Jetlag ist nicht hilfreich. Ein Jetlag sorgt dafür, dass Du tagelang ohne Deine gewohnte Leistungsfähigkeit auskommen musst. Grund genug, das Phänomen nicht einfach zu akzeptieren und nur danach die Folgen eindämmen zu wollen, sondern aktiv anzugehen. Ich habe mittlerweile meinen Weg gefunden, ohne Jetlag transatlantisch und interkontinental zu fliegen.
„Als Jetlag […] wird eine nach Langstreckenflügen über mehrere Zeitzonen auftretende Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus […] bezeichnet.“
(Wikipedia, Lizenz CC-BY-SA)
Bei mir war die kritische Strecke von jeher die aus USA in Richtung Europa, also mit negativer Zeitverschiebung, da dies ja den Tag verkürzt. Von Deutschland in Richtung USA ist für mich problemfrei, da der Tag lediglich länger wird, wie zu lange auf einer Party bleiben. Getestet habe ich das Verfahren mittlerweile auch in Richtung Asien, genauer gesagt China.
Man kann viele Tipps lesen, etwa vorher schon langsam Zeit umstellen. Wer aber bis zum Abreisetag arbeitet, und an den Abenden ebenfalls Veranstaltungen hat, dem hilft das nicht viel. Und dass Kaffee danach auch keine gesunde Lösung zum wach bleiben ist, sollte ebenfalls bekannt sein. Mit was also habe ich gute Erfahrungen gemacht?
Kurzfassung: Schlafen, nichts essen.
Während des Fluges nicht essen, nicht lesen, gar nichts. Nur schlafen, und zwar mit Hilfe einer Augenmaske und eines Kopfhörers mit aktiver Geräuschunterdrückung. Nach dem Flug am Zielort bei Sonnenschein einen Spaziergang machen, je länger je besser. Zur Zielort-Zeit ins Bett gehen.
Vielleicht lautet Dein Einwand, Du müsstest aber noch etwas arbeiten und könntest nicht schlafen. Hilft es wirklich, wenn Du jetzt noch länger arbeitest, als die Zeitzone am Zielort hergibt, aber die nächsten zwei Tage nach dem Flug mehr rumhängen als glänzen? Getting-Things-Done ist auch eine Sache der Erkenntnis, wann man besser arbeitet und wann nicht.

Ausführlich: Gut vorbereitet, entspannt durchgeführt.
- Vorbereitungen. Das Jetlag-freie Fliegen basiert darauf, im Flugzeug möglichst viel zu schlafen. Zwei Dinge müssen weg: Licht und Lärm, denn beides hindert Dich am erholsamen schlafen. Besorg Dir eine Augenmaske. Die billigste, die nicht klemmt und zwickt, reicht aus. Bei vielen Fluggesellschaften gibt es eine solche Maske gratis.
Kauf Dir ein „Noise Cancellation Headphone“. Das ist ein Kopfhörer, der den Schall am Ohr aufnimmt und ihn um eine halbe Phase verschoben wieder einspielt. Für das Ohr klingt es so, als wäre es leise. Ich selbst nutzte lange Zeit den Sennheiser PXC 250 (ca. 160€, bei Amazon oder direkt bei Sennheiser), ein halb geschlossenes Modell. Mittlerweile bin ich umgestiegen auf den geschlossenen Sony MDR-ZX770BN Bluetooth Kopfhörer mit Noise Cancelling (ca. 130€). Das Non-Plus-Ultra mit ganz umschlossener Ohrmuschel ist nach wie vor der Bose QuietComfort 35, (ca. 315€), dann ist es wirklich ganz still. - Reserviere einen Fensterplatz oder notfalls einen Mittelplatz, also einen, bei dem Du wegen niemandem aufstehen musst. Schau auf Seatguru nach, welche Sitzplätze für Deinen Flug zu bevorzugen sind. Wer schon am Vortag online eincheckt, hat hier die besseren Karten.
- Vor dem Einsteigen. Iss nur leicht zu Mittag. Gemüse und auch Fleisch ist okay, aber lass Beilagen wie Kartoffeln, Nudeln o.ä. weg. Nimm ruhig noch einen Nachschlag, es ist die letzte Mahlzeit heute.
- Trinke vor dem Sicherheitscheck reichlich stilles Wasser. Jetlag ist immer auch eine Folge von Wassermangel. Keine Sorge, bis zum Abflug ist noch so lange Zeit, dass Du das Wasser am Flughafen lassen wirst. Nimm die leere Flasche mit durch die Security.
- Ziehe irgendetwas an, das bis zum Hals zu ist. Bei mir ist das ein Rollkragenpullover oder eine Strickjacke. Glaube mir: So wichtig, dass Du einen Transatlantikflug im Anzug machen musst, bist Du nicht.
- Geh am Flugsteig spazieren, möglichst in Fensternähe, um noch einmal richtig Sonne zu tanken. Scheint keine Sonne, ist das auch kein Beinbruch. Ein wolkenverhangener Himmel ist immer noch besser als gar nichts. Setz dich nicht hin, bleib in Bewegung; schließlich sitzt Du im Flugzeug noch genug.
- Fülle Deine leere Wasserflasche auf, damit Du im Flugzeug unabhängig vom Service bist. Danach solltest Du das Arbeiten einstellen, denn per Definition ist es jetzt Abend.
- Kein Stress bei Einsteigen. Jetlag ist eine Folge von Stress. Für jeden ist ein Platz im Flugzeug da. An den letzten Gang zur Toilette denken, Du hast schließlich vorher viel Wasser getrunken. Erlaube Dir ein Lächeln, denn nun kommt der angenehme Teil. Bevor Du Dich in der Reihe anstellst, pack schonmal Kopfhörer und Augenmaske aus, dann sparst Du Dir die Fummelei im engen Flugzeug. Hast Du das Ritual bis hierhin schon einige Male durchgeführt, geht es Dir vielleicht wie mir und Du wirst müde.
