Richard Feynman ist – war – einer der schillernden Physiker unserer Zeit. Während viele Physiker allein wegen ihrer physikalischen Entdeckungen bekannt sind, hat sich Richard Feynman um universelle Neugier an sich verdient gemacht, und das mit einer gehörigen Portion Humor.
Seine Autobiografie „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!: Abenteuer eines neugierigen Physikers“, im englischen Original “Surely You’re Joking, Mr. Feynman!: Adventures of a Curious Character”, ist ein wahres Feuerwerk unterhaltsamer Anekdoten, verbunden mit Erkenntnissen über das Denken, über Lernen, über das Leben.

Es hat mich angesprochen, weil sich Richard Feynman bei aller Brillanz selbst nicht so ernst nahm.
Feynman und die Schule
Schon früh zeigte sich, dass der kleine Richard anders dachte als viele gleichaltrige Kinder. Er verstand mehr, er wollte mehr wissen. Ich mochte seine Anekdoten aus seiner Kinderzeit, wie etwa die Geschichten übers Radio.
Bereits als Kind in den 1930er Jahren spielte er ausgiebig mit Radiogeräten, und begann mit der Reparatur von Radiogeräten, weil er die elektrischen Prinzipien dahinter verstanden hatte, und machte sich in seinem heimatlichen Umfeld schon bald unentbehrlich. Er konnte Radioapparate reparieren, die sonst keiner hin bekam, und benutzte dazu auch selbst veränderte Messgeräte.
In der High School ging er auch zum Algebraclub – in amerikanischen Schulen gibt es so was, ja! – in dem er lernte, wirklich schnell zu rechnen. Eine Fähigkeit, die ihm später noch helfen sollte.
Mit seiner Begeisterung fürs praktische Experimentieren sah er sich für seine Doktorandenzeit verschiedene Universitäten an, etwa das MIT (Massachussetts Institute of Technology), Cornell, Princeton in USA, und lehrte später auch in Brasilien.
Feynman und die Praxis
Diese praktische Fähigkeit verbunden mit dem theoretischen Verstand halfen ihm denn sowohl in der Schule, als auch direkt im Studium der Physik. Er experimentierte viel mit Werkstoffen, mit Materialien, beschäftigte sich mit dem elektrolytischen Beschichten von Materialien, und gründete mit einem Studienkollegen eine kleine Firma. Sie gewannen regelmäßig knifflige Aufträge zur Metallbeschichtung von Werkstücken, weil sie liefern konnten, was deutlich größere Firmen nicht schafften. Sie boten Lösungen an, die sie zum Zeitpunkt des Angebots stets noch gar nicht hatten, und Richard Feynman experimentierte, um die Beschichtung gut hinzubekommen.
Diese Nebentätigkeit neben dem Physikstudium verschaffte ihm nicht nur finanzielle Möglichkeiten, sondern auch Kontakte, vor allem aber wertvolle Erfahrung mit Prozessen für Experimente und Werkstoffen.
Feynman und die Theorie
Als versierter Mathematiker fühlte sich Feynman angezogen von Problemstellungen, auf die es eben noch keine Lösung gab, bei denen noch nicht einmal die Problemstellung klar formuliert war. Die theoretische Physik war bisweilen bei Experimentalphysikern nicht hoch angesehen. Stellten die Theoretiker doch oft unbewiesene Behauptungen – Theoreme – auf. Feynman jedoch war in der Lage, anhand von Beispielen ein Experiment vorauszuahnen, welches die Theorie beweisen oder falsifizieren konnte.
Als ihm in der Physik die Fragestellungen ausgingen, beschäftigte er sich mit Biologie. Die Anekdoten aus seinen Anfängen in der Biologie sind köstlich zu hören. Dort lernte er für sich wieder sehr viel in Sachen Aufbau und sauberer Durchführung von Experimenten, nach dem er nicht nur eine Versuchsreihe durch unwissendes, falsches Vorgehen unbrauchbar gemacht hatte.
Seinen Ansatz bei Theorien beschreibt Richard Feynman sehr konkret. So möchte er zu Gleichungen und Theorien immer ein konkretes Beispiel oder einen Vergleich dazu haben. Anhand dieses Vergleichs prüft er dann die Konsistenz des Vergleichs und damit der Theorie sehr flott.
Feynman und die Bombe
Richard Feynman begann seine wissenschaftliche Karriere Mitte der 1930er Jahre, und meldete sich kurz vor Ende seiner Dissertation für die Forschung in Los Alamos, am Manhattan Projekt. Feynman trug somit zur Entwicklung der ersten Atombombe bei, und thematisiert dieses nachträgliche Dilemma auch explizit im Buch.
Feynman wollte etwas für sein Land tun, wurde beim Militär aber wegen seiner absonderlichen Verhaltensweisen nicht genommen. Die Forschung in Los Alamos bedeutete eben seine Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten. Die Atombombe selbst löste bei ihm nach der Testzündung und dann nach der Rückkehr aus Los Alamos eine Schwermütigkeit aus, die eine ganze Zeit anhielt.
Die Arbeitsumstände dort beschreibt er als skurril, durch die Prozedere für die Geheimhaltung. So lernte er dort, Schlösser zu knacken, und ging den Zensurbeauftragten auf die Nerven. Richard Feynman beschreibt die Zeit mit vielen Erzählungen und Anekdoten, und das ist wunderbar anzuhören, die kleinen Geschichten, die den Mensch Feynman in seiner Umgebung und seiner Zeit verorten.
Köstlich ist die Geschichte, als Feynman nach dem Krieg zur Armee eingezogen werden sollte. Er scheitert an der psychologischen Untersuchung.
