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Wollen versus Brauchen – iPhone X oder Wahl?

Was du willst, ist nicht unbedingt das, was du brauchst. Wir haben Geld für alles und behaupten, wir hätten nicht genügend Geld. Oder ist es doch einfach eine Frage der Prioritäten? Und was hat das mit der Wahl zu tun?

Vergangene Woche wurde das „iPhone X“ angekündigt, ein 1149€-Telefon, dazu ein iPhone 8 und 8 plus. Schöne Smartphones, zweifellos. Wie sagte ein Twitterati: „Coming from an iPhone 6s: which one would you choose? Why?“. Eine gute Frage, wenn wir davon ausgehen, dass man ein neues iPhone braucht, obwohl man schon ein iPhone 6S hat. 

Am kommenden Wochenende ist Bundestagswahl. Eine Wahl, die sich in weiten Strecken nicht wirklich produktiv anfühlt. Eine Wahl zwischen einem Weiter-so, einem Wir-wissen’s-auch-nicht-besser und einem Das-hat-zwar-schon-mal-zur-Katastrophe-geführt-aber-wir-machen’s trotzdem.

Worauf verwenden wir mehr Gedanken? Auf das iPhone X/8/8s? Oder die Bundestagswahl?

Was wir wollen

„Ich will dazu gehören.“ „Ich will toll sein.“ „Ich will mich gut fühlen.“ „Ich will keine Angst haben, zurück zu bleiben.“ „Ich will keine Angst haben, weniger zu bekommen.“

Dies sind einige der am häufigsten auftretenden treibenden Gefühle („emotional triggers“). Diese ich-will Gefühle sind tatsächlich an der Grenze zum brauchen. Die Frage, ist ob das, was wir wegen dieser Gefühle wollen auch tatsächlich das ist, was wir brauchen.

Brauchen wir das neue Smartphone? Brauchen wir das dreiundzwanzigste Paar Schuhe? Brauchen wir das?

Ich zähle mich nicht zu den Minimalisten, und es gibt mehr als genug Dinge, die ich habe, oder haben will. Bei vielem bin ich mir dennoch bewusst, dass ich es nicht brauche, sondern will. Sobald ich unterschieden habe zwischen „ich will diese Kamera“ und „ich brauche diese Kamera“, fällt es mir viel leichter, eine Entscheidung zu treffen, ob, wann und welche Ausgabe ich tätige. Es fällt mir sogar leichter, zu einem zukünftigen Kauf zu recherchieren oder lieber etwas anderes mit meiner Zeit anzufangen.

Was wir brauchen

Wir brauchen tatsächlich das Gefühl, dazuzugehören. Das ist tief in uns verankert, denn in Urzeiten war es lebensgefährlich, von der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Deshalb suchen wir stets unbewusst danach, wie wir uns einer Gruppe angleichen können.

Das ist in Ordnung. Die Frage ist, welchen Stellenwert die jeweilige Motivation darunter hat, und welche verschiedenen Wege wir erkennen, den Motivator zu befriedigen.

Ein Beispiel: Wir brauchen zu Essen, und wir brauchen das im Schnitt möglichst gesund. Damit können wir uns langfristig gut fühlen. Gleichzeitig wollen wir uns aber kurzfristig gut fühlen, und schon beißt sich das eine mit dem anderen. Es ist also die Frage, auf was wir den Fokus richten.

Fernrohr Berge

Oft wollen wir langfristig das, was wir auch brauchen. Gesundheit. Ein gutes Auskommen. Eine gute Zeit. Glück. Bedeutet dies jedoch, dafür jetzt etwas nicht zu bekommen, schreit das Belohnungszentrum im Hirn ganz laut dagegen. Ich will aber jetzt! Wie bei einem Zweijährigen. Das kommt dann etwas kultivierter an die Oberfläche bei uns Erwachsenen, ist aber im Prinzip noch dasselbe.

