Neulich diskutierten wir im Kollegenkreis eine Idee, wie wir zunächst intern, und dann auch für Kunden eine Dienstleistung strukturieren wollen. Rasch war klar: Das schreiben wir als Konzept auf, damit wir erst einmal selbst genau verstehen, was wir vorhaben und wie das in sich alles zusammen passt. Ich schrieb das Konzept als Word-Dokument auf, und noch bevor ich der Ansicht war, dass es jetzt komplett sei, transferierte ein Kollege das nach PowerPoint-Folien und machte weiter.
Einen Moment lang war ich ein wenig bestürzt, weil das Konzept meiner Ansicht nach noch lange nicht soweit war, quasi in Verkaufsfolien gegossen zu werden, und weil wir nun beim Weiterarbeiten am Konzept ständig Inhalte von einer Folie auf die andere verschieben mussten, und alles immer aufwändig war, wieder hübsch zu machen.
Ich hatte das starke Gefühl: „Ein Konzept ist kein PowerPoint.“
Doch dann erkannte ich: Wir denken einfach unterschiedlich, der Kollege und ich. Und es steht mir nicht zu, über sein Denken zu urteilen. Ich kann lediglich sagen, dass es nicht meine Art zu denken ist.
Anlass, sich hier unterschiedliche Herangehensweisen an Niederschriften eines Konzepts anzusehen.
Denn auch du hast bestimmte Präferenzen und optimale Arbeitspunkte, die du entweder schon entdeckt hast, oder noch entdecken kannst. Und dein Team hat andere optimale Arbeitspunkte. Wenn ihr gegenseitig versteht, wie der andere tickt, und warum das für den anderen gut ist, dann ist allen geholfen.
Visuelles Denken vs. sprachliches Denken
Was noch nicht unbedingt für oder gegen PowerPoint spricht, aber dennoch ein starker Indikator ist, wie du dein Konzept überhaupt zu Papier bringen solltest, ist die Präferenz des Denkens: visuell oder sprachlich?
Wenn du an irgendetwas herum denkst, hast du dann eher Bilder und Videos im Kopf, oder eher Worte und Reden?
Es gibt hier kein richtig oder falsch.
Bei mir hängt es tatsächlich davon ab, an welcher Art von Fragestellung ich arbeite. Generell tendiere ich zu sprachlichen Denkvorgängen. Möchte ich zu den visuellen Assoziationen vordringen, brauche ich einige Zeit, bis ich die Worte zur Seite geräumt habe und Zugang zu den vorsprachlichen, eher bildhaften Gedanken bekomme.
Besonders bei technischen, konzeptuellen Aufgaben verbleibe ich jedoch oft bei den sprachlichen Gedanken, da mir diese schon die Antworten liefern.
Wenn ich die bildhafte, visuelle Gedankenfindung nutze, dann schreibe ich diese Gedanken dennoch nicht in PowerPoint nieder, sondern auf ein Blatt Papier oder ich male ins iPad.
Dokumentfluss vs. Seitenbegrenzung
![Ein Konzept auf PowerPoint-Folien?](https://www.schlosser.info/wp-content/uploads/PowerPointNeu-700x525.jpg)
Es gibt Menschen, denen hilft die Einteilung der Gedanken in Seiten gut, auch schon beim Formulieren der Gedanken. Und es gibt Menschen, die brauchen den potentiell unendlichen Raum und die Möglichkeit, wild an jeder beliebigen Stelle neue Gedanken einfügen zu können, oder Gedanken einfach zu verschieben.
Für meine Art zu denken ist es eher unpraktisch, gleich auf Folien zu schreiben, vor allem, wenn dies nicht in einfache Textboxen geschieht, sondern schon kunstvoll angeordnet in Spalten oder ähnlichem. Ich habe Gedanken zu bereits geschriebenen Worten, und möchte sie an der Stelle einfügen können. Ich sehe etwas dort stehen und entscheide, dass ich es doch lieber einem anderen Gedanken zuordne.
In Folien, auf denen mehr als nur ein Gedanke steht, ist das kompliziert und mit umfangreichen Ausschneide-Einfüge-Umformatier-Aktionen beschwert. In einem Dokument verschiebe ich einfach einen Absatz oder füge einen ein, ohne dass ich mir um irgendwelche Seiten Gedanken mache.
