Gute wissenschaftliche Referate zu halten ist eine Fähigkeit, die auch im Berufsleben wertvoll ist, wie ich schon selbst bei Praktika erlebt habe. Denn gute wissenschaftliche Referate schaffen bei der Wissensvermittlung die Balance zwischen Struktur, Exaktheit und Verständlichkeit. In Meetings oder auf Konferenzen sind daher Vorträge im Uni-Stil gerne gesehen.
Ein Gastbeitrag von Nicolas Binder, der eben uns lange im Beruf stehenden einige Prinzipien für Vorträge in die Erinnerung ruft.
Wer an seine Studentenzeit zurückdenkt, der erinnert sich möglicherweise an reges Treiben auf den Fluren, an volle Räume in den Erstsemester-Vorlesungen und an klassischen Frontalunterricht in diesen Veranstaltungen. Im fortgeschrittenen Studium entspannt sich meiner Erfahrung nach zumindest in Seminaren das Platzproblem in Räumen. In Seminaren werden nun als Leistungsnachweis in der Regel auch wissenschaftliche Referate gehalten, anstatt nur Multiple Choice Klausuren zu schreiben.
Doch worauf kommt es bei einem guten Referat im Uni-Stil an, um diese Balance zu schaffen? Da ich selbst noch in der Rolle des Studenten stecke, kann ich aus eigener Erfahrung dazu berichten und Dir einen Überblick über das Thema Vortragen im wissenschaftlichen Umfeld geben.
Der Artikel ist in zwei große Teile unterteilt.
Im ersten Teil liest Du, was die Ansprüche an ein gutes wissenschaftliches Referat sind und worin die Unterschiede zu einem nicht wissenschaftlichen Referat liegen.
Im zweiten Teil gebe ich Dir Tipps zur praktischen Umsetzung, damit Du einerseits gerade die Anforderungen an einen wissenschaftlichen Vortrag erfüllst und andererseits Dein Publikum nicht mit Daten erschlägst oder gar langweilst.
Hinweis: Aufgrund meines Studiums habe ich einen Vortrag mit einer Powerpoint Präsentation in Wirtschaft oder Politik im Kopf, und weniger einen rein naturwissenschaftlichen Vortrag.
Orientieren an wissenschaftlicher Arbeit
Ein erster Unterschied zwischen einem wissenschaftlichen und einem nicht wissenschaftlichen Referat ist die Art der Quellen, die Du für den Vortragsinhalt heranziehst. Während ich mich in der Schule hauptsächlich auf Zeitungsartikel (Spiegel, ZEIT,…), Online-Angebote wie das der Bundeszentrale für politische Bildung oder ein populärwissenschaftliches Buch stützen konnte, lernte ich an der Hochschule, dass von mir erwartet wird, wissenschaftliche Literatur zu lesen. Das sind vor allem themenrelevante Paper und natürlich wissenschaftliche Bücher bzw. Buchkapitel. Nicht selten ist die Literatur hier nur auf Englisch verfügbar. Bedenke diesen hohen Leseaufwand bei der Planung des Referats.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu einem nicht wissenschaftlichen Vortrag ist die deutlich formalere Struktur des Referats an der Uni.
Das bekannte Grundschema aus Einleitung, Hauptteil, Schluss mit der Faustregel bei der Gewichtung von 10% zu 80% zu 10% soll von Dir erweitert werden in die folgenden Abschnitte:
Einleitung/Einstieg
Zeige Deinem Publikum: Was ist das Thema und warum ist es interessant? Beginne hier am besten mit einem „Eye Catcher“, z.B. einem aktuellen Diagramm, einem passenden Bild oder einem kurzen Videoclip, statt mit der typischen PowerPoint Startfolie. Diese Startfolie kannst Du auch nach dem „Eye Catcher“ noch zeigen.
