Warum schreiben eigentlich so viele Coaches über ihre Arbeit in Blogs, aber so selten deren Klienten? Das ändern wir, ich fang mal an.
Hierzulande wird es ja gerne als Makel angesehen, wenn man sich als Person externe Hilfe holt. Während es bei Unternehmen ziemlich normal ist, Berater für bestimmte Problemstellungen zu engagieren, steht bei Coaches für Einzelpersonen abseits der Vorstandsetage eher die Frage im Raum, ob der das nicht alleine könne. Ob man das nicht selber machen könne. Persönlichkeitsentwicklung, das ginge doch von selbst.
Eines daran stimmt: Persönlichkeitsentwicklung ist ein aktiver Wunsch, etwas, das durch mein Wollen erst zur Möglichkeit wird.
Sportler nutzen Trainer
Jeder Sportler, der sich weiterentwickeln möchte, arbeitet mit einem Trainer, der spezifisch auf die Gegebenheiten desjenigen eingeht. Ein Trainer erkennt Bewegungsmuster, Defizite, gibt Hinweise, wie der Bewegungsablauf umtrainiert werden kann, um zu besseren Ergebnissen zu kommen. Letztendlich arbeiten und trainieren muss der Sportler selbst. Es hilft nichts, wenn der Trainer für den Coach trainiert, wenn der Coach rennt, Klimmzüge macht, hunderte Male an der Reckstange schwingt. Das alles hilft nur etwas, wenn der Sportler es tut.
So ist es mit einem Coach auch. Ein Coach löst kein Problem für mich. Ein Coach hilft mir, ein Problem selbst zu lösen, indem sie mich bei der Selbstreflektion unterstützt. Ein Coach stützt meine Persönlichkeitsentwicklung. Für mich. Für meine Partnerschaft. Für meine Kinder. Für meinen Beruf.
Coach als Katalysator
Seit über fünfzehn Jahren arbeite ich mit einem Coach in Augsburg. Gefunden habe ich sie über das Autogene Training, und so suche ich sie unregelmäßig mit Fragestellungen auf, bei denen ich alleine oder auch mit Unterstützung Der Frau™ nicht weiterkomme.
Der Durchbruch ist in mir selbst. Der Coach hilft mir lediglich, diesen anzustoßen.
Der Coach wirkt als Katalysator für mein Denken und Fühlen. Sie führt mich an Gedanken und Gefühle heran, die bereits in mir sind, hilft mir, diese zu erkennen, zu verknüpfen, damit zu arbeiten.
Ich mag das nicht. Es ist nicht so, dass ich unbedingt gern hingehe, im Gegenteil. Denn die Arbeit dort ist anstrengend, bisweilen aufwühlend.
Sie ergründet Fragen, die ich selber nicht hatte oder so nicht formulieren kann, die aber hinter oder unter den Fragen und Problemen liegen, mit denen ich komme.
Als ganz irres Medium, um die eigene Innenwelt zu ergründen, nutzt sie die Klopfmethode PEP nach Dr. Michael Bohne, um Durchbrüche zu erzielen. Bei dieser Methode sage ich verschiedene Sätze – abgestimmt auf die eigene Wortwahl und Problemstellung – laut vor, während ich mit der einen Hand nacheinander auf verschiedene Punkte der anderen Hand und des Körpers klopfe. Ich wehrte mich lange gegen diese Methode, weil mir das zu viel Voodoo war; muss aber zugeben, dass das Klopfen wirkt.
Ebenso arbeitet mein Coach mit Bewegungen, Gesten, Augenbewegungen. Die Wirksamkeit von Bewegungen auf das Denken nutzt ja beispielsweise auch Isabel García in ihrem Buch Ich kann auch anders mit ihrem Kommunikationsmodell Elementare Kommunikationstypen.
Keine Vergangenheitsanalyse
Alles, was wir denken, fühlen, oder eben nicht denken und nicht fühlen, hat seine Ursache in der Vergangenheit. Man könnte auch sagen: Ich bin die Summe meiner Erfahrungen. Die Plastizität des Gehirns lässt sich ausführlich und ganz wunderbar nachlesen bei Daniel Kahnemans Thinking – Fast and Slow und besagt, dass unser Kontext und unsere Erfahrungen unser Denken und Fühlen viel stärker prägen als die genetische Veranlagung.
