Kuppel des Bundestags in Berlin mit darunter gelegenem Stockwerk zu blauer Stunde

Implizite Führung: Bewusstes Führen durch Kommunikation

Führung ist immer. Führung endet nie. Was immer ich in Interaktion mit meinem Team tue: es ist Führung/Leadership. Ob ich möchte oder nicht. Ich kann nicht nicht führen, denn selbst im Nicht-Führen führe ich, setze ein Beispiel, ein Kommunikationsmuster.

Wodurch zeigt sich Führung im täglichen Arbeiten, ohne dass Sie den Eindruck haben, gerade aktiv zu führen? Führung – Leadership – ist mehr, als Anweisungen vom Kommandostand aus zu geben.

In diesem Artikel zeige ich Ihnen einige Muster auf, wie Sie implizit führen und führen können, zusammen mit einigen Praxistipps.

Implizit führen

Geschieht etwas, von dem ich entweder weiß oder annehmen darf, dass es mehrere Mitglieder des Teams direkt beeinflusst oder es sie betroffen macht, so habe ich mehrere Möglichkeiten zu agieren: Ich kann einzelne Personen darauf ansprechen. Ich kann das Team im nächsten Teammeeting darauf ansprechen, was voraussetzt, dass ich ein sinniges Teammeeting habe. Ich kann eine E-Mail ans Team schreiben. Ich kann sie im Gruppenchat (Slack, MS Teams o.ä.) anschreiben. Ich kann warten, ob und bis mich jemand anspricht. Ich kann nichts tun. Ich kann es übersehen oder vergessen und nichts tun.

Jede der Möglichkeiten ist eine Entscheidung. Das gilt auch für die Möglichkeit, es zu übersehen und nichts zu tun. Was ich in Sachen Leadership tue oder nicht tue, liegt in meiner Verantwortung.

Wie möchte ich führen? Paternalistisch? Ermunternd? Begleitend? Fachlich? Anweisend? Emotional? Situativ? Persönlich? Die Liste der Begriffe ließe sich ewig verlängern, doch Fakt ist: Wie ich führe ist eine Entscheidung. Es ist vielleicht keine bewusste Entscheidung, möglicherweise treffe ich sie unbewusst aufgrund meiner Prägung, meiner Erfahrung, meines impliziten Selbstbildes.

Auch eine unbewusste Entscheidung ist eine Entscheidung. Habe ich mich in der Vergangenheit dazu entschieden, eine Führungsrolle anzunehmen, liegt seitdem die Verantwortung für meine Kommunikationsentscheidungen bei mir.

Praxistipp Art der Führung

Die Art und Weise kann man ändern: Sie können sich stets neu entscheiden, wie Sie führen möchten. Das geht aber nur, wenn man sich dessen auch bewusst ist. Dass man führt und wie man führt und wie man in Zukunft führen möchte.

Es braucht dann zwar einige Zeit, bis die neue Führung in Ihnen selbst und auch in der Wahrnehmung anderer verfestigt ist, aber Sie können sich immer neu entscheiden.

Schreiben Sie einen Aspekt dessen, wie Sie führen möchten, auf ein Post-It und kleben es für eine Woche in Ihr Blickfeld beim Arbeiten, beispielsweise an den Monitor oder auf den Schreibtisch. Machen sie einen nach oben Pfeil für jede Situation, in der sie diesen Führungsstil angewandt haben.

Führung durch bewusste Kommunikation, Beispiel Kalender

Die Menge der Kommunikationsentscheidungen umfasst auch, wie voll mein Kalender ist. Nämlich ob ich für Anliegen auch zwischendurch für mein Team erreichbar bin und auch mal persönlich einfach so mit jemandem ungeplant sprechen kann. Habe ich von acht bis achtzehn Uhr durchgehend Termine, bin ich nicht ansprechbar. Das kommuniziert, dass ich den ganzen Tag unabkömmlich bin und leider keine Zeit für meine Mitarbeiter habe. Selbst wenn keiner der Termine im Kalender von der Führungskraft selbst gesetzt ist, sondern die Führungskraft eben in ganz vielen Themen gefragt ist, kommuniziert das etwas. Wahlweise, dass die Führungskraft nicht mehr Herr über die eigene Zeit ist, sich schwer tut mit Priorisierung, nicht delegieren möchte oder schlecht Nein sagen kann, dass sie einseitig Lösungen durch synchrone Besprechungen sucht, und noch vieles mehr.

