Wie führst Du ein sinnvolles, erfreuliches Gespräch mit einem Kunden?
Wie findest Du gute Themen, über die es sich zu sprechen lohnt, so dass eine freiwillige, ungezwungene Konversation einen Gewinn für beide Seiten ergibt?
Wenn Du mit Kunden in irgend einer Rolle sprichst, dann ist dieser Artikel für Dich. (Dieser Beitrag ist übrigens auch auf englisch vorhanden.)
Warum sind Gespräche so wichtig?
Mein Team führt Gespräche mit Professoren und Lehrschaffenden an Universitäten und Schulen in ganz Europa, und hilft ihnen, Software in ihrer Lehre einzusetzen. Ziel ist es, Ingenieurwesen und Wissenschaft zu fördern, von Studienanfängern bis zu Postdocs. Wir verkaufen nichts. Wir sind noch nicht einmal Teil der Vertriebsorganisation. Wir sprechen über Ideen. Wir predigen. Wenn wir reinkommen, haben die Unis üblicherweise schon gekauft. Die meisten Hochschulen und Unis, mit denen wir arbeiten, haben eine sogenannte Campuslizenz, die jedem Lehrschaffenden, jedem Wissenschaftler und jedem Studenten gestatten, die Software zu nutzen.
Wir überreden auch keine Nicht-Nutzer, weil man niemanden überreden kann, der glücklich mit seinem derzeitigen Workflow ist. Nun, man kann, aber kaum mit Ehrlichkeit. Wir helfen Universitäten und Hochschulen, die mehr computergestütztes Rechnen fürs Lernen und Lehren einsetzen wollen, und dies geschieht eben zum großen Teil durch Gespräche mit Einzelnen.
Worüber soll ich reden?
Wenn ich einen Neuzugang im Team habe, fragt diese bisweilen »Worüber soll ich reden?«
Ehrlichgesagt, einfach reden bringt gar nichts. Was ist reden? Die andere Person mit Anwendungsfällen, Features und Anpreisungen bombardieren?
Wie soll das dem Gegenüber helfen, seine Ziele zu erreichen?
Sei hilfreich für die andere Person. So hilfreich, dass sie mit Dir zusammenarbeiten möchte. Die nächste Frage, die ich dann bekomme ist: »Wie kann ich jemandem außerhalb meiner Kompetenz hilfreich sein, wenn ich ein Ingenieur bin und die andere ein Professor der Sozialwissenschaften?«
Wenn Du nicht viel über das Thema weißt, wie wäre es, den anderen zu fragen, was in seinem Gebiet zählt?
Wenn mein Mitarbeiter dann mitbekommt, dass ich großen Wert aufs Stellen von Fragen lege, kommt die offensichtliche nächste Frage: »Was soll ich fragen?«
Fragen, nicht reden
Ob mit Forschern oder Lehrschaffenden, das erste, was Du tun kannst, ist, eine Antwort auf die Frage zu finden:
Was genau machen Sie eigentlich?
Was genau machen Sie eigentlich?
Diesen Satz twittern
Das mag einfach sein herauszufinden, als nächstes ist zu erfahren, wie sie es tun. Das wie ist oft interessanter als das was. Das Thema einer Lehrveranstaltung mag Standard sein. Eine Mechanik-Einführung enthält an den meisten Unis ähnliche Inhalte. Aber wie genau lehren sie es?
Wenn Du Klarheit über das wie hast, möchtest Du herausfinden, warum. Warum lehren sie den Kurs so, wie sie es tun?
Was ist des Professors Gedankenmodell eines Studierenden? Wie sieht er Studenten generell, und seine im speziellen? Welches Bild hat er von jungen Menschen im gegebenen kulturellen Kontext?
Was beeinflusste das Bild der Welt, das die Lehrschaffende hat? Wie lief ihre eigene Ausbildung ab, und was mochte sie daran und was hätte sie sich anders gewünscht?
Wie verbinden sich Forschungs- mit Lehrinhalten? Was ist das spezielle ihres Forschungsthemas, und was ist ihre Vision?
Das klingt nach einer ziemlich langen Fragestunde, oder?
Wenn Du hier einem Skript folgen solltest, besonders mit erwarteten langen Antworten und Rückfragen vom Gesprächspartner, könntest Du leicht aus der Spur geraten, oder?
Und wird der Lehrschaffende sich nicht irgendwann ausgefragt vorkommen?
