Eine wunderbare Reise. Nur ein paar Tage unterwegs, doch Eindrücke für ein ganzes Jahr. Weite Landschaften. Schroffe Felsen. Erstaunliche Formationen.
Wir waren unterwegs, Kollege und ich, im Westen der USA. Ausgehend von San Diego führte uns unser Weg in einer großen Schleife durch Arizona bis Utah und wieder zurück.
Die Fotogalerie zeigt meine persönlichen Highlights der Reise. Reisefotos sind meist wertvoller für den, der die Reise gemacht hat als für den, der die Fotos betrachtet. Das ist mir bewusst, und das ist wohl auch hier der Fall. Das ist okay. Dieser Post ist nicht dafür verfasst, große Scharen an Lesern anzusprechen. Dieser Post ist für mich.
Die Meditation
Diese Fotogalerie ist für mich. Die Fotos erinnern mich an die Weite der Landschaft, an die Stille und den Blick. An das überwältigende Gefühl, das die Mächtigkeit der Geologie in mir auslöst. Ein ähnliches Gefühl habe ich nur auf einem Gipfel in den Alpen, und doch ist das anders. Die Alpen – das ist Fülle. Fülle an Formen, an schroff aufragenden Felsen.
Der Grand Canyon jedoch – das ist eine Ebene, tief ausgehöhlt. Keine Erhebung, sondern eine Vertiefung.
Das Monument Valley – ebenfalls eine Ebene, nur fast vollständig zur Ebene ausgehöhlt.
Die Prärie schließlich ist nur noch Ebene. Leere. Nichts. Noch nicht einmal andere Autos oder Menschen in nennenswerter Zahl.
Dieses Gefühl der Leere ist wunderbar. Die Leere hat für mich etwas meditatives.
Muss ich dafür nun jedes mal nach Arizona fahren? Nein. Denn dieses Gefühl des Nichts kann ich auch so erzeugen. Die Erinnerungen helfen mir zusätzlich.
Salton Lake
Die Reise nimmt ihren Anfang in San Diego, und führt uns nach einigen Autostunden zunächst vorbei am Salton Lake. Ein See, entstanden aus Versehen Anfang des vorigen Jahrhunderts. Seitdem ist sein Zulauf beinahe versiegt und er versalzt zusehends. Das führt zu einer sehr surrealen Umgebung. Eine vollständige Stadt ist angelegt, mit Straßen, vielen Stromleitungen. Doch nur jedes hundertste Haus steht, die Straßen sind Jahrzehnte alt und brüchig, und die Palmen abgebrochen. Es riecht stark nach Fisch und Verwesung. Am See selbst laufen wir vom »Jachthafen« über den breiten Strand, der Boden knirscht unter unseren Schritten wie grober Sand. Doch es ist kein Sand, sondern über die Jahre zertretene Fischgerippe.
Hier fühle ich das Scheitern. Hier hat einer etwas versucht, und es ging nicht. Ganz offensichtlich ging es nicht. Weil der See langsam verschwindet. Wer möchte hier wohnen?
Joshua Tree National Park
Der Joshua Tree National Park hat eine Eigenheit, die uns auf unserer Reise noch öfters begenen wird: In einem weiten Tal dominiert eine einzige Pflanze wie eine Kakteenart. Im nächsten Tal, nur wenige Kilometer weiter, kommt diese Pflanze überhaupt nicht vor, dafür eine ganz andere. Und in einem Tal eben stehen die namensgebenden Joshua Trees, eine Palmlilie.
Uns beeindrucken auch die wie Riesenmurmeln verstreuten Granitfelsen, groß, rund gelutscht vom Zahn der Zeit. Sie laden uns zum herumklettern ein, Die Oberfläche ist sehr griffig, sehr rau. Ich bekomme gut Halt, doch schmirgelt der Stein auch ganz schnell mal ein Stück Haut ab.
Im Joshua Tree Park haben wir an einer Stelle Aussicht auf die San-Andreas-Verwerfung, wo die pazifische Platte und die nordamerikanische Platte aneinander vorbei schrammen. Es ist kalt oben am Aussichtspunkt, doch vielleicht schaudert mich auch nur beim Anblick dieses Manifests geologischer Kraft.
