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Was fürs Wohlbefinden tun – keine Tages­zeitung, keine Fernseh­nachrichten

Ich lese keine Tageszeitung. Nicht mehr. Gut fünfundzwanzig Jahre lang habe ich täglich die Zeitung gelesen.

Nun nicht mehr.

Ich schaue keine Fernsehnachrichten. Nicht mehr. Knapp fünfundzwanzig Jahre lang habe ich täglich die Tagesschau, heute-Nachrichten oder BR Rundschau gesehen.

Nun nicht mehr.

Es geht mir jetzt besser.

Meine Lokalzeitung aus Augsburg. Wir haben gemeinsam Höhen und Tiefen verlebt.

Die Zeitung war immer da, ich komme aus einem Haushalt, in dem Zeitung gelesen wurde. Man musste doch informiert sein über das, was in der Welt vor sich geht.

Muss man? Täglich?

Tageszeitung Nachrichten

Ereignisse und wir

Stephen Covey, der seinerzeit das Meisterwerk »Die sieben Wege zur Effektivität« schrieb, hat darin den Unterschied zwischen Interessensradius und Einflussradius beschrieben.

Um Ihnen den Unterschied nahe zu bringen, beantworten Sie für sich bitte diese fünf Fragen:

  1. Welche Ihrer Handlungen haben Sie gestern geändert, weil Sie vorgestern etwas in der Zeitung gelesen oder in der Nachrichtensendung gesehen haben?
  2. Welche von den Ereignissen, die auf den ersten fünf Seiten Ihrer Tageszeitung stehen oder in den Nachrichten sehen, machen Sie froh und positiv gestimmt?
  3. Welche von den Ereignissen, die auf den ersten fünf Seiten Ihrer Tageszeitung stehen oder in den Nachrichten sehen, können Sie persönlich und direkt beeinflussen?
  4. Worauf basierte eine der wichtigeren privaten Entscheidungen, die Sie gestern getroffen haben?
  5. Falls Sie nicht gerade Aktienhändler oder Investor sind, worauf basierte eine der wichtigeren beruflichen Entscheidungen, die Sie gestern getroffen haben?

Die meisten Nachrichten, die uns aus aller Welt erreichen, haben einige Eigenschaften gemein:

  1. Die Meldungen sind negativ. Katastrophen. Kriege. Krisen. Kernschmelzen.
  2. Die Meldungen drängen moralische und dystopische Fragen auf.
  3. Sie haben keinen direkten Einfluss auf meine Entscheidungen heute und morgen.
  4. Da in der Mehrzahl einzelne Ereignisse aus aller Welt thematisiert werden, habe ich keinen Einfluss darauf.

Ein Beispiel: Der Abschuss eines Passagierflugzeugs ist schrecklich und die Reaktionen darauf verstörend (a). Ich stelle mir unweigerlich die Frage, ob da nicht grundsätzlich etwas falsch läuft in der globalen Konfliktlösung (b). Mein Tag ändert sich jedoch dadurch nicht (c). Ich kann selbst weder das Unglück ungeschehen machen noch dem nächsten Rebellen die Rakete aus der Hand nehmen (d).

Was also hilft’s?

Interessensradius und Einflussradius

Diese Ereignisse mögen uns interessieren, doch wir können nicht wirklich etwas damit tun. Wahrscheinlich haben Sie die obigen Fragen 1‒3 jeweils mit »keine« beantwortet.

Diese Ereignisse können in Ihrem Interessensbereich liegen.

Die Fragen 4‒5 ergründen Ihren Einflussbereich. Das ist der Teil Ihres Lebens, den Sie selbst beeinflussen können.

Idealerweise haben Einflussbereich und Interessensbereich eines Menschen eine große Schnittmenge.

Wenn laut Covey große Teile des Interessensbereiches außerhalb des Einflussbereiches liegen, fühlen wir uns machtlos, getrieben und demotiviert.

Um ein selbstbestimmtes Leben zu leben, sollen wir uns auf unseren Einflussbereich konzentrieren und darauf, dass dieser durch stete Nutzung wächst.

Aufbauschen von Alltäglichem

Für mich sind Nachrichten ein Teil des Problems. Im Winter haben wir »Schneekatastrophen« und Kältewellen, im Frühjahr wird die Schneeschmelze zur Hochwasserkatastrophe, im Sommer haben wir Rekordhitze, im Herbst Jahrhundertstürme.