Glücklicherweise gibt es einen Ersatz für das Frageskript, ebenso einfach wie mächtig:
Always Be Curious ‒ Sei immer neugierig
Die Lösung ist so schlicht wie tiefgreifend:
Always be curious. ‒ Sei immer neugierig. Diesen Satz twittern
Es ist so einfach.
Sei immer neugierig.
Wenn Du es schaffst, Deinen Geist in den Immer-neugierig-Zustand zu bringen, geht alles andere von selbst. Wenn Du ehrlich wissbegierig bist, werden Dir nie die Fragen ausgehen, und Dein Gegenüber wird sich nie ausgefragt vorkommen.
Kaum ein Mensch kann der ehrlichen Neugier eines anderen Menschen widerstehen, und bestimmt nicht im eigenen Beruf.
Neugier ist mein Hauptantrieb in meinen verschiedenen Rollen, die ich im Lauf meines Werdegang hatte und habe. Ich möchte wirklich wissen, was vor sich geht und warum. Das erlaubte mir wieder und wieder, für andere nützlich zu sein.
Wenn ich mit jemanden aus der Industrie spreche, bin ich einfach neugierig auf deren Erzeugnisse, Prozesse und Begleitumstände. Es gibt so viele Dinge da draußen, die ich nicht weiß, die ich nicht wissen kann. Es ist faszinierend, ein wenig mehr über die Welt zu erfahren und die Ingenieure, die sie formen.
Genau so auch in Universitäten.
Jedes Mal, wenn ich denke ich hätte alles an Vorlesungsbeschreibungen gesehen, gerate ich an eine neue Art, auf das Thema zu blicken. Jedes Mal, wenn ich einen Lehrstuhl kennen lerne, der mir unbekannt und nicht besonders aufregend auf den ersten Blick erscheint, dann hilft mir das Eintauchen mit Neugier dabei, eine ganz neue Welt mit faszinierenden Herausforderungen und Lösungen kennen zu lernen.
Jede Woche gibt es etwas neues zu entdecken.
Je mehr ich entdecke, desto mehr werde ich dessen gewahr, was ich noch nicht weiss. Auch wenn freilich gilt: Alle Kunden lügen.
Hilfreich sein durch Neugier
Ist Neugier nur nehmend? Lerne da nicht nur ich etwas neues? Wie kann das von Wert für meinen Gesprächspartner sein?
Nützlich sein funktioniert genauso.
Nach vielen Jahren der Beratung von Kunden habe ich einen ganz guten Überblick über die Vorteile der Tools und wie man sie nutzt. Natürlich lerne ich auch hier immer noch jede Woche etwas neues und bleibe neugierig.
Doch Neugier ist es, was mir erlaubt, Anwendern Methoden der Tools aufzuzeigen, die sie nicht kennen.
Ein Professor beschäftigt sich mit C-Code-Einbindung, hat aber noch nie das Legacy Code Tools verwendet? Wenn der Professor vor 2006 mit Simulink angefangen hat, dann nutzt er wahrscheinlich einen älteren, umständlicheren Workflow.
Wie nutzt der Forscher den MATLAB Editor? Schonmal die grünen und orangen Markierungen im Scrollbar gesehen, die mögliche Verbesserungen des Code in Sachen Lesbarkeit und Performance anzeigen? Schonmal den Profiler genutzt, um den Code schneller zu machen?
Wie haben sie sich den eigenen Workflow ausgedacht? Schonmal bewusst über alternative Wege nachgedacht?
Was wünscht sich der Lehrschaffende als Verbesserung in MATLAB & Simulink? Es ist gar nicht so selten, dass das, was sich ein Anwender wünscht, schon im Produkt ist, und er es nur noch nicht bemerkt hat oder eine ältere Version verwendet.
Kein Skript
Oft nutze ich die gleichen Fragen. Ich habe die Fragen sogar schon diverse Male aufgeschrieben. Aber Fragen, die ich einem Gespräch verwende, unterscheiden sich von dem, was ich in einer anderen Situation frage.
Es gibt kein Skript.
Es gibt nur Neugier.
Das ist das, was ich das Always Be Curious Mindset nenne ‒ Immer neugierig sein.
Das ist das ABC Mindset.
Und du?
Wie gefällt Dir das Konzept des ABC Mindset?
Lass mich und die anderen Leser an Deinen Gedanken teilhaben, und auch ob dir aufgefallen ist, dass ich in diesem Artikel statt der gewohnten Sie-Ansprache mit der Du-Ansprache experimentiere.
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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