Hilfestellungen.[4][5] Die Frage ist hier, inwieweit das Unternehmen die Eigenheiten der jeweiligen Social Media Plattformen berücksichtigt und im Idealfall sinnvoll nutzt, um die eigene Marke an dien Kommunikationsstil der Plattform anzupassen und dennoch seinen eigenen Kern zu erhalten. Auch wenn jede der Plattformen ein Stück weit typische Bildformate und Geschichten bedingt, fällt auf, ob das Unternehmen über die Plattformen hinweg eine konsistente Wort- und Bildsprache hinbekommt.
Employer Branding im Recruiting
Ich weiß ja, dass Sie das unbedingt interessiert, weil die Kollegïnnen alles rund ums Recruiting ganz stark mit Employer Branding assoziieren. Also bekommen Sie’s: Einige Gedanken zum Employer Branding im Recruiting. Doch geht es mir in diesem Kapitel nicht um die Karriere-Subsite, nicht um Flyer, nicht um Auftritte auf Jobmessen.
Hinter dem, was oftmals als Employer Branding betrieben wird, nämlich der Karrierewebsite des Unternehmens, liegt direkt noch ein größerer weiterer Bereich des Employer Branding, der sich ebenfalls an Kandidaten, also potentielle neue Mitarbeiterïnnen richtet: Die Recruiting-Erfahrung.
Die Erfahrung, die Kandidatïnnen mit dem Recruiting eines Unternehmens machen, ist Employer Branding par excellence. Das gilt ausdrücklich nicht nur für Kandidatïnnen, die weit kommen oder sogar ein Jobangebot bekommen, sondern für alle Bewerberïnnen, auch die, die früh aussortiert werden.
Die Haupt-Erfahrung, die Kandidatïnnen machen, ist nicht, wie die Karrierewebsite aussieht und wie toll die Videos, die sich freuende Menschen bei der Arbeit im Unternehmen zeigen, gemacht sind.
Die eigentliche Erfahrung des Employer Branding beginnt mit der Stellensuche. Wie kann ich suchen? Nach welchen Kriterien? Welche Suchfilter und Kategorien sind zwingend zu benutzen? Wie werden die gefundenen Stellen in der Liste angezeigt? Wie sind sie verlinkt? Was steht auf der jeweiligen Seite für eine einzelne Stellenausschreibung? Wie ist das Bewerbungsformular aufgebaut? Muss in vielen Schritten ein Account angelegt werden? Muss der Kandidat seinen Lebenslauf nochmal einzeln in Formularfelder eintragen, oder kann die Kandidatin einfach die Daten aus LinkedIn übernehmen, oder kann ein Lebenslauf-Dokument hochgeladen werden? Employer Branding.
Damit nicht genug, das war ja nur der erste Schritt im Employer Branding. Wichtiger ist, was jetzt passiert. Was steht wie formuliert in der Eingangsbestätigung per E-Mail? Wie lange braucht es, bis die Kandidatin etwas konkretes hört? Schreibt ein Automat? Sieht die E-Mail aus wie ein Brief oder eher wie eine Nachricht von Mensch zu Mensch? Ruft ein Mensch an? Wie werden Termine vereinbart? Per E-Mail-Ping-Pong oder per Telefon? Mit schriftlichen Vorschlägen oder mit einem Doodle/Terminbuchungssystem? Employer Branding.
Wie ist die Kommunikation vor einem Live-Interview? Mit wem? Ist die Kandidatin immer mit dem gleichen Recruiter im Kontakt, oder fühlt es sich eher an wie im Call Center, mit ständig wechselnden Ansprechpartnern? Welche Antwortzeiten hat die Firma, also wie lange braucht es nach einer E-Mail, bis sich jemand vom Unternehmen wieder meldet? Employer Branding.
Wie geht das Interview von statten? Spricht die Kandidatin mit einer oder mehreren Personen? Wie ist das Gesprächsumfeld? Was ist vom Unternehmen zu erfahren? Entspinnt sich ein echtes Gespräch, oder bleibt es eher ein reines Interview?[6] Employer Branding.
Wie lange dauert es nach dem Interview, bis sich jemand meldet? Und wie geistreich ist dieser Kontakt? Liegt eine Entscheidung bereits vor? Welche Art schriftliche Kommunikation gibt es nach dem Interview? Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt? Employer Branding.
