Der folgende Artikel ist ein Auszug aus meinem kommenden Buch Präsentieren im Dialog oder was »Die Kunst des Krieges« für den Vortrag lehrt. Tragen Sie sich oben rechts ein, wenn Sie vom Erscheinen des Buches erfahren wollen.
Sun Tsu sagt im Kapitel über Strategien »In all deinen Schlachten zu kämpfen und zu siegen ist nicht die größte Leistung. Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.« Ebenso ist es auch mit der Präsentation. Sie haben möglicherweise die Fähigkeit, das Wissen und die technische Brillanz, die Ansichten Ihrer Zuhörer rein über inhaltliche Argumentation zu verändern. Dies ist jedoch ein Kampf, der Opfer fordert, weil Sie dabei einzeln gegen lieb gewonnene Ansichten der Zuhörer ankämpfen müssen. Für jede der vorhandenen Ansichten gibt es viele Argumente – eine Armee – deren Anzahl und Art Sie vorher nur ungefähr abschätzen können.
Wenn Sie Ihre Rede aber darauf ausrichten, das Gefühl, die Einschätzung der Zuhörer zu ändern, und eine grundsätzliche Gefühlsentscheidung zu treffen, dann findet der Kampf der Argumente in ihnen selbst statt. Unser menschliches Gehirn ist ausgezeichnet darin, für einmal getroffene Gefühlsentscheidungen rationale Argumente zu finden. Dieser Prozess läuft weitgehend automatisch ab. Sun Tsu sagt: »Es ist besser, eine Armee unversehrt zu belassen als sie zu vernichten. […] Daher beweisen jene, die jede Schlacht gewinnen, nicht wirklich höchstes Geschick.«
Wie oft fanden Sie sich selbst schon in der Lage, dass Sie viele Argumente für eine Sache vorliegen hatten, Ihr Gefühl Ihnen aber etwas anderes sagte? Was sind an der Stelle Argumente wert?
Deswegen hilft es Ihrem Vortrag, diesen auf das Gefühl der Zuhörer auszurichten. Auch einen technischen Vortrag. Zeigen Sie einem versierten Zuhörer zwanzig technisch herausragende Eigenschaften Ihrer Lösung, und er kann Ihnen dreissig Eigenschaften aufzählen, die noch fehlen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit deshalb darauf, klar zu machen, wie die Lösung oder der Inhalt des Vortrags das Leben der Zuhörer zum positiven zu wenden vermag.
Eine Konfrontation Argument gegen Argument sollten Sie meist vermeiden. Sie können eine Argumentationsschlacht gewinnen, aber das ist weder elegant noch effizient, noch nachhaltig. Wie groß wird wohl langfristig Ihre Reputation werden, wenn Sie als der harte Argumentierer bekannt werden, dem halt immer noch etwas einfällt?
Argumentieren als Option
Sun Tsu gibt eine Regel für den Einsatz von Truppen, die beim Kräfteverhältnis von zehn zu eins Umzingeln rät, für fünf zu eins Angriff, für zwei zu eins Teilung und Angriff von zwei Seiten, für Gleichstand offene Option und sonst den Rückzug oder Flucht. Selbiges gilt für Ihren Vortrag. Wenn Sie sehr viel mehr Argumente auf Ihrer Seite haben, brauchen Sie sie nicht direkt auszuspielen, sondern können die Gegenargumente durch bloße Andeutung umzingeln.
Stellen Sie beispielsweise Ihre Software vor und es geht gegen ein anderes Softwaresystem, dann brauchen Sie bei starker Überlegenheit keine einzelnen Eigenschaften hervorheben. Stattdessen demonstrieren Sie nur wenige ausgewählte Anwendungsfälle, bevor Sie im Fall der Präsentation beim Kunden direkt in die Fragen der Implementierung in dessen System angehen oder bei einem öffentlichen Vortrag die größere Vision generieren.
Ist Ihr Vorsprung in Sachen Argumente nicht ganz so groß, kann es hilfreich sein, tatsächlich Argumente auszuspielen, jedoch nicht eins nach dem anderen, sondern vom Groben ins Feine, vom Allgemeinen ins Spezielle. Wenn Sie sequentiell argumentieren, lässt sich ein Argument nach dem anderen mit einem Gegenargument belegen, und es wird möglich sein, dasselbe Gegenargument mehrfach zu verwenden. Argumentieren Sie zunächst von einer höheren Abstraktionsebene, verbunden mit der Sicherheit, dass Sie für die Spezialfälle ebenfalls gerüstet sind.
Die Menge Ihrer Argumente können Sie auch teilen und so einsetzen, wie es Sun Tsu für das Zahlenverhältnis von zwei zu eins empfiehlt: Sie bringen einen thematisch zusammenpassenden Teil, sparen den anderen jedoch aus. Gibt es Widerrede im Publikum, so richtet sich diese entweder gegen das, was Sie schon gesagt haben, oder zielt darauf ab, dass Sie einen Bereich noch gar nicht beachtet haben, zielt also auf das ab, was noch kommt. In beiden Fällen können Sie wunderbar mit dieser Zangenformation spielen.
Wenn Ihre Argumente objektiv betrachtet nur gleich schwer oder leichter wiegen als die Gegenargumente, sollten Sie sich überlegen, ob Sie einen Vortrag überhaupt anstreben wollen. Ein Kunde, der aus guten Grund seine existierende oder eine andere Lösung besser findet, wird sich von Ihnen nicht überzeugen lassen, wenn es nicht tatsächlich noch bessere Gründe dafür gibt.
Sun Tsu und Ihr Vortrag?
Wie geht es Ihnen mit Sun Tsu und seiner Meinung zum Thema Vortrag und Präsentation?
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
Photo: bachmont on Flickr, License Creative Commons Attribution
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