Forschungsfrage
Informell hast Du das Interessante an Deinem Thema schon in Einleitung genannt oder gezeigt. Nun nennst Du explizit auf einer extra Folie die formale Forschungsfrage. Hierbei sind „Warum“-Fragen die interessantesten Fragen. Unterschätze nicht den Wert einer guten, präzisen Forschungsfrage! Die Forschungsfrage gibt Dir an, was Du überhaupt wissen möchtest. Damit kannst Du den berühmten Roten Faden spinnen, der mit der Antwort auf die Frage endet. Die Forschungsfrage gibt Dir auch vor, was Du nicht beachten musst: Dinge, die nicht direkt mit Deiner Frage zu tun haben, sondern nur grob mit dem Themenbereich zu tun haben. Eine präzise Forschungsfrage grenzt Dein Thema also auch auf ein Maß ein, das die Bearbeitung des Themas in der vorgegebenen Zeit erlaubt.
Theorie mit Hypothesen
In diesem Abschnitt geht es um “trockene” Begriffsdefinitionen und die Darlegung der Theorie aus der wissenschaftlichen Literatur, welche Du für die Erklärung des Sachverhalts anwenden möchtest (zumindest im Politik- und Wirtschaftsbereich war das wichtig). Dann formulierst Du zu überprüfenden Hypothesen, am besten, indem Du sie direkt aus der Theorie ableitest. Hypothesen werden hierbei in Formen „Wenn X, dann Y“ oder „Je mehr/weniger X, desto mehr/weniger Y“ formuliert.
Methode
Gerade an der Uni Konstanz wird großer Wert auf Empirie und quantitatives Arbeiten gelegt. In diesem Vortragsteil gibst Du eine Erläuterung Deines Vorgehens. Darunter fallen die benutzten Daten, deren Format sowie deren Quelle. Dazu erläuterst Du kurz die Methode der Datenanalyse, also zum Beispiel ein Regressionsmodell. Bei einem Vortrag muss hier im Gegensatz zu einer schriftlichen Ausarbeitung wirklich nur das Nötigste erklärt werden.
Empirie/Ergebnisse
Dieser Abschnitt ist der interessanteste Deines Vortrags. Hier gibst Du den Überblick über die Ergebnisse aus den Quellen oder über die Ergebnisse Deiner eigenen Datenanalyse. Somit zeigst Du in diesem Kapitel, was Du herausgefunden hast, bzw. Du trägst zusammen, was andere zu der Fragestellung herausgefunden haben. Ein wenig Enthusiasmus beim Vortragen für die interessanten Ergebnisse ist trotz der Formalität erlaubt ;-).
Fazit
Am Ende rundest Du den Vortrag noch ab, indem Du explizit die Forschungsfrage beantwortest (ggf. die Frage nochmal wiederholen) und die aufgestellten Hypothesen überprüfst: Findest Du Unterstützung für Deine Hypothese oder kannst/musst Du Deine Hypothese verwerfen? Wichtig hierbei war für mich zu erkennen, dass es nicht schlimm ist, wenn man die Hypothese verwerfen muss. Das ist kein Makel. Vielmehr zeigt es die Grenzen der Theorie auf. Nach diesem zusammenfassenden Teil des Fazits zeigst Du noch kritisch die Grenzen der Untersuchung auf und benennst offene Fragen. Eben dieses Position-Beziehen und Hinterfragen ist wichtig bei einem Vortrag an der Hochschule und grenzt diesen von einem Schulvortrag ab, bei dem am Ende gerne die Mittelweg-Position eingenommen wird.
Sonderfall: Kurzreferat
In Seminaren während der Vorlesungszeit oder in Tutorien/Übungen wird häufig eine abgemilderte Form des Uni-Referats von Dir erwartet: das Kurzreferat. Kurz im Sinne von zeitlich auf ca. 10 min beschränkt sowie kurz im Sinne von sehr beschränkter Quellenlage.