„Die Schuhe brauche ich unbedingt, weil ich ja zu dem Outfit sonst gar nichts habe. Und außerdem sind sie reduziert, dann ist das ja gar keine große Ausgabe.“

„Das neue iPhone brauche ich unbedingt. Mein Vertrag läuft eh aus, und da bekomme ich das ja praktisch umsonst. Außerdem brauche ich mehr Speicher und den schnelleren Prozessor, und erst die Kamera!“

Manchmal fällt es uns nicht leicht, unter und neben all dem, was wir wollen das wahrzunehmen, was wir brauchen. Das gilt auch im Vertriebskontext, siehe dazu „The Challenger Sale: Das, was Sie brauchen, nicht das, was Sie wollen”.

Stellplatz

Bei uns zu Hause gibt es einen ganz dumme und doch sehr erhellende Frage, wenn meine Frau oder ich etwas kaufen möchten, was über den täglichen Bedarf hinaus geht: „Können Sie einen Stellplatz dafür nachweisen?“

Das ist eine Frage aus dem Haus- bzw. Wohnungsbau. In den meisten Gemeinden muss für einen Neubau auch ein PKW-Stellplatz geplant werden, und diese Planung ist nachzuweisen.

Im Zusammenhang mit Anschaffungen ist das eine tolle Regel: Wer etwas kaufen will, muss auch sagen können, wo die Anschaffung ihren Platz finden soll. Denn selbst wenn ich mir etwas leisten kann – liegt es danach immer im Weg herum, wird langfristig nicht wirklich Freude daran aufkommen. Muss ich etwas permanent auf die Seite räumen, dann wird auch ein nützlicher Gegenstand zur Last.

Frage dich also vor dem nächsten Gadget-Kauf oder Schuhkauf:

„Können Sie einen Stellplatz dafür nachweisen?“
Dies twittern

Um das klar zu stellen: Ich habe nichts gegen ein iPhone. Mein privates Handy ist ein iPhone 5, seit 2012. Tatsächlich habe ich gerade mein ziemlich aktuelles Samsung-Diensthandy nach knapp 9 Monaten an einen neuen Kollegen abgegeben und mir dafür ein iPhone SE geholt. Damit komme ich deutlich besser zurecht, brauche aber eben nicht das neueste und größte. Es ist okay, sich ein neues Smartphone zu holen. Du solltest dich nur fragen warum genau.

Prioritäten

Wir alle haben schon mal zu Freunden oder zum Partner gesagt: Ich würde ja, aber ich kann mir das nicht leisten oder ich habe keine Zeit.

Die meisten Dinge, die wir uns vorgeblich nicht leisten können, liegen finanziell in derselben Region wie anderes, was wir bereits besitzen. Für die meisten Menschen, die diesen Artikel lesen, gilt: Geld ist eine Frage der Priorität. Wenn du Dir eben jedes Jahr das neueste Smartphone kaufst, dann reicht das Geld eben vielleicht nicht mehr für den Kurs, den du auch gerne machen würdest, um etwas neues zu lernen. Dann hat das iPhone eben eine höhere Priorität für dich als Lernen. Du kannst dann aber nicht sagen du könntest dir den Kurs nicht leisten, sondern sollte ehrlicherweise sagen „ich würde den Kurs gerne besuchen, kaufe mir aber lieber das neueste iPhone.“

Genau so ist es mit der Zeit. Der Satz „Ich habe keine Zeit dafür“ ist in den meisten Fällen nicht zutreffend. Zeit ist eine Frage der Priorität.

