Haben Sie in den letzten Tagen einmal kein Wahlplakat gesehen?
Wahlplakaten ist derzeit nur schwer zu entkommen. Sobald ich aus meiner Strasse heraus gehe, finden sich dutzende von Wahlplakaten zur Kommunalwahl 2014. Da all die Kandidaten also mit Macht in mein Sichtfeld drängen, bietet es sich an, die Plakate mal genauer anzusehen. Was taugen die Fotos? Wie sind sie aufgemacht? Wie gedruckt?
Das mache ich mit etwas Erfahrung in Fotografie, wie drüben auf Dr. Joachim Schlosser Fotografie zu sehen. Maße ich mir an, in jeder Situation ein besseres Porträt erschaffen zu können als die, die ich weiter unten verreiße? Nicht in jeder Situation, dieser Artikel dokumentiert mein Lernen am Beispiel.
Soweit möglich werde ich partei- und personenneutral besprechen, meine Meinung über die jeweilige Partei und Person wird nicht den Eindruck des Plakats trüben. Die Plakate befinden sich alle in fussläufiger Umgebung in Göggingen, so dass nur die hier plakatierenden Kandidaten besprochen werden.
Der amtierende OB
Kurt Gribl möchte weiter machen, und so steht seine Kampagne unter dem Motto »Weiter Augsburg. Weiter Kurt Gribl.« Die Farbgestaltung des runden Logos ist stark an die Gestaltung der Innenstadt angelehnt. Das veranlasste natürlich andere Fraktionen sofort zum lautstarken Protest, genauso wie meine 4- und 7-jährigen streiten, wenn einer eine Idee hat, die der andere auch gern gehabt hätte.
Zu den Plakaten: schöne, sauber ausgeführte Fotos mit guten Farben und Motiven. Akten, eine alte Frau und der Bayerische Ministerpräsident als Elemente zeigen einen OB in Aktion. Gribl ist groß und hager, die Fotos sind gut gemacht, um das etwas abzumildern. Und – das werden wir im Vergleich noch sehen – sehr gut gedruckt.
Das Portrait ganz links könnte vom Winkel her noch etwas weiter gedreht sein, zudem wirkt das Lächeln etwas verbissen. Die Beleuchtung ist zu hart, da fehlt ein Aufheller von unten.
»Einsatz« finde ich einen guten Slogan, das Foto ist ebenfalls hervorragend, leider passt eine Unterschriftenmappe nicht ganz zum Begriff »Einsatz«. Da hätte es etwas handfesteres sein dürfen, wenngleich mir schon klar ist, dass ein Oberbürgermeister nunmal eher mit Akten als mit der Säge wirkt.
»Herzblut« ist in meinen Augen vollständig gelungen. Guter Bildausschnitt, natürliches Motiv.
»Stärke« will ganz klar darauf hinaus, dass Gribl auch in München die Sache Augsburgs mit Vehemenz vertritt. Das Foto an sich ist gut, allerdings finde ich den Bildausschnitt unglücklich. Kein Politiker sollte mit Beinansatz knapp unter dem Ende des Sakkos fotografiert sein.
CSU
Die CSU-Farben sind ja nunmal weiß und blau, und so sind auch die Plakate gestaltet. Die Fotos jedoch zeigen deutliche Unterschiede.
Leo Dietz: Ähnlich wie vor der Landtagswahl, bei der er nicht zum Erfolg kam, präsentiert sich der Gastronom auch hier wieder als sympathischer, offener Mensch und hat unter allen Kandidaten das einnehmendste, echteste Lächeln. Das Foto ist gut gemacht, die Kleidung angemessen und doch ein wenig leger.
Sein Sidekick auf dem zweiten Plakat ist ein Philipp Höß, der noch hinter Dietz montiert wurde, dessen Foto aber leider nicht dazu passt. Auf den ersten Blick ist hier ein scherenschnitthafter Jungpolitiker zu sehen, erst auf den zweiten Blick (einfach mal das große Bild laden bitte) erkannte ich, dass er hier den Versuch eines Dreitagebarts unternommen hat, wohl um optisch näher an Dietz zu kommen. Ein netter Versuch, leider sieht das auf dem Foto eher wie schlecht gewaschen aus.
