Concert Hall

Vernetzung von Forschung, Lehre, Entwicklung – MATLAB Expo Rede

Der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland ist in diesem Jahrzehnt kein Selbstläufer mehr – wenn das überhaupt jemals der Fall war. Wie schaffen wir es gemeinsam, technologisch ein Umfeld für mehr Innovation und Entwicklung zu schaffen, ohne auf veränderte Rahmenbedingungen warten zu müssen?

Start-Ups und etablierte Organisationen tragen mit Universitäten gemeinsam dazu bei, dass auch die nächste Generation an Ingenieuren und Entwicklern lernt, Konzepte rasch und zielgerichtet umzusetzen. So erwachsen aus Ideen Innovation, Produkte und Geschäftsmodelle, und letztendlich Prosperität.

Das folgende Manuskript enthält meine Rede auf der MATLAB Expo Deutschland 2016 am 10. Mai. Es gilt das gesprochene Wort. Das komplette Video des Vortrags:

 Joachim Schlosser at MATLAB Expo 2016

Foliensatz hier:

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Dinge bewegen – auf den Schultern von Riesen stehen

Ich möchte Ihnen von Marko Thaler erzählen. Marko Thaler ist der Mitgründer von Airnamics. Er hat sich zusammengetan mit Studien- und Forscherkollegen, um Multicopter – das sind Quadcopter mit noch mehr Rotoren – zu entwickeln, die besonders geeignet für Foto- und Videoanwendungen sind. Als kleine Gründung, die sich aus eigenen Mitteln finanzierte, haben Sie weder Zeit noch Geld für langwierige Aufbauten und Versuche, wenn das gleiche Ergebnis auch mittels Simulationen und Berechnungen erzielt werden kann. Marko Thaler und sein Team setzen daher auf Model-Based Design, mit viel Simulation und automatischer Codegenerierung. Eben und gerade als Startup. Weil es da noch viel mehr auf Effektivität im Entwicklungsprozess ankommt.

An der Schnittstelle von Forschung, Lehre und kommerzieller Anwendung können Sie eine ganz besondere Atmosphäre spüren, die ganz besondere Anforderungen birgt. Studenten wollen die Theorien und Konzepte, die sie lernen, auch praktisch erfahren, und durch Anwendung die Wirkweisen tiefer verstehen. Forscher haben gerade heute immer weniger Zeit, erst lange Infrastrukturen zu schaffen, und sind gut beraten, auf den Schultern von Riesen zu stehen und von dort aus höher zu blicken und zu greifen, und tatsächlich Neues herauszufinden und zu entwickeln. Diese Ideen und Prototypen dann zu Innovationen und schließlich zu Produkten und Geschäftsmodellen weiterzuentwickeln, das ist es schließlich, was das Ökosystem rund um die Universitäten und Hochschulen ausmacht.

Eine Idee rasch ausprobieren zu können, ist heute besser möglich denn je: Modellierung, Berechnung und Simulation geben mir als Innovator Rückmeldung über die Tragfähigkeit des technischen Konzepts, ohne, dass ich Unsummen in Aufbauten stecken muss, nur um dann noch einmal alles über den Haufen zu werfen.

Ein Konzertsaal

Concert HallEines ist allen drei Bereichen – Forschung, Lehre, Unternehmertum – gemein: Die Wertschöpfung kommt aus dem jeweiligen Anwendungsbereich, nicht daraus, dass sich jeder wieder alles an Tool-Infrastruktur selber zusammenstrickt.

Wie ein Konzertsaal für Orchester, so sind  MATLAB und Simulink Teil der wissenschaftlichen Infrastruktur von akademischen Organisationen. In diesem Konzertsaal musizieren die verschiedenen Instrumentalisten dann gemeinsam – jeder mit seinem Instrument, aber alle profitieren vom Klangbild, das der Konzertsaal daraus formt.

Unabhängig davon, ob Sie gerade noch lernen, ob Sie forschen, ob Sie lehren oder ob Sie gründen oder entwickeln – das MATLAB Ökosystem ist die Umgebung für alle Phasen der Entdeckung und Innovation.

Es geht um Wissen und Fähigkeiten. Und darum, beides auf die Straße zu bekommen.