Feynman und die Philosophie
Angestiftet durch die Teilnahme an einem scheinbar aufwandsarmen Seminar im Studium beschäftigte sich Feynman ganz praktisch mit Philosophie, und zwar ganz konkret und praktisch mit dem Bewusstseinszustand beim Einschlafen. Erkenntnis aus dieser Arbeit:
“A little verse I made up, which points out this problem of introspection:
I wonder why I wonder why. I wonder why I wonder. I wonder why I wonder why. I wonder why I wonder.”
„Ein kleiner Vers, den ich mir ausgedacht habe und der auf dieses Problem der Selbstbeobachtung hinweist:
Ich frage mich, warum ich mich frage, warum. Ich frage mich, warum ich mich frage. Ich frage mich, warum ich mich frage, warum. Ich frage mich, warum ich mich frage.“
Feynman und die Reisen

Während er bereits Professor an der Universität Cornell war, bekam Feynman die Gelegenheit, einen Sommer in Brasilien zu verbringen und eine Vorlesung zu halten. Dort lernte er auch das Spielen einer Sambatrommel, der Frigideira, in einer Marschkapelle. Zudem war er kurz nach seiner Ankunft der einzige Vortragende an einem Abend in der Akademie der Wissenschaften, der auf Portugiesisch vortrug, während alle vorangegangenen auch lokalen Wissenschaftler auf Englisch präsentierten.
Später bereiste er Japan, lernte als einer der ganz wenigen in der Reisegruppe ein paar Brocken japanisch, und verursachte logistische Wellen, als er das europäisch-westlich orientierte Hotel nicht akzeptierte und stattdessen darauf bestand, in einem original japanischen Hotel untergebracht zu werden, um tatsächlich japanisches Wohnen kennen zu lernen. Wunderbar sind auch in diesem Teil des Buches wieder seine Auslassungen zum Erlernen der japanischen Sprache, zu kulturellen Besonderheiten, und zur Arbeit mit den japanischen Wissenschaftlern.
Feynman und die Späße
“Surely You’re Joking, Mr. Feynman” heisst auch so, weil Richard Feynman ausgiebig Anekdoten zu seinen Späßen einstreut. So hinterließ er in Studienzeiten gerne Trinkgeld unter umgedrehten Gläsern, die randvoll mit Wasser waren, oder versteckte eine Tür eines Studierzimmers im Studentenwohnheim. Der Spaß freilich war weniger das Verstecken, sondern dass er mehrfach offen zugab, dass er die Tür versteckt hätte, ihm aber niemand glaubte und die Studienkollegen erfolglos weitersuchten.
Mit gutem Grund, aber nicht weniger witzig sind seine Übungen im Knacken von Schlössern für Tresore in Los Alamos. Während Feynman dies zunächst tat, weil er einfach auf den enthaltenen Dokumenten etwas nachsehen musste, entwickelte er sich daraus einen Spaß und nutzte diesen gleichzeitig, um Kollegen und Vorgesetzte auf das Sicherheitsproblem aufmerksam zu machen.
Neugierig bleiben – Auswirkung, Kontext
Was Richard Feynman aus meiner Sicht auszeichnet, ist zuallervorderst seine Neugier, nicht in erster Linie seine Intelligenz. Die Art, wie er stets offen für neue Erfahrungen, andere Ansichten und bessere Methoden war, ist für mich ein Leitstern.
Was immer Feynman auch erreicht hat – sei es in der Physik, in Biologie, in interkultureller Verständigung, in Verhaltensweisen von Menschen, in Beziehungsfragen, in der Malerei: Richard Feynman bewahrte sich seine unbändige Neugier. Ihn interessierten alle Fachbereiche.
Neben dem Umstand, dass „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman“ eine wundervoll unterhaltende Autobiografie ist, stellt das Buch ein großartiges Manifest der universellen Neugier dar.
Immer neugierig bleiben.
Wenn es eine Kernbotschaft dieser Autobiografie gibt, dann diese: Bleib immer neugierig.
Dazu passt auch der Blogpost über das Prinzip Neugier für bessere Gespräche, den ich schon vor einigen Jahren schrieb.
Schreibstil und Audio
„Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!“ ist kein Ratgeber. Keine Abhandlung. Kein Roman mit durchlaufender Geschichte. Keine Einordnung. Stattdessen ist der erste Teil von Richard Feynmans Autobiografie ein gar wundervolles Geschichtenbuch. Hier geht es nicht um die wissenschaftlichen Kernerfolge Feynmans. Hier geht es um den Menschen Feynman, und was er erlebte, und wie er es erlebte.
Feynman erzählt mitreißend. Dies wird durch den Sprecher des englischen Hörbuchs, Raymond Todd, noch verstärkt, da dieser sehr abwechslungsreich betont, und auch Passagen, in denen Feynman zitiert, mit der Stimme hervor hebt. So kann ich auch das Hörbuch zu “Surely You’re Joking, Mr. Feynman” sehr empfehlen.
Das ganze ist in gut verständlichem Englisch, gut verständlich, gut betont gesprochen.
- Buch „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!: Abenteuer eines neugierigen Physikers“
- Buch “Surely You’re Joking, Mr. Feynman!: Adventures of a Curious Character”
- Hörbuch “Surely You’re Joking, Mr. Feynman”
Neugierig bleiben
Hast du schon über Feynman gelesen? Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere, und vor allem lies das Buch!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike. Es ist das MIT in Boston, einfach deshalb, weil ich die späteren Universitäten Feynmans bislang nicht besucht habe.
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