- Im Flugzeug. Sollte es mit dem Fensterplatz nicht geklappt haben, mache Deine Sitznachbar darauf aufmerksam, dass er oder sie etwa notwendige Gänge sofort durchführen sollte, da Du bis zum Zielort sitzen bleiben wirst. Bitte die Flugbegleiterin, Dich während des Fluges weder mit Essen noch Trinken noch sonst irgendetwas zu behelligen, da Du schlafen wirst. Flugbegleiter merken sich das gerne, heißt es doch dass Du keine Arbeit verursachen wirst.
Ziehe die Schuhe aus und wickle die Wolldecke über Ihre Füße und Beine, so dass Du darauf stehst. Ich stelle die Füße auf die Schuhe, so dass ich eine Art Fußstütze habe. Der Sitzgurt gehört über die Wolldecke, dann brauchen die Flugbegleiter nicht zu fragen, ob Du angeschnallt bist. Lege die Schlafmaske an, lass sie aber noch auf der Stirn, dann den Kopfhörer. Stecken den Kopfhöreranschluss nicht ein. Wenn Du normalerweise mit Musik einschläfst, dann benutze Deinen iPhone oder anderes Smartphone. Beim iPhone kannst Du den Wecker auf »Timer« stellen und als Aktion „iPod-Ruhezustand“. Ich benutze mittlerweile die App Brain.fm, die spezielle Schlafklänge bereit stellt (vor dem Boarding die Schlafklänge für Offline-Nutzung herunterladen!).
- Schalte die aktive Rauschunterdrückung des Sennheiser oder Bose Kopfhörer ein und setzen die Maske auf. Mache Autogenes Training, eine Meditation oder eine sonstige Entspannungsübung.
Wenn Du bis hierhin alles getan hast, wird es nun so bequem sein, dass Du tatsächlich leicht einschlummerst, und zwar mit etwas Übung schon, bevor das Flugzeug startet. Lass die Maske die ganze Nacht auf, auch wenn Du kurz aufwachst. Nimm einen Schluck Wasser und schlafe wieder ein. Genieß es, wenn das Flugzeug ein wenig schaukelt. Meist wache ich erst auf bei der Ansage »Cabin crew prepare for landing« oder tatsächlich erst beim Aufsetzen. Auf diese Weise hast Du nun zwischen sechs und neun Stunden geschlafen, auch wenn es vielleicht kein tiefer Schlaf war. - Am Ziel. Mache einen ausgedehnten Spaziergang, so lange noch die Sonne scheint. Die Sonne aktiviert die entsprechenden Hormone und hält Dich wach. Das bringt Dich in die Normalzeit. Gehe zu der Zeit am Zielort ins Bett, zu der Du auch normalerweise ins Bett gehen würden, also weder besonders früh noch extra spät.
Jeder dieser Schritte für sich mag irgendwo schon einmal genannt worden sein. Mir hilft die Gesamtheit der Maßnahmen, und vielleicht hilft sie Ihnen ja auch.
Bonustipp: Falls Dein Zielort ein anderer als der Ankunftsort ist, nutze die Bahn zur Weiterreise. Entspannt ungemein.
3 Prinzipien des Jetlag oder Warum funktioniert das?
Dieses Prozedere habe ich bei Reisen nach Nordamerika ebenso erfolgreich durchgeführt wie nach Asien, bei Flugzeiten zwischen sieben und zwölf Stunden.
Mir stellt sich das Phänomen Jetlag wie folgt dar:
- Jetlag ist in allererster Linie eine Folge von Schlafmangel. Die Zeitverschiebung ist ein Faktor, ja, deutlich stärker wirkt bei mir jedoch Schlafmangel. Deshalb ist das wichtigste am Langstreckenflug, dass der Körper viel Schlaf bekommt.
- Wenn Du etwas isst, dann weiß Dein Körper: „Ah, es muss Tag sein, denn ich esse.“ Also ist der Trick, nichts zu essen. Bei Lufthansa wie bei den meisten Fluggesellschaften ist das rein geschmacklich kein Verlust.
- Wenn Du Filme schaust oder zwischendurch die Maske von den Augen abnimmst, dann weiß Dein Körper: „Ah, es muss Tag sein, denn es ist hell.“ Der Körper kann dann trotz unbequemer Lage erholsam schlafen, wenn es dunkel ist. Licht, speziell die blauen Anteile, wirkt dem entgegen.
Bei meiner letzten Reise nach Shanghai hat es wieder funktioniert: Abflug München 22 Uhr Ortszeit, 11 Stunden Flug, Ankunft kurz vor 16 Uhr Ortszeit. Schlaf: 8 Stunden, danach noch Vorbesprechung im Büro. Jetlag-Effekte in den Folgetagen: Keine. Rückflug ebenso – Den ganzen Tag im Büro, dann Abflug Shanghai 23:30 Ortszeit, 11 Stunden Flug, Ankunft 5:30 Uhr Ortszeit. Schlaf 8 Stunden. Jetlag-Effekte in den Folgetagen: Keine.
Jetlag ist nichts, was einem zwangsläufig passiert. Es ist etwas, das Du selbst beeinflussen kannst.
Was ist Dein 13. Tipp, um ohne Jetlag durchs Reiseleben zu kommen?
Alle Fotos: www.joachimschlosser.de, Lizenz Creative Commons Attribution ShareAlike
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