Jede Kommunikation im Verlauf des Bewerbungsprozesses ist Employer Branding. Kommunikation ist nicht nur das, was gesagt und geschrieben wird, sondern auch die Wartezeit zwischen den Nachrichten. Jeder Kontaktpunkt im Recruiting macht das Employer Branding aus. Das kann man gestalten und auch messen.[4]
Modellieren Sie ganz präzise, wie in Ihrer Firma die Kandidatenerfahrung ist, von Finden einer Stelle, etwa auf LinkedIn, bis zur Ablehnungsnachricht oder dem ersten Tag. Nachdem Sie vermutlich deutlich mehr Kandidaten eine Ablehnung zukommen lassen müssen, als Sie einstellen, legen Sie besonderes Augenmerk auf die Erfahrung, die abgelehnte Kandidaten machen. Denn wenn das gut abläuft, dann bekommen diese Kandidaten dennoch einen sehr positiven Eindruck von Ihrem Unternehmen, auch wenn es letztlich nicht gepasst hat.
Employer Branding durch Markenbotschafter
Die wirkmächtigsten Botschafter der Arbeitgebermarke sind die aktuellen und vergangenen Mitarbeiterïnnen.
Wie „PR-Doktor“ Dr. Kerstin Hoffmann ganz hervorragend schreibt: Sicher gibt es dedizierte Markenbotschafter, aber letztlich ist jede:r Mitarbeiter:in ein:e Markenbotschafter:in des Unternehmens. Kerstin hat darüber sogar ein ganzes Buch geschrieben, das ich an dieser Stelle empfehle.[7]
Als Firma tue ich gut daran, explizit Markenbotschafter aufzubauen, und mir zu überlegen, was ich wie ausdrücken und transportieren möchte. Das gibt der Marke, der Firma ein menschliches Antlitz. Menschen erst machen eine Firma so richtig lebendig in der Außenwahrnehmung. Das soll konsistent sein, aber nicht zu geschleckt. Überlegt, aber nicht offensichtlich gelenkt. Seriös, aber nicht steif. Locker, aber nicht flapsig.
Es kann und sollte also die Aufgabe von spezifischen Personen im Unternehmen werden, abseits der Rolle des Pressesprechers etwas über das Unternehmen nach außen zu transportieren. Das dürfen und sollten gerne Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen und Funktionen in der Firma sein, darunter freilich Personen, die den Kern der Wertschöpfung des Unternehmens repräsentieren, weil es eben nicht um eine:n Pressesprecher:in geht. Während der Pressesprecherïn offizielle Botschaften, oft gewichtiger Natur, an die Öffentlichkeit gibt, vermitteln Markenbotschafter einen alltäglicheren Blick ins Unternehmen: Was machen wir hier so, und wie entsteht das, was wir hier tun? Wie zeigt sich das, was uns wichtig ist?
Tägliches Employer Branding durch implizite Markenbotschafter
Denn sowohl im direkten und erweiterten Bekanntenkreis, als auch in Online-Diskussionen, Konferenzen und Kundenbeziehungen transportiert ja jedër Mitarbeiterïn ein Gefühl, das sie über die Firma hat.
Diese Kommunikation kann durch die direkte Frage eingeleitet sein Wie findest du eigentlich die Firma, in der du arbeitest?, aber letztlich kommt in jedem Gespräch ja ein kleines Stückchen heraus, wie es dem Menschen im Unternehmen ergeht, wie dort entschieden wird, wie kommuniziert wird.
Das sind die impliziten Markenbotschafter haben keine Schulung darüber erhalten, sie haben sich nicht dediziert damit auseinander gesetzt, was sie wann wie an wen über die Firma erzählen. Was nicht gerade unter die allgemein übliche Verschwiegenheitsklausel aus dem Arbeitsvertrag fällt, die normalerweise ja eher das Ausplaudern von Interna wie Organisationsstrukturen, Absatzzahlen, Kundendetails untersagen, wird weitergetragen.
Jede:r ist impliziter Markenbotschafter.
Es gibt praktisch niemanden, der nicht impliziter Markenbotschafter ist. Das hat gravierende Auswirkungen darauf, wie steuerbar Employer Branding durch scheinbare Steuerung von Menschen ist: gar nicht. Führungskräfte in Organisationen müssen beim Thema Employer Branding ganzheitlicher denken lernen.