Das nächste Plakat, mit Oliver Heim, hielt ich zunächst für eine Satire, ich konnte ja nicht ahnen, dass die CSU tatsächlich einen Kandidaten mit halb offenen Augen und mit der gleichen Krawatten- wie Gesichtsfarbe abbilden würde. Doch genau das ist hier der Fall. Der Mann kann nichts dafür, wie er schaut. Aber der Fotograf kann doch bitte bei einem Einzelportrait darauf achten, dass der Mann auf dem Foto nicht aussieht wie nach 36 Stunden Bierzelteinsatz.
Ingrid Fink ist vom Motiv her zwar gut in Szene gesetzt, leider wurde sie jedoch dermaßen schlecht ausgeleuchtet, dass sehr harte Schatten eher eine Erinnerung an Professor Snape und den Joker aus Batman entstehen lassen. So harte Gesichtszüge hat sie in echt nicht. Sehr schade, Frau Fink, das wäre wirksamer möglich gewesen.
Beim rechtesten Plakat von René Sack dachten meine Kinder ja, es käme wieder ein Zirkus in die Stadt, und auch ich musste zweimal hinsehen. Gut, bei ähnlicher Frisur und Brille wie Ingrid Fink ist er besser ausgeleuchtet, doch würde ich als Plakatdesigner tunlichst jegliche Wortspiele mit »Sack« und »Zack« vermeiden, vor allem wenn der Kandidat diesen optischen Stil pflegt.
Es bleiben zwei Plakate übrig:
»schnelles Internet« als Programmpunkt des amtierenden Bürgermeisters zu propagieren, ist dreist, denn er hatte ja schon sechs Jahre Zeit, entsprechendes in die Wege zu leiten. Es ist noch dreister, wenn man weiß, dass der lokale Telekommunikationsanbieter ohnehin gerade sein Netzwerk in der Stadt auf Vordermann bringt und deswegen das schnellere Internet schon deswegen kommen wird. Aber wieder einmal gilt: Die Idee muss man halt haben, das als Plakat zu drucken.
Das Dreigestirn Lika–Tschernjawskij–Dittmer auf dem rechten Plakat ist mit dem Slogan »inklusiv – integrativ – innovativ« versehen und soll wohl die Hauptthemen der abgebildeten Kandidaten ansprechen. Leider handelt es sich um eine Montage, die drei waren eben nicht zusammen auf dem Foto. Mit Montagen auf Wahlplakaten ist das so eine Sache, das sieht ja schnell etwas Platt aus. Immerhin passen die Farben zusammen, wenngleich die Reproduktion auf dem Transparent sehr schal daher kommt. Zudem wäre der Witz gewesen, eben nicht einen Rollstuhlfahrer das Thema Inklusion verklagen vertreten zu lassen, sondern diesen etwa das Thema Innovation. So, wie es jetzt abgebildet ist, halte ich es schon nicht mehr für klischeehaft, sondern fast schon diskriminierend. Aber gut, müssen die Verantwortlichen selbst wissen.
SPD
Die SPD-Farbe ist rot, und bis auf einen Ausreißer hat sich keiner dran gehalten.
Stefan Kiefer ist OB-Kandidat, und als ich ihn zum ersten Mal auf dem Plakat sah, dachte ich mir »hoppla, wieso plakatiert denn der Gabriel in Augsburg?« Tut er gar nicht, nur haben Spitzenkandidaten für die SPD offensichtlich eine bestimmte Gesichtskontrolle zu durchlaufen. Die Fotos an sich sind seltsam, mir erschließt sich nicht, warum im Hintergrund immer sehr unscharfe Unbeteiligte abgebildet sind, von denen im linken Plakat auch noch eine Dame sich bei Kiefer festhält und ihm auf den Wanst blickt. Vielleicht soll das Bürgernähe visualisieren.