Jedes Ereignis ‒ sogar wetterbedingt regelmäßig wiederkehrende ‒ werden zu Sensationen hochgeschrien und geschrieben.

Wetter hat im Extremfall für Menschen tragische Folgen, doch ist ein durch Starkregen bedingter Stau und ein paar umgestürzte Bäume kein Ereignis von nationaler Bedeutung.

Ein Hagelsturm interessiert mich aber eben nur, wenn meine Kinder oder das Auto währenddessen draußen waren oder das Haus betroffen ist. In diesem Fall brauche ich ebenfalls keine Nachrichtensendung darüber, und auch keinen ARD-Brennpunkt.

Verstärken von Unerfreulichem

Politik erschafft und formt Realität. Im guten Fall tut sie das durch ruhige, wohl durchdachte Anpassungen des Rahmenwerks unserer Gesellschaften. Durch die ständige Verstärkung funktionieren auch starke Worte und Forderungen.

Diese helfen nichts, außer dass sich durch den gefühlten Druck, immer noch einen drauf zu setzen, der politische Gegner direkt verbal angegriffen wird, wodurch dieser sich genötigt sieht, ebenfalls markige Worte anzubringen.

Das ganze wiederhole man so lange, bis es entweder persönlich wird oder im Falle der Außenpolitik man sich gegenseitig wirtschaftlich behindert ‒ »Sanktionen«.

Verstehen Sie mich richtig ‒ das ist nicht die alleinige Schuld von Nachrichtensendungen und Tageszeitungen, doch schreibe ich diesen schon eine katalytische ‒ verstärkende ‒ Wirkung zu.

Jeder Politiker will bei der eigenen Zielgruppe medial gut da stehen.

In diesem Fall brauche ich jedoch keine Nachrichtensendung darüber, und auch keinen ARD-Brennpunkt.

Lokalnachrichten

Lokalnachrichten sind ein Spezialfall. Denn hier kann es zum einen sein, dass Nachrichten tatsächlich meine Entscheidungen des nächsten Tages beeinflussen. Ein angekündigter Streik oder eine Straßenbaumaßnahme lassen mich einen anderen Weg in die Arbeit nehmen.

Lokalpolitik ist ‒ zumindest in Augsburg ‒ zwar ebenfalls eher unerfreulich ob der ständigen sachfremden Zankereien, doch noch am ehesten direkt zu beeinflussen. Ich lese sie dennoch nicht.

Leider kann ich nicht nur den Lokalteil der Augsburger Allgemeinen abonnieren, und so haben wir nach wie vor das ePaper-Abo, weil sowohl Frau als auch Sohn Zeitung lesen.

Zeitung ‒ Teil des Problems oder der Lösung?

Tageszeitung und Fernsehnachrichten lösen keine Probleme. SIe helfen mir auch nicht, meine Herausforderungen zu lösen. Egal, wie Tom Knüwer deren Publikationsstrategie beurteilt.

Der ständige Nachrichtenstrom aus aller Welt verursacht höchstens, dass ich mir Sorgen mache über Dinge, die außerhalb meiner Einflusssphäre liegen. Dies führt langfristig zu einem Gefühl der Ohnmacht und reduziert damit meinen Einflussradius eher.

Freilich will ich grob wissen, was in der Welt vor sich geht. Dafür jedoch reichen die Erzählungen von Kollegen und Überschriften auf Nachrichtenportalen oder Twitter. Ich halte es für überaus nützlich für einen mündigen Bürger, zu wissen, was vor sich geht. Doch das muss nicht täglich sein. Bedeutende Rahmenbedingungen, die direkt auf mich wirken, ändern sich nicht derart schnell. Da reicht ein wöchentlicher Nachrichtenüberblick.

Eine tägliche Dosis schlechter Nachrichten verbessert weder meine Ausgangslage noch meine Handlungsoptionen.

Kurz gesagt ‒ mir geht es besser ohne tägliche Nachrichtensendung und Tageszeitung.

Selektive Ignoranz

Ist das ignorant? Ja, sicher.

Das ist selektive Ignoranz ‒ so nennt das Tim Ferriss in der 4-Stunden-Woche.

Das ist Reduktion von Ablenkungen ‒ so nennt Leo Babauta das in zenhabits.

Für mich ist es ein Stück mentale Hygiene.