Employer Branding durch Führungskräfte und Stabsstellen
Führungskräfte kommunizieren beruflich mit Mitarbeitern, ebenso wie Kollegen in Stabsstellen. Da sehe ich bei Organisationen meiner Klienten teilweise sehr interessante Kommunikationsmuster.
Im folgenden schreibe ich von mir, auch wenn ich Muster ganz oft bei Klienten bzw. Klientenorganisationen beobachtet habe.
Für mich gilt dabei: Jedes Mal, wenn ich etwas spreche oder schreibe, sei es direkt mit einem Kollegen, mit einer Gruppe von Kollegen, oder anonym durch das, was ich auf Intranetseiten oder Prozessbeschreibungen schreibe, betreibe ich Employer Branding.[8]
Jede meiner Aktionen vor allem als Führungskraft zahlt auf die Arbeitgebermarke ein, ob ich will oder nicht.[5] Ob die Einzahlung positiv oder negativ ist, hängt davon ab, wie meine Aktion wahrgenommen wird.
- Mein wöchentliches Gespräch mit einem Teammitglied: Employer Branding.
- Mein Hinweis auf einen geänderten internen Prozess: Employer Branding.
- Die Verzögerung, mit der ich auf E-Mails, Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnungen und so weiter reagiere: Employer Branding.
- Die Transparenz, die ich in Bezug auf Unternehmensentscheidungen herstelle oder auch nicht: Employer Branding.
- Interne Dokumentation, die ich schreibe: Employer Branding.
- Interne Prozesse, die ich anfasse, verändere, aufsetze, installiere: Employer Branding.
- Rückmeldungen / Reviews / Feedback, die ich Kollegen aus dem eigenen oder anderen Teams auf deren Arbeitsergebnisse gebe: Employer Branding.
- Die Art, wie ich Kritik übe: Employer Branding.
- An was ich Kritik übe: Employer Branding.
- Wieviele Kollegen ich bei kleinsten administrativen Konflikten dazuziehe: Employer Branding.
- Kritische Punkte, die alle sehen und die ich nicht anspreche: Employer Branding.
- Wie ich neue Kollegen tatsächlich einarbeite:[9] Employer Branding.
- Meine Orthografie in E-Mails: Employer Branding.
- Umfang, Inhalt und Zielgruppenadaption meiner E-Mail-Signatur: Employer Branding.
- Ob ich die Webcam in Gesprächen einschalte oder nicht: Employer Branding.
- Was und wie ich in Teambesprechungen sage:[8] Employer Branding.
- Wie ich mit Konflikten zwischen zwei Teammitgliedern umgehe: Employer Branding.
- Was ich mit Vorschlägen von Kollegen mache: Employer Branding.
- Ob und wie und wann ich Entscheidungen kommuniziere: Employer Branding.
- Wie ich zu diesen Entscheidungen komme, und wo das sichtbar ist: Employer Branding.
- Wann und wie ich eine organisatorische Änderung[10] kommuniziere: Employer Branding.
- Ob und wann und wie ich aufkommende Gerüchte durch aktive Kommunikation angehe: Employer Branding.
- Wie ich mit Flurfunk, also informeller, unbeschränkter Kommunikation, umgehe: Employer Branding.
- Welche Aufgaben ich delegiere und wie:[11] Employer Branding.
- Welche Art von Reporting ich einfordere, wie oft und welcher Gestalt: Employer Branding.
Sie dürfen unbedingt davon ausgehen, dass die Liste unvollständig ist, und dass ich sie in vielen verschiedenen Weisen sortieren könnte. Das dürfen Sie nach Ihren eigenen Präferenzen tun.
