Ein Buch über das Lernen, über Handwerk, und Passion als Folge von Handwerk, nicht andersherum. Wider dem Paradigma der Berufung.
Cal Newports Buch »So Good They Can’t Ignore You« hat mich angesprochen, weil es erklärt, wie man ohne das Gefühl der Berufung seinen Weg macht, sondern mit Bescheidenheit – auch oder gerade deshalb.
Die Leidenschafts-Hypothese
So Good They Can’t Ignore You: Why Skills Trump Passion in the Quest for Work You Love
31,98 €
(as of 9. Februar 2025 23:13 GMT +01:00 – More infoProduct prices and availability are accurate as of the date/time indicated and are subject to change. Any price and availability information displayed on [relevant Amazon Site(s), as applicable] at the time of purchase will apply to the purchase of this product.)
Cal Newport beginnt mit der Demontage der Passion Hypothesis. Damit bezeichnet er den Trend, in allererster Linie »seinen Träumen zu folgen«, »auszubrechen« und »das alte hinter sich zu lassen«.
Oft brechen Menschen mit dem, was sie bislang gemacht haben, und verlassen sich voll auf etwas neues, ohne vorher die entsprechenden Erfahrungen gemacht und in Fähigkeiten investiert zu haben.
Newport erzählt von der Marketingleiterin, die – beseelt vom Aufruf, endlich das eigene Ding zu machen – ihren Job kündigt, einen Monat lang eine Yoga-Ausbildung macht und dann ein eigenes Studio gründet. Sie scheitert aus offensichtlichen Gründen.
Dem gegenüber stellt er die Programmiererin, die sich Fähigkeiten aneignet, eine Beförderung ausschlägt im Gegenzug zu mehr Freiheit im Job, und sich über mehrere Stufen als freier Programmierer so freischwimmt, dass Sie ein sehr gutes Einkommen und gleichzeitig maximale zeitliche Freiheit genießen kann.
Steve Jobs, der immer gern zitiert wird mit dem Aufruf, man solle seiner Leidenschaft folgen, zeigte in seinem Leben selbst den Erfolg des Gegenteils: Als Steve Jobs die Firma Apple gründete, waren Elektronik und Computer nicht wirklich seine Leidenschaft, sondern eher fernöstliche Kultur und Typografie. Er studierte damals westliche Geschichte und Tanz, und suchte eher nach einem Weg, Geld zu machen.
Karrierekapital
Become so good they can’t ignore you.
»So Good They Can’t Ignore You« ist nicht nur der Titel des Buches, sondern auch ein Zitat von Steve Martin. Als dieser in einem Interview gefragt wurde, wie man ein solch erfolgreicher Comedian werde wie er, antwortete er: »You have to become so good they can’t ignore you.« Du musst so gut werden, dass sie dich nicht ignorieren können.
Das klingt nicht danach, als gäbe es einen Hack, eine Abkürzung. Das klingt eher nach harter Arbeit.
Cal Newport spricht von »Karrierekapital«, dass es aufzubauen gilt. Eben dadurch, dass der Wert der eigenen Arbeit im Vordergrund steht, und man darin investiere, die Werthaltigkeit der eigenen Arbeit zu steigern.
Dann, wenn der Kunde – also der Arbeitgeber oder tatsächlich der Kunde – zusehends diesen Wert anerkennt, kann ein Stück des Karrierekapitals investiert werden, in mehr Verdienst, oder in mehr Kontrolle über die eigene Arbeit, sei es Kontrolle zeitlicher oder inhaltlicher Art. Und diese Kontrolle heisst auch, eine Beförderung mal abzulehnen, da viele herausgehobene Positionen eher mehr Beschränkungen auferlegen.
So gliedert er sein Buch in vier Regeln, um maximale Freiheit zu erlangen:
- Folge nicht deiner Leidenschaft
- Sei so gut, dass sie dich nicht ignorieren können (oder die Wichtigkeit von Fähigkeiten)
- Lehne eine Beförderung ab (oder die Bedeutung von Kontrolle)
- Denke klein, handle groß (oder die Wichtigkeit einer Aufgabe)
Die fünfzehn Kapitel sind auf die vier Regeln aufgeteilt und erläutern sehr gut, warum diese teilweise widersinnig anmutenden Regeln doch Sinn ergeben.
