Im folgenden lesen Sie einen Auszug aus meinem kommenden Buch über die Gedankenwelt des Vortragenden.
Was ist Ihre Aufgabe als Vortragender? Sie führen Ihr Publikum nicht nur durch den Vortrag, sondern hoffentlich zu einer Veränderung, einem neuen Gedanken, einer Erkenntnis, einer Idee oder Inspiration. Das macht Sie für die Zeit Ihrer Rede zum Anführer. Sun Tsu setzt für einen Anführer die folgenden Tugenden voraus: Klugheit, Aufrichtigkeit, Wohlwollen, Mut und Geradlinigkeit. Die Übersetzerin der deutschen Ausgabe von »Die Kunst des Krieges«, Gitta Peyn, merkt dazu schon an, dass diese Tugenden für Anführer auf jeder Ebene und in jeder Organisation gelten sollten.
Und so sind diese fünf Tugenden auch für Sie als den Vortragenden bedeutsam. Nicht nur um der Tugenden selbst willen, sondern für die Effektivität Ihrer Präsentation.
1. Klugheit
Je mehr Klugheit Sie besitzen, desto besser werden Sie in jeder Situation die richtigen Worte finden können. Klugheit beschränkt sich nicht auf das fachliche Wissen rund um das Thema Ihres Vortrags, sondern schließt auch Ihr bewusstes Verhalten im Vortrag und in dessen Vorbereitung ein. Besitzen Sie die Klugheit, Ihre Zuhörer und deren Besonderheiten zu berücksichtigen, und Ihr Thema ansprechend aufzubereiten?
2. Aufrichtigkeit
Wenn Sie weiter oben den konstanten Faktor des Moralischen Rechts beherzigt haben, sollte Ihnen auch die Tugend der Aufrichtigkeit vertraut sein: Wie offen sind Sie mit dem Ziel Ihres Vortrags? Ist das, was Sie mit dem Vortrag tatsächlich erreichen wollen, auch das, was Sie Ihrem Publikum erzählen?
Aufrichtigkeit hat nichts mit Altruismus zu tun. Wenn Sie beispielsweise für eine Softwarefirma eine Präsentation auf einer Konferenz geben, ist ein Ziel wahrscheinlich, die Softwarelösungen bekannter zu machen, und damit zu mehr Umsatz zu generieren. Das ist auch in Ordnung. Gibt es aber ein echtes inhaltliches Anliegen des Vortrags, von dem Sie überzeugt sind und das Sie dem Auditorium vermitteln?
Sie sind dann aufrichtig, wenn Sie ehrlich dem Leben Ihrer Zuhörer in Bezug auf Ihren Vortrag eine positive Wendung geben wollen. Und Sie sind aufrichtig, wenn Sie zudem anerkennen und auch bereit sind, dies auszusprechen, dass damit natürlich auch ein positiver Effekt für Ihre Softwarefirma verbunden ist. Aufrichtigkeit heisst nicht, mit etwas kein Geld verdienen zu wollen oder das zu behaupten. Aufrichtigkeit im Vortrag heisst, die Ziele in Einklang zu bringen und konsistent zu vermitteln.
3. Wohlwollen
Wohlwollen ist eine Tugend des Anführers, die Ihre Gefühle zu Ihrem Publikum meint. Haben Sie sich schon einmal dabei ertappt, dass Sie die Verständnisfähigkeit oder das Interesse Ihrer Zuhörer in Zweifel zogen? Wurden Sie schon einmal wiederholt in Ihrem Vortrag vor grossem Publikum von derselben Person mit scheinbar unsinnigen oder provozierenden Fragen unterbrochen?
Sind Sie nicht ausgeglichen und wohlwollend, wird Ihre Reaktion entsprechend ausfallen und die Atmosphäre der Rede vergiften. Wenn Sie Ihrem Publikum nicht wohlwollend gegenüberstehen, wird es das merken, egal wie gut Ihre Technik und Rhetorik sein mag.
Jeder einzelne Mensch im Publikum handelt so, wie es Persönlichkeit und sein Gehirn als optimal erachten. Zweifel Sie an der Verständnisfähigkeit? Dann achten Sie darauf, sich vom Gefühl der Überlegenheit fernzuhalten, da Arroganz zweifellos sichtbar ist. Nein, vielmehr ist es Ihre Aufgabe als Vortragender, Ihre Präsentation genau so zu gestalten, dass Ihre Zuhörer Ihren Ausführungen folgen können. Die störende Person stört zwar, meint aber normalerweise nicht Sie als Person. Sie kann nicht anders. Vielleicht ist sie wirklich hoch interessiert an dem Thema und hat einfach eine überschäumende Persönlichkeit, oder sie hat einen der Gegner wie etwa Angst in sich. Begegnen Sie allen Zuhörern mit Wohlwollen. Das heisst nicht, dass Sie beispielsweise einen Störer gewähren lassen sollten, sondern dass Sie diesem die besten Absichten unterstellen und trotzdem zur Ruhe bringen.
Je mehr Wohlwollen Sie Ihren Zuhörern entgegen bringen, desto souveräner wirken Sie auch im Vortrag, da Sie sich durch nichts und niemanden aus dem Konzept bringen lassen. Und so ist Wohlwollen denn auch sowohl Voraussetzung als auch Folge der nächsten Tugend:
4. Mut
Mut im Vortrag? Wo wollen Sie denn mutig sein? Bei allem. Es gehört durchaus Mut dazu, aufrichtig zu sein, wo man ja auch politische Korrektheit verletzen könnte. Sie brauchen vielleicht Mut, alles unnötige im Vortrag wegzulassen. Und wenn Sie viel Mut haben, trauen Sie sich auch, gewohntes über Bord zu werfen, sich oftmals schlechten Sehgewohnheiten zu widersetzen und neue Wege zu gehen. Auch Wohlwollen gegenüber Ihren Zuhörern braucht manchmal Mut, zu sich selbst zu stehen und so in sich selbst zu ruhen, dass Sie den anderen anerkennen können.
5. Geradlinigkeit
Eng verbunden mit Mut ist die Geradlinigkeit. Im Vortrag ist diese Tugend wesentlich, erlaubt sie doch, den Zuhörer zu leiten statt zu verwirren. Wenn Sie als Anführer in der Vortragssituation geradlinig agieren, dann ist der Kern Ihrer Rede die ganze Zeit des Vortrags und darüber hinaus konstant und sichtbar. Sie brauchen keine Winkelzüge und Haken zu schlagen, um Ihren Zuhörern etwas unterzujubeln. Geradlinigkeit verbunden mit Aufrichtigkeit und Mut versetzt Sie als Anführer Ihrer Präsentation in die Lage, kraftvoll und emotional auf dem direkten Weg zu überzeugen.
In diesem Artikel konnten Sie erfahren, wie die Tugenden Klugheit, Aufrichtigkeit, Wohlwollen, Mut und Geradlinigkeit Ihre Fähigkeit als Anführer, also als Vortragender maßgeblich bestimmen. Der konstante Faktor Anführer sind somit Sie selbst. Speziell hier sollten Sie sich nicht beirren lassen: Sun Tsu spricht zwar von konstanten Faktoren, im konkreten Fall heisst das jedoch nicht, dass Sie sich nicht ändern könnten. Sie können.
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Photo: Ludovic Hirlimann on Flickr, License CC-BY-SA
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