Diese beschränkte Quellenlage ist hier oft schlicht die Pflichtliteratur oder die Ideen eines bestimmten Denkers. Diese Quellen sollst Du für die anderen Teilnehmer so aufbereiten, dass diese den Inhalt der Texte leicht verstehen, ohne dass sie diese selbst lesen müssen.
Das Kurzreferat ist im Grunde eine strukturierte Textwiedergabe und beinhaltet daher verhältnismäßig wenig eigene „Leistung“ bzw. eigene Kreativität.
Die Grobgliederung folgt dem oben beschriebenen Schema. Arbeite anhand des Schemas die Literatur auf und stelle die wichtigsten Punkte der Texte entlang des so entstandenen Roten Fadens vor:
- Big picture aufzeigen („Was will der Text?“: Forschungsfrage und Hypothese),
- Wie geht der Text vor (Methode (kurz!), Theorie, Argumentation),
- Was kam raus (Ergebnisse),
- Wie überzeugend ist das? (Eigenes Fazit bzw. eigene Bewertung der These).
Die große Kunst bei einem Kurzreferat besteht in der Beschränkung: Erzähle nicht den Text komplett nach, sondern arbeite die wesentlichen Kernbotschaften heraus.
Das sind in diesem Fall in der Regel die Forschungsfrage, die Hypothesen und die Ergebnisse bzw. die Argumentationskette. Eine schöne Eigenleistung ist bei einem Kurzreferat die Übertragung der Argumentation in ein Diagramm, z.B. mit Folgepfeilen. Ermüdend wird ein Kurzreferat bei einer zu detaillierten Beschreibung der Methode oder ein Durchkauen von jedem Beispiel des Textes.
Sparen bei der Darstellung
Dass Du Dich bei der Grundstruktur stark an derjenigen einer wissenschaftlichen Arbeit orientierst, bedeutet jedoch nicht, dass Dein gesamter Vortrag genauso wie eine ausformulierte Arbeit aussehen muss! Bedenke bei Deiner Sprache, Deiner Ausdrucksform und Deiner visuellen Darbietung, dass Dein Publikum nicht einfach zurückblättern und nochmal genauer nachlesen kann. Lege daher bei der Darstellung den Fokus auf die Verständlichkeit.
Eine Präsentation ist nicht nur die wissenschaftliche Arbeit auf Folien
Insbesondere in diesem Punkt der Darstellung teile ich voll die Meinung Joachim Schlossers und plädiere für die Leitlinie der visuellen Stille. Die drei Kernprinzipien sind:
- möglichst wenig Fließtext auf den Folien (Ausnahmen: Definitionen, Fragestellung, Hypothesen)
- Überfrachtung widerstehen (nur eine Kernbotschaft pro Folie, wenn möglich)
- nutze Medien (Vorteil der Präsentation auch ausspielen!)
Für die Foliengestaltung kannst Du aus den drei Prinzipien Folgendes ableiten:
Nutze bei der Präsentation einfache Schaubilder, um Zusammenhänge zu visualisieren. Stelle zum Beispiel die Hypothese mit einem schlichten Pfeilbild dar, damit klar wird, was die unabhängige (X) und was die abhängige Variable (Y) ist. Eventuell kannst Du in dieses Schaubild schon mögliche Störvariablen oder Mediatoren einarbeiten.
Aus meiner Sicht solltest Du die Methode nur so detailliert wie nötig erklären, insbesondere wenn Du ein bestimmtes mathematisches bzw. statistisches Modell benutzt. Erkläre in Deinem Vortrag vor allem, was das Modell tut und unter welchen Annahmen, aber weniger explizit das Wie. Eine ausführliche Methodenvorstellung gelingt Dir in einer schriftlichen Ausarbeitung besser. In einem Vortrag, der nicht explizit über diese Methode geht, können Dir bei einer zu detaillierten Erklärung nur wenige Deiner Kommilitonen wirklich folgen.