Vor allem aber auch, dass die Führungskraft die Warteschlangentheorie nicht verinnerlicht hat, nach der für Unvorhergesehenes ganz einfach ein Teil der Zeit unverplant bleiben sollte, und das nicht nur zu Tagesrandzeiten.

Freilich beinhaltet der Kalender möglicherweise auch eine Kommunikation nach oben. Vielleicht wird es ja in der Hierarchie allgemein als wünschenswert angesehen, wenn die relativ teuren Führungskräfte ordentlich Besprechungen im Kalender haben und damit ihrer Produktivität Ausdruck verleihen? Werden Lücken im Kalender als produktive oder als unproduktive Zeit angesehen? In so manchen Organisationen, die ich als Klienten hatte im Laufe der Zeit, wurde gnadenlos jeder Kalender bis zum Anschlag und darüber hinaus vollgeladen mit Besprechungen. Wann die Führungskräfte so noch zum denken, verarbeiten und schreiben kamen, war mir schleierhaft. Ich meine es herausgefunden zu haben, doch das wird ein separater Text.

Praxistipp Kalender

Machen Sie für sich selbst mal den Test: Schauen Sie in Ihren Wochenkalender. Wieviele Termine haben Sie drin? Wieviele Blöcke von mindestens einer Stunde haben Sie in der Zeit zwischen 10 und 16 Uhr noch unverplant?

Schauen Sie jetzt mal in Ihre gesendete Nachrichten der letzten Woche: Wie oft haben Sie eine Terminanfrage abgelehnt? Oder kommt das gar nicht vor, nehmen Sie alle Terminanfragen an?

Probieren Sie mal, einen Termin an jemanden in Ihrem Team oder Kollegenkreis weiterzuleiten. Überlegen sie sich, ob nicht ein anderer aus dem Team sich ähnlich gut oder möglicherweise sogar besser auskennt im Thema als Sie. Braucht es vermutlich eine begrenzte Entscheidung? Delegieren und ermächtigen Sie.

Führung durch bewusste Kommunikation, Beispiel E-Mail

Natürlich, werden Sie sagen, führe ich durch E-Mail. Aber ich meine mit Führung hier nicht die inhaltliche Ebene. Sie kommunizieren nicht nur durch die rein faktisch-sachliche Ebene, die in Ihren E-Mails herrscht, sondern durch alle anderen Aspekte.

Passen Sie in der Antwort die Betreffzeile an? Oder sind sie ein RE:RE:AW:AW…-Typ? Wie zitieren Sie den Originaltext? Hängt der einfach als ganzes dran oder verwenden sie nur die wichtigsten Zitate daraus? Ist der E-Mail-Thread nachher aufgeräumter als vorher? Wen schreiben Sie alles in CC? Alle aus der Original-E-Mail, oder mehr oder weniger Personen?

Wann reagieren Sie auf eine Anfrage eines Kollegen? Wann bei einem Mitarbeiter? Bei jedem Thema sofort? Strikt in der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs, weil Sie ja ohnehin immer am Postfach hängen?

In einer Schulung, die ich neulich für Professoren einer Universität gab, sprachen wir ganz dediziert über die implizite Kommunikation der Latenzzeit von E-Mail-Antworten. Wenn Sie auf jede mickrige Frage und Bitte sofort reagieren, kommuniziert dies Ihre Prioritäten als Führungskraft. Das gilt umso mehr, wenn Sie auf eher unwichtige E-Mails schneller substanziell reagieren als auf für das Teammitglied wirklich bedeutende Fragen.

Praxistipp E-Mail

Wechseln Sie in Outlook oder Ihrem sonstigen E-Mail-Programm weg von der Ansicht des Posteingangs, zum Beispiel in die Aufgaben oder den Kalendern. Schalten Sie alle E-Mail-Benachrichtigungen aus.

Bevor Sie einem Mitglied Ihres Teams auf eine einfache E-Mail antworten, schauen Sie nach, ob es nicht noch ein wichtigeres Thema gibt, auf das Sie vorher reagieren können. Das nachsehen dauert wenige Sekunden, der Effekt ist, dass Sie durch Ihr Handeln ganz klar die Prioritäten kommunizieren.

