Gunter Dueck – Das Neue und seine Feinde.

Lesen über Ideen und Innovation: Gunter Dueck – Das Neue und seine Feinde

Wie gelingt Innovation? Was verhindert Innovation? Was sind einer Glühbirne und einem Totenkopf neben der äußeren Form noch gemein? Welche Widerstandsfaktoren schlagen einem in Organisationen entgegen? Was ist das Immunsystem einer Firma und wie arbeitet es? Was übersehen Erfinder gerne? Was ist der Unterschied zwischen Erfinder und Innovator? Das alles findet sich in Gunter Duecks »Das Neue und seine Feinde. Wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen«.

Nachdem Gunter Dueck mittlerweile unter die Freischaffenden gegangen ist, legte er nun nach seinen bildungskritischen Werken »Aufbrechen! Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen« und »Professionelle Intelligenz« (besprochen hier im Blog zusammen mit Seth Godins »Linchpin«) ein Werk vor, das sich auf einen konkreten Anwendungsfall der professionellen Intelligenz konzentriert: Die Innovation als solches, wie sie in Unternehmen und auch in Startups stattfindet.

Prozessempathie

Wie auch in seiner Rede bei der re:publica 2013 »Aufruf zum metakulturellen Diskurs« führt Dueck auf, warum eine Firma so läuft, wie sie eben läuft, und welche Auswirkungen das auf Ideen und deren Umsetzung hat. Im normalen Betrieb ist das Management darauf ausgerichtet, bekannte Prozeduren so effizient wie möglich durchzuführen. Wenn das eben ist, auf bekannte Weise ein bekanntes Produkt herzustellen und zu vermarkten, dann wird das gemacht. Natürlich wird dieses Produkt evolutionär weiterentwickelt, aber oft mehr im Sinne der Optimierung. Echte Innovation, bei der Teile des existierenden Prozesses oder die Ausrichtung des Produkts ganz in Frage gestellt wird, erzeugt natürlicherweise eine Abwehrreaktion des Organismus »Firma«.

Das muss es laut Dueck auch, weil sich ein Unternehmen sonst verzetteln würde. Innovation in Unternehmen entsteht also nicht auf grüner Wiese, sondern in einer voll bewohnten Kleinstadt, in der nicht mal eben Linksverkehr eingeführt oder ein Strassenzug neu gewidmet werden kann. Prozessempathie ist gefragt, also das tiefe Verständnis dafür, wie die Dinge laufen, und warum das meist auch gut so ist. Dann kann der Innovator – der »Intrapreneur«, wie ihn Dueck auch nennt – mit diesen Prozessen umgehen.

Viele Innovationen schaffen es nicht. Viele Innovationen sind nämlich eher noch blanke Ideen, die noch weit von echter Innovation ‒ also Idee plus Umsetzung ‒ entfernt sind. Eine Idee ist eine Singularität. Ein Prototyp ist ein das erste kleine Stück des Weges. Innovation bis zum fertigen und erfolgreichen Produkt sind Blut, Schweiß und Tränen.

Voraussetzung unbedingter Wille

Was ist man selbst bereit zu investieren? Welches Risiko ist der Innovator bereit zu tragen? Dueck macht deutlich, dass das Management weniger gewillt ist, eine Innovation zu befördern, wenn nicht auch der Urheber selbst voll und ganz dahintersteht und bereit ist, persönliche Risiken zu übernehmen. Risikofreie Innovation ist schwerlich möglich.

Auch wenn der Innovator nicht in einem bestehenden Unternehmen versucht, seine Idee umzusetzen, sondern dafür eine Neugründung erwägt, wird er oft mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, sobald er dafür Fremdkapital oder sonstige Investitionen benötigt. Ob es sich dann um das eigene Management oder ein externes Management handelt, ist dann nebensächlich. Die Immunreaktion gegenüber Innovation ist vergleichbar.

Innovation im Untergrund

Neben der Prozessempathie empfiehlt Dueck deutlich: Arbeite im Untergrund, so lange Du kannst. Löse keine Immunreaktion des Systems aus. Halte freilich deinen Manager auf dem Laufenden über, was du tust, aber frag nicht um zusätzliche Ressourcen oder grundsätzliche Entscheidungen. Informiere ihn nur deshalb, damit er nie kompromittiert wird, wenn von anderer Seite die Sprache auf das Projekt kommt, aber nutze nur die Ressourcen die du ohne Durchlaufen eines Prozesses bekommen kannst. Denn sobald das Projekt einem Gremium vorgelegt wird, braucht dieses zur Entscheidung Daten, die in der frühen Phase noch nicht zur Verfügung stehen, wie zu erwartende Profitabilität, eine verbindliche Zeitplanung und genaue vorhersagbare Ergebnisse. All das kann aber ja noch gar nicht wirklich da sein. Und genau deswegen werden dann solche Projekte entweder aktiv gestoppt oder zumindest nicht befördert.