Anders als in der Psychoanalyse – und ein Coach ist kein Psychiater, kuriert keine pathologischen Symptome – geht es nicht darum, vergangenes aufrollen, sondern die Vergangenheit zu überwinden.
Das zweite Mantra ist: Ich verzeihe mir oder dem anderen, dass ich oder der andere es nicht besser wusste, konnte oder wollte.
Auch eine behütete Kindheit hinterlässt Spuren. Alle Menschen, und im Kleinen eben die eigenen Eltern, prägen aufgrund eigener Erfahrungen unbewusst bestimmte Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen ins Kind ein. Glaubenssätze entstehen durch unseren Umgang mit der kindlichen und jugendlichen Welt und beeinflussen das eigene Verhalten sehr langfristig.
Wir sind die Kinder der Nachkriegsgeneration, die selbst noch Traumata erlebt hat, sei es direkt in den ersten Lebensjahren noch in Not und Entbehrung, oder indirekt. Und auch ohne Kriege lebten ja auch unsere Eltern in ihrem jeweils ganz eigenen Familiengeflecht, und übertrugen unbewusst Glaubenssätze auf uns, die sie selbst unbewusst ausgebildet hatten. Es geht aber eben nicht darum, in der Vergangenheit zu wühlen, sondern diese anzunehmen als Teil von mir. Einzelne Aspekte der Vergangenheit können hilfreich sein zu verstehen. Das Leben geht nur im Hier und Jetzt.
Der Blick von Außen hilft dabei. Auch wieder wie im Sport. Manchmal will der Trainer im Sport wissen, wie der Sportler eine bestimmte Bewegung erlernt hat, oder ob eine bestimmte Verletzung in der Vergangenheit vorlag. Dadurch kann das Training genau auf den jeweiligen Menschen passen. Die gesamte Trainings- und Krankengeschichte interessiert dort nicht.
Der Blick von außen hilft als Spiegel
Wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich andere Dinge an mir als wenn ich einfach nur an mir herunter sehe. Der Spiegel selbst löst noch gar nichts. Der Spiegel ist ein Medium, mit dem dem ich mich auf andere Weise wahrnehmen kann. So zeigt mir der Spiegel auf, was ich selbst nicht sehe. Was ich vielleicht gar nicht sehen will oder gelernt habe nicht zu sehen.
So ist es mit dem Coach. Ein Coach ist ein Spiegel, ein Werkzeug, das mir hilft, selbst Probleme zu lösen. Ein Werkzeug? Wie kannst du so von deinem Coach sprechen. Das sagt sie von sich selber, wenngleich mit anderen Worten. Und dann hilft sie mir, jeden Aspekt von mir zunächst einmal anzunehmen, zu akzeptieren. Denn nur, wenn ich mich selbst akzeptiere mit meinen Facetten, also erst einmal anerkenne, dass ich diese Facetten habe, dann kann ich diese ändern. Etwas, dessen Existenz ich nicht anerkenne, kann ich auch nicht ändern.
Dazu gibt es die Selbstakzeptanzübung mit einem wunderbaren Satz: „Auch wenn ich <Problem/Eigenschaft> habe, liebe und akzeptiere ich mich so wie ich bin.“
„Auch wenn ich <Problem/Eigenschaft> habe, liebe und akzeptiere ich mich so wie ich bin.“
Und das hilft. Wie gesagt, ist ein bisschen Voodoo, und auch Michael Bohne hat noch mehrere Hypothesen am Laufen, warum das wirkt.
Das wichtige ist: Ich mache das, nicht mein Coach. Sie beantwortet mir noch nie eine Frage á la „Was soll ich tun?“. Sie nahm mir noch nie eine Entscheidung ab. Sie zeigte mir Wege auf, wie ich selbst dort hin komme.
Der Durchbruch ist in mir selbst. Der Coach hilft mir lediglich, diesen anzustoßen und ist ein Katalysator. Es dauert manchmal, bis wir dort hin kommen, doch es funktioniert.
Wie finde ich einen Coach?
