Kindererziehung und Vertrieb: in beidem drücke ich die größtmögliche Wertschätzung nicht dadurch aus, dass ich dem anderen immer Recht gebe und das, was er will, sondern indem ich ergründe, was der andere wirklich braucht.
Wir sprechen hier nicht über Wertschätzung als Höflichkeit. Höfliches, respektvolles Auftreten und Kommunikation bei gleichzeitig direkter Ansprache setze ich voraus.
Wunsch des Kunden
Sie arbeiten in einer kundennahen Aufgabe? Sie sprechen oder treffen also oft Kunden? Und Sie erfüllen Kundenwünsche rund um Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt? Was ist Ihre Geschäftsmodell: Kundenwünsche erfüllen oder aber die Dienstleistung bzw. das Produkt?
Wenn Sie meinen, Ihre Aufgabe sei es, Kundenwünsche zu erfüllen: Ist das wirklich Ihre Aufgabe? Oder sollen Sie vielleicht eher dafür sorgen, dass der Kunde das bekommt, was er braucht? Wie gehen Sie wertschätzend mit Kunden und Kollegen um? Besteht Wertschätzung darin, einfach jedem das zu geben, was er oder sie will?
Was, wenn der Kunde etwas will, was ihm in seiner Situation gar nichts bringt? Oder das Falsche?
Ein Vertriebsmitarbeiter heißt Kundenberater, nicht Kunden-nach-dem-Mund-Reder.
Wunsch des Kindes
Sie haben Kinder? Und Sie erfüllen Ihren Kindern Wünsche? Was ist Ihr Erziehungsmodell: Wunschfee oder Reifehelfer?
Und wenn Sie meinen, Ihre Aufgabe sei es, Wunschfee für Ihre zu sein: Was ist denn das Ziel der gesamten Erziehung? Ein momentan wunscherfülltes Kind, oder eine Heranwachsende, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt, sich langfristig Zufriedenheit verschaffen kann und dafür auch schwierige Wege geht?
Wunschfee oder Erziehender?
Was also ist Wertschätzung bei Kindern? Der Begriff Erziehungsberechtigter springt eigentlich zu kurz. Es sollte Erziehungsverantwortlicher heißen, das würde der Aufgabe mehr gerecht. Das Recht alleine ist es nicht, sondern Erziehung stellt eine Verantwortung dar.
Wertschätzung
Meinem Empfinden nach hat Wertschätzung nichts damit zu tun, dem anderen jeden Wunsch zu erfüllen. Sondern mit Interesse am Wohlergehen.
Ich möchte den anderen mit seinem Wunsch wahrnehmen, und ihm zurückspiegeln, dass er mit seinem Wunsch gut ist. Das gilt sowohl für Kunden, als auch für Kinder. Der Wunsch an sich ist gut. Kunde und Kind sind gut. Das heißt aber nicht, dass es zum besten von Kunde oder Kind ist, diesen Wunsch genau so zu erfüllen.
Das Kind will unbedingt noch länger aufbleiben, oder unbedingt noch fünf mal am Abend ins Bett gebracht werden, mit Bewachung bis zum Einschlafen. Gebe ich dem Wunsch nach, verwehre ich meinem Kind den notwendigen Schlaf, und ich verwehre ihm das Erfolgserlebnis, selbst einschlafen zu lernen und damit Selbstwirksamkeit zu erfahren, das Gefühl »das kann ich!«
Ist das Wertschätzung gegenüber dem Kind?
Der Kunde will unbedingt ein bestimmtes Softwaremodul haben, oder kein Training zu einem anderen. Gebe ich dem Wunsch nach, hat mein Kunde eine Software, die er nicht verwenden wird, und wird irgendwann sauer auf uns, oder er wird die Software nicht entsprechend ihrer Möglichkeiten einsetzen und erzielt damit nicht den Produktivitätsgewinn, den er sich davon erhoffte. Indem ich dem Wunsch nachgebe, verwehre ich also langfristige Zufriedenheit und Erfolg.
Ist das Wertschätzung gegenüber dem Kunden?
Kunde will vs. Kunde braucht
Was der Kunde braucht, korreliert vielleicht mit dem, was er will. Muss aber nicht sein.
Das, was der Kunde will, ist nicht unbedingt das, was er braucht.
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Der Kunde ist der Spezialist, wenn es um die eigenen Prozesse, Produkte, Organisation geht. In meiner Dienstleistung, in meinem Produktportfolio jedoch sollte ich der Experte sein. Das gilt für Vertrieb ebenso wie Trainer, Berater, alle Bereiche, die mit Kunden zu tun haben.
Die größte Wertschätzung, die ich einem Kunden und einer Kundenorganisation entgegenbringen kann, ist, mich ehrlich um ihre Belange zu sorgen. Mich dafür einzusetzen, dass sie das bekommt, was sie wirklich braucht.
Kunde will ≠ Kunde braucht
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Aus eigener Erfahrung: Der Ingenieur eines Automobilherstellers – nennen wir ihn Christoph – wollte unbedingt eine bestimmte Zusammenstellung unserer Toolboxen zur Basiskonfiguration dazu erwerben. Nachdem ich mir angehört hatte, was er vorhat, riet ich ihm von einigen Modulen strikt ab, und nahm stattdessen zwei andere Toolboxen in die Konfiguration auf. Christoph war mehr als nur überrascht. Er wollte doch diese Toolboxen haben und konnte nicht glauben, dass ein Softwarehersteller von sich aus ein Modul nicht verkauft. Es bedurfte einigen Zuredens, bis Christoph die Überraschung verwunden hatte. Christophs Abteilung hat die gewollten Module nie vermisst, dafür aber genau die Konfiguration mit den gebrauchten Modulen auf die ganze Abteilung ausgerollt und dafür noch fünf mal erworben.
Beharrungskräfte
Manche Kunden werden diese Art Wertschätzung nicht mögen. Manche Kunden wollen Recht haben. Manche Kollegen werden diese Art Wertschätzung nicht mögen. Manche Kollegen wollen Recht haben.
Tun Sie das, wozu Sie da sind: Dem Kollegen oder Kunden zum Erfolg zu verhelfen, und zwar zu nachhaltigem Erfolg. Wenn klar wird, dass Ihr Insistieren auf das, was der Kunde braucht anstatt das, was er will, hilfreich war, ist vielleicht schon einige Zeit ins Land gegangen.
Wenn Sie Glück haben, bedankt sich ihr Kunde am Ende oder einige Monate später bei Ihnen. Vielleicht auch nicht. Sie werden angefeindet werden. Man wird Ihnen vorwerfen, jemanden bevormunden zu wollen. Man wird Ihnen vorwerfen, nicht kundenorientiert zu arbeiten. Man wird Ihnen vorwerfen, sich einmischen zu wollen.
Erwarten Sie keine Dankbarkeit. Aber freuen Sie sich, wenn Sie sehen, dass der andere dank Ihrer Intervention Erfolg hat. Der Dank ist dann verzichtbarer Luxus.
Wertschätzung durch Wissen
Wertschätzung ist etwas, das Sie geben können, indem Sie Ihr Wissen in den Dienst des Kunden oder Kollegen stellen. Indem Sie die Problemstellung besser analysieren, und die beste Lösung anstreben. Kompromisse als solche bezeichnen, und die Risiken dieser Kompromisse benennen.
Wenn Sie mehr über den Mehrwert des Wissens lesen wollen, empfehle ich Ihnen meinen Beitrag über Challenger Sale.
Wunsch oder Wertschätzung?
Wie sehen Sie das? Was bedeutet Wertschätzung ganz konkret für Sie?
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
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