Also lautet die Devise: Nur soviel Information geben, dass der eigene Manager nie in die Bredouille kommt, aber ansonsten so lange machen, bis die Realisierung hinreichend vollständig ist. Das ist eben nicht der Prototyp, denn der erste Prototyp, den der Forscher oder Erfinder herstellt, taugt noch nicht für die Massenproduktion, oder es fehlt noch die Infrastruktur. Der Erfolg der Innovation liegt aber genau darin, sich auch um die Infrastruktur zu kümmern, und zunächst einmal zu erkennen, dass für die eigene Erfindung eben diese Infrastruktur notwendig ist.

Klappe halten und machen. Mit dem, was vorhanden ist und ohne langwierige Genehmigungsprozesse gemacht werden kann. Nicht zu viele Fragen an unbeteiligte Leute stellen. Und wenn es schief geht, dann muss man eben dazu stehen. Und daran, so Dueck, fehlt es leider oft. Da wird halbherzig entwickelt, aber der Innovator steht nicht wirklich selbst dahinter und möchte gerne noch eine Rückversicherung haben, einen Manager, der alles absegnet und dem man im Falle des Misserfolgs eine Mitverantwortung geben kann, weil er es ja hätte sehen können. So funktioniert es eben nicht.

Eigenverantwortung

Sowohl die Immunreaktion des Unternehmens-Systems als auch die Forderung nach Eigenverantwortung sind natürlich anstrengend und bergen den Vorteil, dass eher nur solche Innovatoren durchkommen, die es tatsächlich durchziehen, die völlig überzeugt sind. So überzeugt, dass sie ein persönliches Risiko eingehen. Denn viele Innovationen schaffen es eben nicht, und zwar nicht weil irgendjemand im Management nicht zugestimmt hat, sondern weil es an der Umsetzung fehlt, weil der Markt noch nicht reif dafür ist, weil eine Infrastruktur fehlt und hätte mitentwickelt werden müssen, weil das Design hässlich ist, und und und.

Streitschrift

Gunter Dueck hat eine Art Streitschrift vorgelegt. Das ist kein Bauplan, das ist ein Menetekel auf der einen Seite und eine Erklärung auf der anderen. Das Buch heisst in erster Linie eben »Das Neue und seine Feinde. Wie Ideen verhindert werden…« und erst in zweiter Linie »…und wie sie sich trotzdem durchsetzen.« Wie immer schreibt Dueck anschaulich und direkt, und hält auch mit seiner eigenen Meinung nicht hinter den Berg, weil diese ja gefüttert ist durch seine eigenen Erfahrungen bei IBM, sowohl intern als auch im Kontext vieler Kontakte zu anderen Firmen und Gründern.

Ist es ein positiv gestimmtes Buch? Ja und nein. Es ist nicht so gesellschaftskritisch wie einige von Duecks anderen Büchern, sondern mehr ein Weckruf, wie die Lage in Unternehmen zum Thema Ideen und Innovation ist. Sehr wertvoll daran finde ich, dass Gunter Dueck erklärt, warum die Lage so ist und warum sie letztlich in vielen Fällen auch so sein muss, weil sonst das Unternehmen völlig defokussiert und ausgehöhlt wird. Innovation als einen Einfluss zu beschreiben, der im Unternehmen eine Immunreaktion auslöst, macht den Vorgang verständlich und weniger persönlich. Nur in seltenen Fällen will man den Meier zurückhalten.

Wer Patentrezepte erwartet, mit denen er seine Ideen zu durchschlagenden Innovationen machen kann, wird in diesem Buch nicht fündig werden.

Mir hat Gunter Duecks Buch gut gefallen. Dueck schreibt anekdotisch, skurril und zum schmunzeln, egal wie ernst die Botschaft ist. Das, was er erzählt, kennen wohl in erster Linie Mitarbeiter in mittleren bis größeren Unternehmen, doch auch in kleineren Unternehmen treffen die Beobachtungen zu mit dem Unterschied, dass man sich eben nicht mit anderen Abteilungen, sondern mit externen Geldgebern arrangiert.

Mein Persönliches Highlight: »Prozessempathie« als Ausdruck dafür, wie gut man Prozesse und deren Existenz versteht und akzeptiert, um dann damit zu arbeiten.

Klare Leseempfehlung und Bitte an den Verlag und Gunter Dueck, eine englische Übersetzung zu schaffen.

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