Wie findest du einen Coach? Tja, das kann ich dir nicht so genau sagen. Ich fand meinen Coach Hildegard Röltgen über einen VHS-Kurs zu Autogenem Training. Zur Zeit des Kurses brauchte ich noch keinen Coach, und als es mir dann gewahr wurde, dass ich jemanden brauchte, kannte ich sie ja schon.
Echtes Coaching braucht zwei Menschen im selben Raum. Mein Coach nimmt auch kleinste Reaktionen an mir wahr, und nutzt dies fürs Coaching.
Natürlich habe ich mir über die Jahre immer wieder überlegt, welche Kriterien denn ein Coach für mich mitbringen sollte, auch wenn sich das nicht immer ganz trennscharf festlegen lässt.
Folgende Fragen sind für mich relevant:
- Hat der Coach Lebenserfahrung? Mit vielfältigen Lebenssituationen selbst konfrontiert gewesen zu sein, hilft meines Erachtens.
- Wie ist der Coach ausgebildet? Coach ist keine geschützte Berufsbezeichnung, es kann sich also jeder Coach für alles nennen. Ein Coach ist nicht unbedingt ein studierter Psychologe, wenngleich es das auch gibt. Eine strukturierte umfangreiche Aus- oder Fortbildung ist jedoch kein Schaden.
- Wie bildet sich der Coach weiter? Wer rastet, der rostet. Es müssen und sollten nicht ständig neue Methoden sein, doch eine Supervision – also ein Coach, der einen anderen zwischendurch prüft – ist gute Praxis.
- Was außer Coaching macht der Coach noch? Es gibt viele Felder, die dem Coaching wieder gut tun. Erfahrungen außerhalb des Coachings halte ich für wichtig.
Dagegen ist folgendes ist für weniger relevant:
- Public Speaking ist für einen Coach irrelevant. Wenn jemand gut öffentlich vor Publikum spricht, macht ihn das nicht notwendigerweise zu einem guten Coach.
- Eine tiptop Website ist hilfreich, aber kein Killer-Kriterium. Freilich sollte ein Coach eine Website haben – wie will er oder sie sonst gefunden werden –, doch kann ein Coach seine Klienten ja auch sehr gut über andere Kanäle akquirieren.
Letztendlich ist es immer auch eine Bauchentscheidung.
Und die Kosten?
Natürlich kostet ein Coach Geld, und natürlich läppert sich das im Laufe des Jahres und der Jahre. Ein Coach hilft mir beruflich ebenso wie auch privat bei der Persönlichkeitsentwicklung.
Da hilft aber entsprechendes Framing: Viele leisten sich teure Autos, Uhren, Schmuck, Urlaube. Das meiste davon macht mich als Mensch nicht besser. Was ich für den Beruf daraus an nutzen ziehe, ist wie eine Fortbildung, und in die investiere ich gerne selbst.
Allein für die Anwaltskosten einer unerfreulichen, aber prinzipiell vermeidbaren Scheidung kann man monatelang einen Coach exklusiv beschäftigen.
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Oder andersherum: Wenn ich mich im Bekanntenkreis umsehe, stelle ich fest: Allein für die Anwaltskosten einer unerfreulichen, aber prinzipiell vermeidbaren Scheidung kann man monatelang einen Coach exklusiv beschäftigen. Und damit als Paar weiterkommen, statt auseinander zu gehen. Sehe ich noch die Folgekosten bei einigen Bekannten und der emotionale Fallout für diese selbst und das direkte Umfeld, verblassen Kosten für die Persönlichkeitsentwicklung dagegen.
Locker bleiben
Und wie siehst Du das? Arbeitest du mit einen Coach?
Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!
Alle Fotos: www.joachimschlosser.de
Literatur
- Roland Kopp-Wichmann über Klopftechnik in seinem Persönlichkeits-Blog
- Svenja Hofert Karriereblog
- Hört auf zu coachen!: Wie man Menschen wirklich weiterbringt von Svenja Hofert
- Wege aus der Zwickmühle. Doublebinds verstehen und lösen von Christiane Sautter, Alexander Sautter (meine Rezension)
- Bitte klopfen! Anleitung zur emotionalen Selbsthilfe von Michael Bohne
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