Zwei Kontrollfallen
Besonders betont Cal Newport in »So Good They Can’t Ignore You« die zwei Fallen der Kontrolle:
Erste Kontrollfalle: Man verschafft sich Kontrolle, ohne bereits das dafür notwendig Karrierekapital zu besitzen. Das ist der Fall, wenn man ein Unternehmen gründet, ohne die Industrie, das Geschäftsmodell, die Produktion des Kundennutzens (egal ob Produkt oder Dienstleistung) wirklich verstanden zu haben oder zu beherrschen. Die Kontrolle lässt sich leicht erlangen, führt aber meist nicht zum Erfolg.
Zweite Kontrollfalle: Hat man erstmal genügend Karrierekapital, um mehr Kontrolle zu erlangen, sind die Fähigkeiten natürlich so geschätzt, dass Kunden, Arbeitgeber, Familie bisweilen erheblich Widerstand leisten werden, mehr Kontrolle zu gewähren.
Zwischen erster und zweiter Kontrollfalle zu unterscheiden, und vor allem weder der einen noch der anderen zu verfallen, ist laut Cal Newport nicht einfach.
Habe Spaß an dem, was du tust – die Handwerker-Einstellung
Statt immer weiter nach dem zu suchen, was uns Spaß macht, sollten wir einfach mehr Spaß an dem haben, was wir tun.
Somit ist Cal Newports »So Good They Can’t Ignore You« auch ein Plädoyer für Achtsamkeit: Das Sein im hier und jetzt, das achten der eigenen Tätigkeit, das Lernen, und Wachsen in dieser Tätigkeit. So wie ein Handwerker eben alle Schritte, die zur Fertigstellung des Werkstückes nötig sind, nacheinander erlernt und perfektioniert, und die Handgriffe lange einüben muss, bevor ein qualitativ hochwertiges Resultat entsteht.
Damit versagt Newport niemandem, sich zu ändern, und ganz andere Tätigkeiten aufzunehmen. Cal Newport warnt jedoch davor, blind in etwas hinein zu springen, ohne die notwendigen Fähigkeiten grundlegend zu erlernen und zu üben.
Das Buch war auch wichtig für mich zu lesen: Es ist okay, wenn ich einfach das arbeite, was ich arbeite, und dabei immer weiter meine Fähigkeiten verbessere. Möchte ich etwas nicht nur als reinen Zeitvertreib tun, sondern als Teil meines Berufs, oder auch als ernsthaftes Hobby, dann muss ich Energie und Zeit investieren, die Fähigkeiten zu erlernen und zu üben.
Und es ist okay, Freude aus eigentlich banalen, langweiligen Tätigkeiten zu beziehen. Denn diese Freude wiederum erlaubt mir, die Tätigkeit besser zu durchdringen, und damit eine größere Werthaltigkeit zu erzielen. Damit ergänzt sich »So Good They Can’t Ignore You« perfekt mit »Ego Is the Enemy«, denn beide Bücher propagieren die Bescheidenheit, nicht sich wichtig zu nehmen, sondern das Tun und das Ergebnis. Und bei der Suche nach eigenen Sehnsüchten rät Newport, in beruflicher Hinsicht einfach dem Geld zu folgen: Tun, was auch tatsächlich so viel Nutzwert erzeugt, dass andere Leute bereits sind, dafür Geld auszugeben.
Schreibstil und Kritik
Die Traumjoblüge: Warum Leidenschaft die Karriere killt
139,99 €
(as of 9. Februar 2025 23:13 GMT +01:00 – More infoProduct prices and availability are accurate as of the date/time indicated and are subject to change. Any price and availability information displayed on [relevant Amazon Site(s), as applicable] at the time of purchase will apply to the purchase of this product.)
Cal Newport schrieb das Buch »So Good They Can’t Ignore You« kurz bevor er nach seiner Postdoc-Zeit eine Professorenstelle antrat. Er ist ein junger Informatiker, und schreibt dementsprechend locker und dynamisch, aber eben auch methodisch und ganz klar strukturiert. Der Schreibstil kommt mir sehr entgegen. Zu allen Zeiten fand ich mich in der Struktur des Buches gut zurecht und konnte seinem Gedankengang auch bei Unterbrechungen folgen.
Das Hörbuch So Good They Can’t Ignore You ist vom Sprecher Dave Mallow eingesprochen, das Englisch ist klar verständlich und gut betont.
Zur deutschen Übersetzung Die Traumjoblüge: Warum Leidenschaft die Karriere killt kann ich nichts sagen, weil ich nur das Original als Hörbuch genossen habe.
Lernen
Und wie sehen Sie das? Folgen Sie eher Ihrer Leidenschaft, oder folgte Ihre Leidenschaft Ihrer Tätigkeit?
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
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