Um das Problem E-Mail in Gänze zu lösen: Zum Thema E-Mail arbeite ich auch an einem E-Mail-Training, nicht nur für Professoren, sondern für alle. Melden Sie sich auf E-Mail Effektiv an und erfahren, wenn es los geht.

Asynchron führen

In den meisten Fällen fahre ich persönlich sehr gut mit einer Kommunikation via Gruppenchat, einer Nachricht im MS Teams Channel. Eine technische Wahl, aber diese hat mehrere Vorteile und Aspekte der Führung:

  • Gegenüber Meeting: Ich kann jederzeit kommunizieren, muss nicht auf irgend einen synchronen Termin warten, bei dem meistens ohnehin nicht alle dabei sein können.
  • Gegenüber Gespräch oder Anruf: die Nachricht ist asynchron, das Teammitglied kann die Nachricht dann lesen und eventuell reagieren, wenn es gerade passt. Ich greife also nicht in die zeitliche Autonomie ein.
  • Gegenüber E-Mail: Ich greife nicht in das Postfach ein. Die Nachricht ist leichtgewichtiger, hat nicht den Anschein einer offiziellen Verlautbarung, und der Rückkanal ist einfacher.

Vor allem gegenüber der E-Mail liege ich mit dem Messenger meist richtig. Denn im Chatprogramm hat das Teammitglied eine einfache Möglichkeit der Reaktion, indem einfach ein Daumen-hoch oder eine andere Reaktion direkt an meinen Post gegeben wird. Sie brauchen also nicht unbedingt etwas als Antwort schreiben, sondern können einfach so eine Kenntnisnahme bekunden. Besonders wenn wir im Gruppenkanal kommunizieren, ist die Beantwortung viel leichter als per E-Mail. Antworten auf eine Nachricht drei Personen unabhängig voneinander via E-Mail, habe ich drei E-Mail-Threads. Im Chat bleibt es bei einem. Das macht es mir leichter, und das macht es dem ganzen Team leichter, das Thema in der Kommunikation einzugrenzen.

Ich kann mich im Chat-Kanal leicht auf etwas beziehen, das weiter oben schon erwähnt wurde, weil ja alle den gleichen Verlauf sehen. Anders in der E-Mail, wo ich mit Zitaten anfangen müsste, weil bei keinem E-Mails, die nicht zu einem Thread gehören, zusammen angezeigt werden. (Um das Problem E-Mail in Gänze zu lösen: Zum Thema E-Mail arbeite ich auch an einem E-Mail-TrainingMelden Sie sich auf E-Mail Effektiv an und erfahren, wenn es los geht.)

Im Chat sehen die anderen Teammitglieder ganz einfach, was einë anderër bereits geschrieben hat, und das ohne komplett neue Nachricht. Das ermöglicht es mir wiederum, auf eine Gruppendynamik zu setzen, in der meine Botschaft verlängert oder geschärft wird.

Praxistipp asynchrones Führen

Probieren Sie es mal vier Wochen lang aus: Schreiben Sie Ihrem Team keine E-Mail, sondern konsequent Chat-Nachrichten.

Machen Sie alle operativen Ankündigungen nicht zuerst im Teammeeting, sondern im Chat.

Das funktioniert auch anstatt weiterleiten von E-Mails, die Sie selbst bekommen haben. Kopieren Sie den Text in die Chat-Nachricht, versehen sie mit Kontext und der Aufforderung zur Rückmeldung, falls erforderlich.

Was kommunizieren

In meiner Profession habe ich das große Glück, mit lauter Menschen zusammen zu arbeiten, die in ihrem jeweiligen Fachgebiet die Spezialisten sind. Wenn ich sie entsprechend daran gewöhne, brauche ich ihnen also nicht ständig ins operative Geschäft reinpfuschen. Für die allermeisten Dinge bin ich nicht im kritischen Pfad, und das ist gut so.

Führung ist dann viel mehr die Aufgabe aufzuzeigen, wo die Reise hingehen soll. Die größere Welt erklären, in der sich unser Team bewegt. Organisatorische Probleme aus dem Weg räumen. Die Verbindung zu anderen Teams halten. Die Entwicklung jedes einzelnen fördern. Visionen geben, Visionen erläutern. Anerkennung (Obacht: nicht Lob!) und Dank aussprechen.