Alles, was ich tue, ist Employer Branding. Selbst wenn das mir oder meinen Teammitgliedern so gar nicht bewusst ist. Es entsteht eine Wahrnehmung, und damit ein Gefühl, oder besser gesagt die Grundlage für ein Gefühl. Gefühl ist ja auch so etwas, das wir in der Arbeitswelt immer gerne ignorieren, weil wir sind ja alles Profis, gell? Der Mensch bleibt aber immer Mensch, auch in der Arbeit, auch in Umgebungen, in denen scheinbar mit rein rationalen Überlegungen in rationalen Prozesse rationale Entscheidungen getroffen und rational umgesetzt werden. Wie bei Daniel Kahneman [12] u.a. nachzulesen, treffen wir Menschen Entscheidungen in der Regel auf Basis von Empfindungen und Erfahrungen, und rationalisieren diese nachträglich mit Argumenten genau dieser rationalen Prozesse, mal mehr, mal weniger. Auf jeden Fall hat die Wahrnehmung einen wesentlichen Einfluss auf das, wie sich Menschen in einer Organisation verhalten. Und ich kann das, zwar nichtdeterministisch, aber dennoch ein Stück weit beeinflussen, indem ich achtsam kommuniziere.[13]
Employer Branding entsteht also durch die Summe des Verhaltens und der Kommunikation der Organisation, in jeder Interaktion, die durch hierarchische Strukturen oder durch Prozesse geprägt wird.
Lassen Sie das eine Weile sacken.
Vielleicht wehren Sie sich zunächst gegen diese Erkenntnis, das wäre normal und okay. Dann lassen Sie es noch eine Weile sacken.
Im Überschwang der Erkenntnis kann nun ein Muster entstehen, das auch nichts hiflt: Panisch immer auf die möglichst positive Wahrnehmung jeglicher Transaktion und Interaktion bei Mitarbeitern zu schielen und immer alles wunderbar rosarot pinseln zu wollen, auf dass sich immer alle lieb haben. Das bringt nichts, weil Sie damit Gefahr laufen, den Geschäftszweck der Organisation aus den Augen zu verlieren, den Erfolg der Organisation auf Spiel setzen, und damit nichts gewinnen, denn: Menschen arbeiten am liebsten in erfolgreichen Organisationen, wobei Erfolg in jeder Organisation anders definiert werden kann und nicht zwingend rein monetärer Natur sein muss, aber in kommerziellen Unternehmen üblicherweise eine überaus wichtige Rolle spielt. Denn ohne finanziellen Erfolg kann das Unternehmen nicht lange überleben. Finanzieller Erfolg eines Unternehmens ist ein großer Einflussfaktor fürs Employer Branding. Menschen arbeiten gerne in erfolgreichen Organisationen. Wenn auch der Rest stimmt.
Handreichung für ständiges Employer Branding
Sobald Sie sich eingestehen können, dass Employer Branding eben nichts ist, was Human Resources und Marketing zusammen aushecken, sondern integraler Bestandteil der Führungsarbeit auf allen Ebenen, werden Sie möglicherweise Veränderungen vornehmen.
Führungsarbeit auf allen Ebenen wiederum lebt vom Vorbild und von den Strukturen. Führungsarbeit wird ganz wesentlich beeinflusst von der Struktur, was wer wie wann führen kann, darf und soll, wer was wann mit wem besprechen und entscheiden muss.
Doch auch, wenn die Struktur halt so ist, wie sie ist, mehr oder weniger hilfreich, möchte ich Ihnen eine kleine Handreichung geben für das tägliche Employer Branding.
Stellen Sie sich doch einfach erst einmal, und dann immer wieder die folgenden Fragen. Sollten Sie eine Frage für sich alleine nicht beantworten können, dann fragen Sie gerne Kollegen, die eine solche Frage in ihrem Verantwortungsbereich sehen könnten.
Die Fragen hängen natürlich zusammen im Endeffekt, können aber wunderbar isoliert voneinander in der Antwort verändert und verbessert werden. Wenn Ihnen die Antwort auf eine Frage nicht gefällt, können Sie in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich etwas daran ändern, in dem Sie an der Struktur im eigenen Einflussbereich und an der eigenen Kommunikation etwas verändern. Finden Sie ihr Warum heraus.[14]
- Was und warum wollen wir an Kunden kommunizieren?
- Was und warum wollen wir an potentielle Mitarbeiter kommunizieren?
- Was und warum wollen wir an bestehende Mitarbeiter kommunizieren?
- Was und warum kommunizieren wir derzeit an und mit Kunden?
- Was und warum kommunizieren wir derzeit an und mit potentiellen Mitarbeitern?
- Was und warum kommunizieren wir derzeit an und mit existierenden Mitarbeitern?