Letztendlich bleibt es jedem selbst überlassen. Doch möchte ich jeden dazu auffordern, in sich hinein zu hören und zu ergründen, ob Ihnen der ständige Nachrichten- und Ereignisstrom gut tut oder nicht.

Lesen Sie die Tageszeitung oder schauen Fernsehnachrichten, und wieso oder wieso nicht?

Photo: William Ward on Flickr, License Creative Commons Attribution

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Kommentare

5 Antworten zu „Was fürs Wohlbefinden tun – keine Tages­zeitung, keine Fernseh­nachrichten“

  1. Avatar von Claudia Queißer
    Claudia Queißer

    Hallo Herr Schlosser,

    ich lese auch schon lange keine Nachrichten mehr, einen Fernseher besitze ich nicht, und im Autoradio höre ich höchstens den Staumelder, wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin oder hin und wieder lokale Nachrichten.

    Die meisten schütteln fassungslos den Kopf, wie ich so „uninformiert“ durchs Leben gehen kann und ob ich denn nicht daran interessiert bin, was in der Welt so los ist. – Nein, an negativen Meldungen bin ich definitiv nicht interessiert, und in den Nachrichtgen wird höchst selten etwas Erfreuliches gebracht. Ich habe – wie Sie oben schon geschrieben haben – darauf keinen direkten Einfluss, aber in mir wird dabei ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit erzeugt, und das kann auch keiner gebrauchen. Und ich zweitens bin ich dann lieber uninformiert als fehlinformiert. Wenn ich die fettgedruckten Überschriften lese, erfahre ich, ob ein Flugzeug abgestürzt ist oder jemand umgebracht wurde. Mehr muss ich nicht wissen, wenn es nicht gerade jemanden betrifft, den ich persönlich kenne. Denn ich kann daran nichts ändern, und es wird meine Handlungen nur dahingehend beeinflussen, jeden Tag aufs Neue dankbar für alles zu sein, was uns meist so selbstverständlich ist.

    Ich informiere mich über Dinge, die mich interessieren, wie Yoga, Sport, gesunde Ernährung (lese auch regelmäßig die Schrot & Korn) und Dinge, die ich selbst beeinflussen kann (wie z. B. den Tierschutz oder Müllvermeidung) und die mir für meine Weiterentwicklung und Reifwerdung als Mensch hilfreich sind.

    Viele Grüße,
    Claudia Queißer

    1. Dem stimme ich voll und ganz zu. Sich täglich mit jeder Mini-Katastrophenmeldung zu beschäftigen entzieht Energie. Den Überblick behalten ist gleichwohl wichtig.

  2. Hallo Herr Schlosser,

    ich selektiere die Medien, über die ich mir Nachrichten zugänglich mache, von vorne herein. Mich interessiert Nachhaltigkeit und Ethik, und so lese ich Schrot und Korn (eine Biozeitschrift), CSR News (ein Onlineportal und eine Zeitschrift für gesellschaftliche Unternehmerverantwortung), die Zeitschrift Forum Nachhaltigkeit, Wiwo green (die nachhaltige Ausgabe der Wirtschaftswoche) u.a., schaue Artikel auf Arte oder 3Sat zu meinen Themen und streife die aktuellen, schlimmen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nur kurz. So bin ich komplett in meinem Interessensbereich wie auch in meinem Einflussbereich, denn ich lehre und vermittle mit „Die WerteGestalter“ Lösungen, die Menschen, Unternehmen und der Umwelt gleichermaßen zugute kommen. Das geschieht durch Bewusstsein für Zusammenhänge schaffen, Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten kennenlernen und Konsequenzen des eigenen Handelns erleben. So bin ich immer proaktiv durch meine Arbeit und in meinem Handeln, wie Stephen Covey es im einem der 7 Wege zur Effektivität darlegt.

    Denn: sich gedanklich und gefühlt in Leid, und vor allen Dingen in fremdem Leid, bewegen macht nur Angst, Furcht, hilflos, passiv und ändert nichts. Um dort heraus zu kommen bedarf es eines eigenen Handlungsspielraumes im Einflussbereich.

    Ich bin übrigens auch ein großer Fan von Stephen Covey und freue mich, wieder einmal einen interessanten Blickwinkel durch eines seiner Modelle erhalten zu haben.

    Herzliche Grüße
    Susanne Steinicke

    1. Danke, dem habe ich nichts hinzuzufügen :-).

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