Führen eben.

Das alles wiederum geschieht nun nicht nur per asynchroner Kommunikation, sondern ebenso in Teammeetings.

Praxistipp Visionskommunikation

Kommunizieren Sie jede Woche mindestens ein konkretes Beispiel Ihrer Vision oder Mission für das Team. Dies darf gerne kurz sein. Das kann geschrieben an alle sein, oder im Einzelgespräch mit einem Mitglied des Teams stattfinden.

Teammeetings

Wozu ist ein Teammeeting gut? Darüber lässt sich trefflich streiten, und nicht wenige werden der Ansicht sein, diese seien komplett überflüssig. Das kann sogar sein. Ist doch ein Teammeeting zuallererst eine Demonstration hierarchischer Macht, in der einë Managerïn durch die Macht des verliehenen Amtes eine Versammlung der „Untergebenen“ einberuft.

Und doch kann ein Teammeeting auch ein ganz nützliches Ereignis für alle sein, in dem voneinander gelernt wird und Diskussionen stattfinden.

Das Teammeeting als Ort der reinen Informationsweitergabe jedoch hat ausgedient. Informationen sollten nicht bis zum Teammeeting warten müssen, dafür gibt es wiederum niederschwellige, asynchrone Kommunikationsmittel wie Kanäle in Programmen wie Slack oder MS Teams. Im Teammeeting selbst kann dann eher eine Diskussion über Informationen stattfinden.

Spreche ich als Führungskraft zum Team, dann kommuniziert und dokumentiert das ebenfalls wieder meine Art der Führung. Halte ich einen Vortrag, oder spreche ich zu den Leuten oder spreche ich mit den Leuten? Wieviel Zeit beanspruche ich? Lade ich ein zu Ergänzungen, Korrekturen, Diskussion, oder möchte ich einfach Zustimmung? Wie gehen die Teilnehmer des Meetings danach auseinander? Mit einem Gefühl größerer Wirksamkeit und Verbundenheit? Mit einem Gefühl, die Zeit soeben sinnvoll verbracht zu haben?

Das bedeutet andererseits auch, dass ich mir als Führungskraft sehr klar darüber werden muss, zu welchem Zweck ich ganz ehrlich das Teammeeting abhalten möchte, und wie ich das zum einen ganz klar kommunizieren und dann auch sicherstelle, dass die Veranstaltung diesen Zweck regelmäßig erfüllt.

Ein Bestandteil von Teammeetings kann sein, dass die Führungskraft ihre Vision erläutert. Das muss nun bitte nicht langes monologisieren sein, sondern kann auch jedes Mal ein kleines Stückchen sein. Mit der Zeit verfestigt sich daraus ein Bild für alle. Das schließt übrigens das Bild ein, ob ich als Führungskraft Folien oder sonstiges Material brauche, um meine Vision darzulegen, oder ob ich frei darüber sprechen kann.

Praxistipp Teammeeting

Eröffnen Sie in den nächsten vier Wochen das Teammeeting anders, als Sie das bislang gemacht haben. Stellen Sie eine echte Frage in den Raum, oder beziehen sich auf Ihre Vision, oder sagen Sie danke für etwas ganz spezifisches der vergangenen Woche. Legen Sie sich ein Repertoire an Eingangsfragen zu recht.

Wenn Sie Folien gezeigt haben, zeigen Sie keine mehr. Wenn Sie keine Folien gezeigt haben, zeigen Sie Echtzeitdaten, sei es ein automatischer Report, oder ein echtes Arbeitsergebnis der vergangenen Woche.

Führung ist immer

Eine Führungskraft führt immer. Ich mache den Mund auf, tippe auf die Tastatur, oder lasse es sein: Ich führe. Vielleicht so, wie ich es will, vielleicht auch unbedacht, vielleicht auch entgegen dem, was ich eigentlich erreichen will. Alles, was ich kommuniziere, liegt in meiner Verantwortung. (Siehe auch Extreme Ownership.)

Doch eine Führungskraft führt. Immer.

Foto: www.joachimschlosser.de. Bestellbar.

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