Vor einigen Jahren fing ich mit dem Klavierspielen an. Es machte mir großen Spaß, und macht es auch heute noch. Ich nahm Klavierstunden, doch irgendwie kam uns organisatorisch unser Klavierlehrer abhanden, der meine Tochter und mich unterrichtete. Heute spiele ich nur selten. Fragt mich heute jemand, warum ich nicht mehr spiele, wäre es ein leichtes zu sagen „Ich habe keine Zeit dafür. Einfach zu viel um die Ohren.“ Das trifft jedoch nicht zu. „Ich spiele gerne, und kann mir auch vorstellen, in Zukunft wieder zu beginnen. Jetzt räume ich jedoch anderen Tätigkeiten eine höhere Priorität ein. Ich bin beruflich gut eingespannt, ich habe eine Familie, ich blogge und ich fotografiere.“ Das alles ist meine eigene Wahl. Ich entschied mich für das Fotografieren und gegen das Klavierspielen. Dafür kann ich keine Zeit verantwortlich machen, das ist meines.

Der wahre Satz lautet also:

„Mir ist dieser Bereich weniger wichtig als anderes.“
Dies twittern

Dasselbe gilt auch in der Arbeit. Wenn ich ja zu einem Projekt sage, dann habe ich eben nicht mehr so viel Zeit für ein anderes Projekt. In vielen Jobs kann ich ja durchaus im Rahmen ein Projekt ablehnen oder verschieden priorisieren. Es ist immer eine Entscheidung. Auch wenn ich eine Aufgabe annehme, die mir mein Chef gibt, ist das letztendlich eine Entscheidung. Nehme ich sie nicht an, und der Chef insistiert darauf, dann habe ich freilich Konsequenzen zu tragen, aber das reduziert nicht meine Verantwortung für die Entscheidung.

Mentaler Fokus – Gadget oder Wahl?

Kommen wir auf die Eingangsfrage zurück: Neues iPhone oder Wahl – was hat dich in der Woche gedanklich mehr beschäftigt? Wozu hast du mehr recherchiert?

Hast du die neuesten Features des iPhones geprüft? Den Preis? Dich vielleicht über irgendetwas echauffiert daran, weil du als Android-Nutzer sowieso nicht nachvollziehen kannst, wie jemand ein iPhone kauft?

Oder hast du dich informiert über die Menschen, die in deinem Wahlkreis zur Wahl stehen? Hast vielleicht sogar ein Parteiprogramm quer gelesen? Oder ganz extrem: hast du sogar eine Hintergrundanalyse gelesen zu dem, was Regierung, Opposition und Parteien in den letzten vier Jahren so getan haben, was sie beschlossen und abgestimmt haben? Hast du dich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen und der Auswirkung der vergangenen Politik beschäftigt?

Symbolfoto Bundestagswahl 2015, Briefwahl
Symbolfoto Bundestagswahl 2015, Briefwahl

„Aber ich bin doch nur einer von vielen Millionen – was hat meine Wahlentscheidung schon für eine Auswirkung?“ Alle deine Entscheidungen haben Auswirkungen. Deine Entscheidung, dir ein iPhone und das nächste zu kaufen, hat dazu beigetragen, Apple zu einer der reichsten Firmen weltweit zu machen. Deine ganz persönliche Wahlentscheidung ist ein Baustein der Ausgangslage, aus der sich Regierung und Opposition bilden.

Das, was du kaufst, oder nicht kaufst, wirkt nicht nur auf deinen Geldbeutel und deinen Schrank, sondern ist jedes Mal auch ein Signal an die Wirtschaft.

Es mag dir nicht wichtig vorkommen, was du nächsten Sonntag wählst, und je nach deiner ganz eigenen Lebenslage und deinen Ansichten mag das sogar stimmen, oder auch nicht. Aber es ist wichtig, dass du wählen gehst.

Titelfoto: FranciscoFdez auf Pixabay. Lizenz CC0
Foto: www.joachimschlosser.de, Lizenz Creative Commons Attribution ShareAlike 

Werkstattnotizen: Andere mögliche Titel waren

  • Brauchen versus Wollen – Geld für alles und nichts
  • Brauchen versus Wollen – Wahlentscheidung oder iPhone X?
  • Wollen versus Brauchen – iPhone X oder Wahlentscheidung?
  • An was denken wir – Wahlentscheidung oder iPhone X?
  • Wollen versus Brauchen – Konsumieren oder gestalten?

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