Mache Dir zudem hier den Vorteil eines Handouts bei der Erstellung der Folien bewusst: Nutze ein Handout bewusst als Entlastung. Das Handout beinhaltet den ausführlichen Text, ggf. eine detaillierte Modellerklärung und zusätzliche Daten, welche nicht auf die Folien müssen.
Datendarstellung
Elementar für ein Referat im Uni-Stil ist Arbeit und Umgang mit Forschungsergebnissen und damit häufig auch empirischen Daten. Wenn Du solche Ergebnisse in Deinem Vortrag vorstellst, solltest Du Dir überlegen, wie Du diese in möglichst einfacher Form darstellen kannst.
Findest Du bei einer Literaturreview uneindeutige Ergebnisse, so stelle die verschiedenen Sichtweisen bzw. Resultate z.B. schlicht mit zwei Spalten dar, die mit Pro und Contra überschrieben sind. Erkläre dabei mündlich kurz wie die jeweiligen Autoren vorgegangen sind und woher somit die Unterschiede kommen könnten.
Gib Zahlen eine Bedeutung
Ein weiteres Problem bei der Datendarstellung ist das Überfordern Deines Publikums: Packst Du eine komplette Datentabelle oder einen dichten Output einer Regressionsanalyse auf Deine Folien, so läufst Du damit Gefahr, das Publikum zu erschlagen. Mache das also nur bei wirklich notwendigen und zentralen Ergebnissen, zum Beispiel Deinen Analyseergebnissen.
Eine äußerst wichtige Leistung, die von Dir erwartet wird, ist es, die Ergebnisse zu erklären und vor allem zu interpretieren. Beantworte dazu im Vortrag folgende Fragen:
- Was sieht man?
- Woher kommen die Daten (Quelle) und die Werte (was sagen die Werte aus)?
- Was „bedeuten“ die Daten als Ganzes (Sinn geben, welche Werte sind signifikant?)?
- Was sind besondere Datenpunkte (Maximum, Minimum, Durchschnitt,…)?
Es bietet sich hierzu an, dezente optische Hervorhebungen zu nutzen: Mache Kreise, Pfeile oder Kästchen um wichtige Werte oder Trends oder Vergleiche, um so gezielt Deine Erklärung visuell zu unterstützen.
Nutzen des Formalen
Für mich bedeutete der Wechsel an die Uni eine Umstellung. Zum einen unterscheidet sich die Art der Quellen für einen Vortrag an der Uni stark von den üblichen Quellen bei nicht wissenschaftlichen Vorträgen.
Doch vor allem die drei Merkmale eines guten wissenschaftlichen Referats lernte ich mit der Zeit schätzen. Diese sind auch für Vorträge abseits der Uni wertvoll: Struktur, Exaktheit und Verständlichkeit.
Die Forschungsfrage ist dabei das zentrale, strukturgebende Element: Die strukturierte Beantwortung der Frage leitet Dich beim Aufbau des Vortrags. Das Ziel Deines Vortrags ist die überzeugende Beantwortung der Frage auf Basis verständlich dargebotener Argumente. Wenn Du diese Frage am Schluss Deines Vortrags explizit beantwortest, so hast Du auch schon einen „runden Schluss”, da Du so den Start Deines Vortrags wieder aufgreifst.
Mit diesem positiven Blick auf den zunächst trocken wirkenden Aufbau eines Referats im Uni-Stil wünsche ich Dir viel Erfolg bei Deinem nächsten Vortrag!
Ich bin Nic, absolviere aktuell mein Masterstudium Politik- und Verwaltungswissenschaften in Konstanz. Aus Lust am Schreiben und Informieren betreibe ich meinen Blog deinepraesentation.de, auf dem ich speziell Schülern und Studenten Tipps zur Thematik Vortragen und Präsentieren gebe. Joachim Schlossers Artikel sind dabei eine wunderbare Inspirationsquelle; unsere Ansichten hinsichtlich der Thematik sind ähnlich. Daher habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut, einen Gastartikel für schlosser.info schreiben zu dürfen.
Foto: www.joachimschlosser.de
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