Heute sah ich einen TED-Vortrag, der mich schwer beeindruckte: »Tim Harford: Trial, error and the God complex«. Warum? Weil er als Wirtschaftsjournalist ein wesentliches Prinzip des Ingenieurtums aufgreift: Versuch und Fehlschlag – auch wenn er an einer Stelle im Vortrag einen Aspekt ingenieurmäßigen Vorgehens angreift.
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Tim Harford ruft uns auf, zu akzeptieren, dass viele Problemstellungen und Aufgaben der Welt zu komplex sind, als dass wir sie zur Lösungsfindung komplett erfassen können. Viele Experten seien anfällig für das »Gott-Syndrom«. Komplexe Aufgaben ließen sich eben oft besser durch Versuch und damit auch durch möglichst gute Fehlschläge lösen.
Das trifft wohl auf auch viele Aufgaben aus dem Ingenieurbereich zu, er selbst nennt als Beispiel den Sprühkopf einer ###. Und hier treffen sich die beiden Welten: Evolution, also Versuch und Fehlschlag, lassen sich mit ingenieurmäßigen Vorgehen ja wunderbar verbinden. Genetische Algorithmen in Verbindung mit Simulation, also dem virtuellen dynamischen Test, lassen uns der Lösung schon sehr nahe kommen. Und dort, wo sich das Modell gegenüber der Realität geschlagen geben muss, bedarf es dann eben noch realer Versuche und Tests.
Entscheidend dürfte dabei wohl sein, dass dieses Ausprobieren und Versuchen nicht blind geschieht, sondern die Ergebnisse jeder Runde jeweils bewertet werden. Das heißt auch, dass es viele Runden des Ausprobierens benötigt. Wie Tim Harford berichtet, sollte dies nicht unbedingt durch realen Versuch geschehen, sondern durch Simulation.
Ich freue mich, dass das Thema simulationsbasierte Optimierung damit einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Vor allem, weil ja keiner die Genetik selbst ausprogrammieren muss, sondern es dafür vorgefertigte Werkzeuge gibt. Naheliegend für solche Verfahren erscheinen Probleme aus dem biologisch-medizinischen Bereich. Als ich gestern durch die Anwenderberichte zum Thema globale Optimierungsprobleme auf der Website meines Arbeitgebers, MathWorks, stöberte, fand ich auch einen zum Thema Design einer Brennstoffzelle für den Challenge-X-Wettbewerb an der Uni Waterloo.
Software wird für vielerlei Aufgabenstellung im Bereich der Optimierung benutzt. Das schöne daran ist eben, dass solche Algorithmen nicht länger Mathematikern und Informatikern vorbehalten sind, sondern jeder Fachrichtung offen stehen. Die Kernkompetenz wird damit zunehmend das Formulieren von Problemstellungen in mathematisch orientierten Sprachen wie MATLAB. Das detaillierte Ausprogrammieren des Lösungsalgorithmus reduziert sich stark. Und immer wieder gilt: nur die Fehlschläge bei der Suche nach einer Lösung (die Lösung gibt es ja oft nicht) ermöglichen es, uns zu lernen und den Lösungsraum einzuschränken. Weil anders als die Natur haben wir ja meist nicht ewig Zeit.
Also: Wann war Ihr letzter Fehlschlag? Und welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen, um einer Lösung näher zu kommen? Und wie haben Sie in Ihrer Entwicklungsarbeit das Fehlermachen automatisiert?
Disclosure: Ich arbeite für MathWorks, den Hersteller von MATLAB & Simulink, und verdiene somit durch die Software zur Lösung derartiger Aufgabenstellungen meinen Lebensunterhalt.
Photo: Domino – Multiplikationseffekt. Martin Fisch on Flickr, License CC-BY-SA
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