Warum gerade ich Ihnen heute davon erzähle? Ich arbeite seit über 15 Jahren in und mit Anwenderorganisationen jeglicher Größe, aus beinahe allen Industrien, Unternehmen, Startups, Forschungseinrichtungen, Universitäten, Hochschulen. Als gelernter Informatiker interessiert mich freilich besonders das verbindende Element zwischen ganz verschiedenen Disziplinen. Was bringt technologisch die größten Fortschritte?

Es ist Mathematik, die die Dinge antreibt.
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Es ist angewandte Mathematik, automatisiert durch Computersysteme. Ob Differentialgleichungen in Ingenieurwesen, Auto, Aero und Chemie, Ablaufbeschreibungen, Filter und Protokolle in der Kommunikationstechnologie: Hinter allem steckt Mathematik. Die Theorie, das Verständnis der Mathematik ist also essentiell in vielen Disziplinen. Der springende Punkt ist, die Wissenschaft, die Theorie erfahrbar zu machen. Denn Industrie und Forschung brauchen Absolventen, die die Theorien tatsächlich anwenden können.

Das Dreieck Forschung, Lehre, Entwicklung

In einer Umfrage von YouGov in Großbritannien wurden Führungskräfte aus Industrie und Universität befragt über den Zustand der MINT-Fähigkeiten. Die Kernfrage, ob ausreichend fähige Kandidaten von Universitäten abgingen, um den Ansprüchen von MINT-Arbeitgebern zu genügen, wurde von 59% der Industrievertretern und 79% der Professoren mit Nein beantwortet. Was können wir alle tun, um das zu verbessern?

Betrachten wir die drei Richtungen Entwicklung, Forschung und Bildung.  In jeder Richtung beschäftigen wir uns zunächst mit dem Begreifen einer Problemstellung, dann mit dem Entwurf einer Lösung, dann mit der Umsetzung und schließlich mit dem Betrieb dieser.

Edu Triangle – Forschung, Lehre, Entwicklung: CDIO model
Edu Triangle* – Forschung, Lehre, Entwicklung: CDIO model

Das CDIO Framework, das von immer mehr Lehreinrichtungen weltweit eingesetzt wird, beschäftigt sich mit eben diesen vier Paradigmen Conceive – Begreifen, Design – Entwurf, Implement – Umsetzung, Operate – Betrieb.

Um zu verstehen, wo was stattfindet, können wir eine Trennlinie ziehen, mit vorrangig kommerziellen Feldern oben und universitären Feldern unten. Sie sehen, dass der Austausch zwischen Industrie und Forschung in die eine Richtung unter anderem in Sachen Recruiting besteht, in der anderen Richtung auch über Tools und Infrastrukturen.

Aus der Forschung wandern Erkenntnisse in die Lehrpläne auf der rechten Seite. Der Austausch zwischen Lehre und Industrie wiederum wird bestimmt durch Recruiting bzw. Anforderungen und Wünsche an die Lehrpläne.

Edu Triangle – Forschung, Lehre, Entwicklung: Abhängigkeiten
Edu Triangle* – Forschung, Lehre, Entwicklung: Abhängigkeiten

In allen drei Bereichen steigen die Anforderungen. Forschung möchte mehr direkt verwendbare Bildung haben, die Studenten sollen rascher in der Forschung zu Ergebnissen kommen. Unternehmen brauchen Absolventen, die solide theoretische Kenntnisse haben, diese aber auch praktisch anwenden können. Und Studenten selbst möchten sehen, wozu sie das alles lernen sollen, was sie damit anzufangen und zu bewegen vermögen.

Praxiserfahrung

Praktika existieren in Form der Berufsausbildung schon länger als die akademische Bildung. Ein zunehmend populärer Weg an Universitäten, die Verbindung von Theorie und Praxis zu erreichen, sind Studentische Wettbewerbe. Als Beispiel sei hier Formula Student Germany genannt, ein Konstruktionswettbewerb für Rennfahrzeuge mit Verbrennungs- bzw. Elektromotoren, mit 115 teilnehmenden Teams aus mehr als 30 Ländern – bei deutlich mehr als 160 Bewerbungen. Es freut mich, dass unser Paket rund um MATLAB & Simulink, zusammen mit Online-Trainings und dem Video-Podcast MATLAB & Simulink Racing Lounge den Teams aus aller Welt hilft, ihr System zu entwerfen, zu fertigen und zum erfolgreichen Fahren zu bringen.