Das zweite Plakat von Kiefer soll wohl einen Familienbezug herstellen, man beschränkt sich hier aber auf das deutsche Modell der Einkindfamilie, das noch unschärfer ist als die Unbeteiligten im anderen Plakat.
Die Fünfergruppe, die sich für die SPD im Stadtteil Göggingen präsentiert, wollte vielleicht ein Queen-Cover nachstellen, hätte dazu aber bestimmt auch eine andere Farbkombination als rot auf dreckrot finden können. Auch die schlecht kreisartig mit weißem Farbsaum geschnittenen Köpfe tragen nicht unbedingt zu einem seriösen Anblick bei. Aber vielleicht denkt sich die SPD – und diese These wird auch durch die geringe Anzahl an SPD-Plakaten im Umkreis gestützt – dass für sie in Göggingen eh nichts zu holen sei.
Richtig innovativ ist das Plakat von Roland Wegner, der sich als Sportler mit dem Slogan »Für Euch am Start« präsentiert. Mich interessierte dann freilich, wie der Mann aussieht, wenn er nicht gerade im Augsburg-farbenen Sporthemd- und Hose herumkniet. Auf seiner Website wähnte ich mich denn auch am falschen Ort, weil ich ihn mit anderer Frisur und mit Brille beinahe nicht erkannt hätte. Das Foto ist mit seinem schwarzen Hintergrund optisch sehr nahe an denen der CSM (siehe unten). Wenigstens hat er seine Lieblingsbereiche – Finanzen, Sport und Umwelt – angegeben. Das Foto für sich funktioniert hervorragend, im Kontext gäbe es noch Potenzial nach oben.
Grüne
Plakate der Grünen finden sich in Göggingen nur sehr vereinzelt, und dann auch eher Themen- als Personenplakate. Alle Plakate haben einen Hintergrund in Holzanmutung und viel helles Grün.
Die beiden Themenplakate finde ich ansprechend umgesetzt. Zu den Slogans in weiß auf magenta sind passende grüne Symbole über die grünen Silhouette der Stadt gesetzt. Schön gemacht, denn es muss ja nicht immer eine fotografische Lösung sein.
Das Personenplakat mit Martina Wild und OB-Kandidat Reiner Erben ist jedoch für mich fragwürdig. Der Slogan ist in weiß auf hellgrün gedruckt, was bei dieser Art Trägermedium und entsprechender Sonneneinstrahlung fast gar nicht zu lesen ist. Zwei Politiker schließlich, die mit verschränkten Armen an einem grauen Tisch sitzen und versonnen in den Himmel blicken, strahlen nicht gerade Schaffenskraft aus. Was wollen die beiden gewählt tun? Warten, bis Augsburg grün wird?
Morgen geht’s weiter
Es gibt noch mehr diskussionswürdige Plakate von Pro Augsburg, CSM, Freie Wähler, AfD, FDP, ÖDP. Morgen. An dieser Stelle. Tragen Sie rechts Ihre Email-Adresse ein und bekommen Sie den Post frei Haus.
Ich glaube fest, dass jeder Mensch ein wunderbares Porträt bekommen kann. Jeder Mensch, und damit auch jeder Politiker, kann optimal fotografiert werden.
Liebe Kandidaten, sucht euch bitte rechtzeitig vor der nächsten Wahl einen Fotografen, der euch vernünftig ablichtet. Falls nicht alle vom gleichen Fotografen abgelichtet werden, dann entwickelt bitte eine gemeinsame Bildsprache, an die sich alle halten können. So viele gute Fotografen in und um Augsburg, da muss sich bitte niemand auf seinem Wahlplakat blamieren. Plakate zu drucken kostet Geld, da sollte sich doch auch noch etwas Budget für die eigentlichen Fotos finden lassen. Selbiges gilt freilich für Firmenporträts, nur so am Rande erwähnt. Und wenn ihr dabei jemanden braucht, dann meldet euch gerne, am besten vor dem nächsten Wahlkampf.
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