Was passiert, wenn wir eine Frage anders betonen? Welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch? Ein Appell an den bewussten Einsatz von Sprache als den Ausdruck von Bewusstsein.
Zusammen mit der besten Ehefrau von allen habe ich ein Mantra, das wir dann anwenden, wenn einer von uns überrascht ist über eine Handlung des anderen.
Es ist entnommen aus dem dritten Teil der »Fluch der Karibik« Filmreihe, und ist ein kurzer Dialog zwischen Jack Sparrow und Dauerrivale Barbossa:
Der Kernsatz ist des Filmausschnitts ist dieser:
»Was tust du denn hier?«
Die beiden betonen das nicht so, wie wir es interpretieren, und liefern doch die Vorlage für diese Gedankenfolge:
- »Was tust du denn hier?«
- »Was tust du denn hier?«
- »Was tust du denn hier?«
- »Was tust du denn hier?«
Ein Satz. Vier Fragen.
Viele Möglichkeiten, zu antworten.
»Was tust du denn hier?«
In der ersten Iteration zählt die Überraschung, gerade den anderen in der Situation vorzufinden. Das meint nicht notwendigerweise die Überraschung, den anderen gerade an diesem Ort anzutreffen, sondern eher die Überraschung, dass gerade der andere die Handlung vollführt, die er tut.
In unserem Fall wäre das die Frage, wenn ich die beste Ehefrau von allen beim Einscannen von Dokumenten vorfände, oder sie mich beim Sortieren der Wäsche – beides nicht ausgeschlossen, doch nicht unsere jeweilige Kompetenz.
Eine Betonungshilfe zu dieser Variante:
»Was tust gerade du denn hier?«
Aber es gibt noch eine andere Variante.
»Was tust du denn hier?«
Das ist die Überraschung, den anderen genau an diesem Ort vorzufinden. Oder, dass der andere die momentane Tätigkeit gerade an diesem Ort ausführt. Wobei es ja auch nicht unbedingt Überraschung sein muss. Verwunderung ist ein anderes Gefühl, das zutreffen mag.
Passiert bei uns beispielsweise, wenn ich ausnahmsweise Glück beim Pendeln oder bei der Dienstreise hatte und früher zu Hause bin, und meine Gattin von einem der vielen Kinder-Fahr-Dienste zurück kommt.
An dieser Stelle folgt dann meist der Dialog aus Loriots »Papa ante Portas«:
»Was machst du denn hier?«
»Ich wohne hier.«
»Aber doch nicht um diese Zeit!«
Wer sich schwer tut, das passend zu betonen, halte sich an folgende Hilfe:
»Was tust du denn gerade hier?«
Aber es gibt noch eine andere Variante.
»Was tust du denn hier?«
Verwundert, was der andere dann tut? Dann ist diese Fragevariante die wahrhaftige. Diese Variante kommt gerne dann zum Einsatz, wenn der Sinn der Tätigkeit in Frage gestellt wird.
Joghurtbecher ausspülen gehört dazu, egal wer es tut. Oder ich verschwinde inmitten eines Familiensamstags an den Computer. Oder die beste Ehefrau von allen balanciert Mehl löffelweise von A nach B.
In der Arbeit können Sie sich typische Situationen vorstellen: Der Kollege, der einen eigentlich automatisierten Prozess manuell durchführt. Oder ein Dokument neu baut, das leicht zugänglich im Intranet liegt.
Die Betonung sollte sich von selbst ergeben:
»Was tust du denn hier?«
Aber es gibt noch eine andere Variante.
»Was tust du denn hier?«
Das dürfte die schwierigste der Fragen sein, denn das Was hängt stark mit dem Tun zusammen. Die Frage nach dem Was zielt jedoch stärker auf das Ergebnis der Tätigkeit ab als mit der Handlung selbst. Es ist egal, wie der andere zum Ergebnis kommt, jedoch ist ihnen nicht klar, was das Ergebnis überhaupt sein soll.
Diese Variante offenbart eine Unkenntnis des Grundes der Aktion, wobei die Unkenntnis sowohl in Verantwortung des Fragenden als auch des Gefragten liegen kann.
Hätte ich seinerzeit zu Hause nicht erklärt, warum ich alle eingehenden Postsachen einscanne, wäre das genau die angemessene Frage gewesen.
Wer die Frage nicht gut betonen kann, darf gerne ein zur Hölle einfügen, also:
»Was zur Hölle tust du denn hier?«
3D-Sprache
Sprache ist dreidimensional – mindestens. Besonders deutlich wird das bei dieser Frage, ändert sie doch je nach Betonung und Modalität ihre Bedeutung.
Bevor wir also das nächste Mal eine Frage stellen, halten wir kurz inne und überlegen, was genau wir eigentlich wissen wollen: Was, Warum, Wer oder Wo?
Was tun Sie denn hier?
Jetzt sind Sie dran: Was tun Sie denn hier? Wie auch immer Sie diese Frage auffassen, in welcher Variante Sie sich angesprochen fühlen mögen:
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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