Handschriftlich vs. Elektronisch
Bisweilen kursiert der Rat, unbedingt vom Computer wegzugehen, wenn man sich Gedanken aufschreibt. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht unbedingt notwendig. Es kommt darauf an, wie du für dich die Frage nach sprachlich vs. visuell beantwortet hast. Denkst du eher visuell, dann schränkt dich ein Computerprogramm, das auf Worte ausgerichtet ist, viel zu sehr ein und behindert den Gedankenfluss.
Denke ich visuell, dann zeichne ich sehr gerne auf ein Blatt Papier oder ins iPad. Weil dann die Formen wichtiger sind als die Worte. Wenn ich etwas optisch begreifen will, dann brauche ich die Zeichnung.
Das kann auch eine Mischform sein. So manche Fragestellung ergibt nicht gleich einen Text, ist aber auch nicht nur ein Bild. Dann kann eine Mindmap das richtige Werkzeug sein. Mindmaps gehen natürlich auch auf Papier, allerdings ist mir da ein Computerprogramm lieber, weil ich da viel schneller Zweige verschieben kann, Unterzweige umhängen und auch unendlich viel Platz habe. Siehe dazu auch 2 Werkzeuge für Präsentation und Vortrag.
Baue ich eine Mindmap aus Symbolen oder kleinen Zeichnungen, halte ich wiederum Papier für die überlegene Technik.
Schreibe ich Worte, dann lieber gleich im Computer, egal ob iPad oder mit richtiger Tastatur. Wichtig ist dabei für mich, dass ich mich nicht durch irgendwelche Formatierungen einschränken lasse. Ich schreibe meist also in einen einfachen Markdown-Texteditor, oder einfach Fließtext in Word. Aber eben ohne auf irgendwelche Formatierungsknöpfe zu drücken. Wirklich nur reiner Text. Später, wenn der Gedankenfluss fertig niedergeschrieben ist, kann ich mich hinsetzen und die Formatierung vervollständigen.
Spezifikation vs. Prospekt
Was schreibst du denn da gerade? Geht es dir darum, dein Konzept genau zu erfassen, was deine Lösung beinhaltet und was nicht? Oder brauchst du einen Anriß, ein wenig Prospektmaterial, um es rasch anderen Menschen präsentieren zu können?
Dient dein Konzept eher als Prospekt, dann können PowerPoint-Folien ein probates Mittel sein. Auch, wenn ich im Rahmen eines Verkaufsvortrags mein Konzept besprechen möchte, dann helfen Folien möglicherweise dabei, den Kern des Konzepts entsprechend darzustellen.
Für mich ist das jedoch erst der zweite Schritt. Ich möchte ein Konzept zunächst präzise formuliert wissen. Ich möchte erfasst haben, was drin ist, und was explizit ausgeschlossen ist. Ich möchte Begriffe definieren können. Für mich ist ein Konzept eher eine Spezifikation.
Der Prospekt ist für mich erst danach dran. Den Prospekt erzeuge ich aus der Spezifikation.
Machen andere Menschen anders, und das ist auch okay. Ich habe bislang für mich noch keinen Vorteil darin gefunden, früh mit der Erstellung von PowerPoint-Folien zu beginnen.
Locker präzise werden
Für mich ist ein Konzept in erster Linie eine Spezifikation, kein Prospekt.
Warum das so ist? Ich bin ja nicht von Haus aus auf sprachliche Darstellung festgenagelt. Wie alle Menschen habe ich einen stark visuellen Kern, weil wir alle im frühesten Kindesalter zuerst in Bildern lernen, und dann erst in Worten. Jedoch liegt es vielleicht an meiner Bildung als Informatiker in der Vor-UML-Zeit, dass ich eher in Worten spezifiziere, oder an der akademischen Weiterbildung, in der das primäre Medium immer das Wort war.
Ich erinnere mich an mehrere meiner Professoren, allen voran mein Doktorvater Manfred Broy, der mir in jedem Entwurf sprachliche Präzision abverlangte, und mehr noch auf die Worte blickte als auf die Bilder. Das prägt.
So kann ich den unmittelbaren Nutzen dessen, dass mein Kollege gleich nach PowerPoint geht, voll anerkennen. Und gleichzeitig mir klar sein, dass es nicht meins ist.
Wie siehst Du das? Dokument oder Folien? Was benutzt du als Grundlage, um mit Kollegen niedergeschriebene, verteilbare Klarheit zu einem Konzept zu erlangen?
Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!
Photo: www.joachimschlosser.de, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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