Studentische Wettbewerbe gibt es mittlerweile in vielen Disziplinen und Arten – Big Data ebenso wie Drohnen, oder Robotik: In gut eineinhalb Monaten findet in Leipzig das Finale des Robocup statt, den MathWorks ebenso unterstützt.

An vielen Universitäten sehen wir, dass mehr projektbasiertes Lernen – und es muss nicht immer so groß sein wie Formula Student – diese Verbindung aus Theorie und Praxis schaffen hilft. Hoffentlich mit Themen, die die Studenten interessieren.

Gründen

Die Frage ist nun: Wie können Sie mit MATLAB in allen drei Bereichen Lehre, Forschung und Unternehmertum arbeiten? Nahezu alle Universitäten weltweit haben in irgendeiner Form MATLAB im Einsatz. Über 650 Universitäten gehen einen Schritt weiter und verfügen über Campusweiten Zugang, d.h. alle Uni-Angehörigen – Professoren, Forscher, Assistenten, Studenten – können MATLAB und Toolboxen auf allen ihren Geräten und denen der Universität nutzen. 70 Universitäten in Deutschland haben diese Campus-Lizenz bereits, auch viele der hier im Saal Anwesenden nutzen das.

Das stellt schon mal sicher, dass die Infrastruktur für Forschung und Lehre die gleiche ist, dass Studenten mit denselben mächtigen Werkzeugen arbeiten können wie später in der Forschung, oder in Unternehmen.

Was aber ist mit dem Übergang von Forschung zu Unternehmertum? Was, wenn eine Forschungsarbeit so gut und vielversprechend ist, dass sich Studenten und Forscher zusammentun, und ein neues Startup gründen, vielleicht bootstrappen? Liquidität ist da noch nicht ausgeprägt, und besonders bei Werkzeugen und Software klemmt’s vielleicht.

MathWorks wurde vor 32 Jahren (20 hex übrigens), ebenfalls als Privatunternehmen gegründet und ist es noch heute. Unserem Chef und Gründer, Jack Little, ist es ein Anliegen, dass auch heutzutage Gründer die ganze Power der Numerik und der ganzen Mathematik nutzen können.

Deshalb gibt es das MathWorks Accelerator Programm für Gründerzentren und Inkubatoren, bei dem Startups für ein Jahr alle unsere Tools gratis nutzen können. Dann geht es unter Umständen – auch für alle, die nicht in Gründerzentren sitzen – ins Startup Program, das auch vom Invest her eine Brücke schlägt zwischen Universität und kommerzieller Nutzung. Mit UnternehmerTUM Kickstart und TechFounders nutzen zwei Gründerzentren hier aus der Region bereits das Angebot, und deutschlandweit noch einige mehr.

Machen

Abschließend möchte ich sicher gehen, dass Sie aus diesem Impuls drei Dinge mitnehmen:

  1. Für Sie als Professoren und Lehrschaffende: Sprechen Sie mit den Firmen in Ihrem Umkreis darüber, wie diese MATLAB & Simulink für Innovation einsetzen.
  2. Für Sie als Firmenvertreter: Sprechen Sie mit Profs, wie sie mit MATLAB & Simulink effektiv lehren.
  3. Für Sie als Student und Forscher: Machen Sie was. MATLAB & Simulink hilft Ihnen, Ihre Ideen flott umzusetzen.

Denn das ist unser Motto, das ich im englischen Original stehen lassen möchte:

”Accelerating the Pace of Engineering and Science“.

Photo: Maria Oik on Flickr, License CC-BY.

Grafik: Joachim Schlosser, basiert auf einer Grafik in Joachim Schlosser, Coorous Mohtadi, and Owen McAree. “Bridging the Skills Gap in STEM Industries”. In: Proceedings SEFI Conference. Birmingham, Sept. 2014.

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