- Wie gut passen Wortsprache und Bildsprache auf der Website zur Bildsprache intern?
- Was und warum ist in allen internen Unternehmensprozessen tatsächlich wichtig?
- Wie gut passt ein Unternehmensprozess zu dem, was uns als Unternehmen wichtig ist?
- Was und warum kommuniziert ein Unternehmensprozess implizit Mitarbeitern und Kunden?
- Was kommunizieren einzelne Zielvorgaben über den Unternehmenszweck?
- Was kommuniziert unser Vergütungssystem über die Prioritäten der Organisation?
Dergestalt finden sich noch viele, viele Fragen mehr. Alles kommuniziert. Vieles lässt sich von Ihnen als Einzelperson ändern, manches nur im Verbund. Aber anfangen können Sie stets selbst.
Employer Branding ist immer
Sie sehen: Employer Branding ist immer. Ich kann das nicht immer bewusst mitdenken, das würde mich in der täglichen Arbeit vermutlich aufhalten. Doch zwischendurch ist es unbedingt sinnvoll, mir immer wieder bewusst zu machen, was und wie ich für meine Firma kommuniziere.
Klar bekomme ich das nicht immer hin, und klar bin ich mir nicht immer dessen bewusst, wie etwas, das ich tue, auf die Arbeitgebermarke wirkt, und bisweilen sind Änderungen schwierig. Aber sich das immer wieder bewusst machen hilft schon.
Es geht nicht darum, beliebt zu sein, sondern schlichtweg zu prüfen, ob das, was ich als Führungskraft und die Organisation durch ihre Prozesse tut und kommuniziert mit dem übereinstimmt, was die Organisation sein will.
Was gehört aus Ihrer Sicht noch alles zum impliziten Employer Branding? Und welche Anekdoten in dem Umfeld haben Sie schon erlebt?
Literatur
- Watzlawick, Paul. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen. 30. Aufl. München Zürich: Piper, 2004. ↩
- Schlosser, Joachim. „Gelesen: Paul Watzlawick – Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen.“. Dr. Joachim Schlosser (blog), 14. Oktober 2002. ↩
- Sautter, Christiane, Alexander Sautter. Wege aus der Zwickmühle: Doublebinds verstehen und lösen. 7. Auflage. Ravensburg: Verlag für Systemische Konzepte, 2016. Siehe auch meine Rezension ↩
- M. Camphausen, “Smartes Employer Branding?: Was Analytics und qualitative Daten mit dem Erfolg von Arbeitgebermarken zu tun haben,” in Smart Human Resource Management, C. Gärtner, Ed. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2020, pp. 85–98. doi: 10.1007/978–3–658–30267–2_6. ↩
- M. Wilbers, Employer-Branding-Projekte erfolgreich gestalten: ein praxisorientierter Leitfaden zur Entwicklung einer Arbeitgebermarke, 2. Auflage. Berlin: Springer Gabler, 2022. ↩
- J. Schlosser, „Die Eine Frage für Job-Interviews“, Dr. Joachim Schlosser Blog, 5. Juli 2018. ↩
- Hoffmann, Kerstin. Markenbotschafter – Erfolg mit Corporate Influencern Überblick, Strategie, Praxis, Tools, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, 2020. ↩
- J. Schlosser, „Implizite Führung: Bewusstes Führen durch Kommunikation“, Dr. Joachim Schlosser Blog, 13. April 2021. ↩
- J. Schlosser, „Menschen einarbeiten im Informationszeitalter. Gedanken für Führungskräfte.“, Dr. Joachim Schlosser Blog, 12. März 2020. ↩
- Heath, Chip, Dan Heath, und Antoinette Gittinger. Switch: Veränderungen wagen und dadurch gewinnen. Frankfurt, M: Scherz, 2011. ↩
- Michael Hyatt. „The Five Levels of Delegation“, 19. August 2019. ↩
- Kahneman, Daniel. Thinking, Fast and Slow. London: Penguin Books, 2012. ↩
- Thích Nhất Hạnh. Achtsam sprechen – achtsam zuhören: die Kunst der bewussten Kommunikation. Übersetzt von Ursula Richard. München: O.W. Barth, 2014. ↩
- Sinek, Simon. Start with why: how great leaders inspire everyone to take action. New York: Portfolio, 2009. ↩
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