Grand Canyon
Am Morgen danach erreichen wir den Grand Canyon. Wir haben uns den ganzen Tag Zeit genommen, brauchen also nicht hetzen. Für einen Abstieg wird die Zeit nicht reichen, und ist in dieser Jahreszeit auch nicht empfohlen, die Tage sind zu kurz.
Sind wir am touristischen Zentralpunkt? Ja, sicher, zu Anfang. Je weiter wir aber nach Westen spazieren, desto leerer wird der Pfad. Die Absperrgitter und Zäune verschwinden, und wir treten direkt an den Canyon heran.
Der Blick in den Canyon – vor allem von dem Felsvorsprung in den Fotos oben – ist für mich eine Begegnung mit Gott. Und mit mir selbst. Ich bin völlig und ganz bei mir und gleichzeitig mit allem. Ein derart starkes Gefühl kenne ich sonst nur aus den Alpen.
Millionen Jahre liegen deutlich sichtbar vor mir. Die Prozesse, die die Alpen entstehen ließen, sind nicht direkt sichtbar, bei uns ist überall Vegetation an den Hängen. Die Prozesse, die zur Entstehung des Grand Canyon führten, sind für die letzten knapp sieben Millionen Jahre gut zu sehen: Ein Fluss, der sich Millimeter für Millimeter in den Stein schleift, immer tiefer.
Wer noch Fragen hat, ob kleine Handlungen, lange wiederholt, zum Erfolg führen können, kann hier die Antwort sehen. Ein Fluss, der in sieben Millionen Jahren über 1500 Meter tief gräbt. Das hier ist das Persistenz-Manifest überhaupt.
Wir bleiben am Grand Canyon, bis sich die Sonne dem Westen entgegen neigt, und fahren hoch zufrieden weiter.
Monument Valley
Das Monument Valley kurz hinter der Grenze nach Utah ist bekannt für seine Felsnadeln und schroff abfallenden Felsplateaus. Viele Westernfilme haben hier Aufnahmen gemacht. Doch im Verlauf des Tages stellen wir fest: Die haben alle dieselben vier Felsformationen gefilmt, arg viel mehr gibt es hier nicht.
Auch hier ist Geologie direkt und ohne störende Vegetation zu sehen: Wie gigantische Felsmassen ein Plateau formten und dann über Millionen von Jahren bis auf wenige Stücke weggewaschen wurden. Dazwischen ragen immer wieder uralte Vulkanspitzen auf, gut von den anderen Felsen zu unterscheiden durch die dunkle Farbe.
Petrified Forest
Im Südosten Arizonas kommen wir in einen Nationalpark, der ein sehr surreales Spektakel bietet: Hier liegen über Quadratkilometer hinweg versteinerte Baumstämme herum. Baumstämme, die in all der Versteinerung teilweise sogar noch ihre Farbe haben, teilweise durch die Quarze allerlei bunte Farben aufweisen.
Sie kommen langsam zum Vorschein nachdem sie Millionen von Jahren unter Schlamm und dann Kalk- bzw. Sandstein verborgen waren, und zerfallen. Die runden Hänge aus Kalkstein lassen die Szenerie noch unwirklicher erscheinen, wir wähnen uns bisweilen auf einer Kalk-Abraumhalde.
Wer sehen will, wie eine Versteinerung aussieht, ist hier genau richtig. Wir bleiben im Park, bis uns der Ranger hinauskomplimentiert.
Meteor Crater
Irgendwo in Arizona ist vor gerade mal 50’000 Jahren ein Meteorit eingeschlagen. Das ist erdgeschichtlich eben erst gewesen, und durch das trockene Klima in Arizona ist der Krater sehr gut erhalten. Leider handelt es sich nicht um einen gut zugänglichen Nationalpark, sondern die Nachfolgeorganisation des Bergbauunternehmers Barringer, der Anfange des vergangenen Jahrhunderts erfolglos nach dem Eisenmeteoriten suchte und darüber Pleite ging, hat ihn touristisch erschlossen und beschränkt den Zugang auf einen festen Berech am oberen Rand.
Dennoch beeindruckt uns der Krater. Viel kleiner als das Nördlinger Ries bei mir in der Gegend, ist hier der Krater deutlich zu sehen; fast keine Vegetation und kaum Erosion hat die Konturen verblassen lassen.
Die Reise führt uns zurück nach San Diego, vorbei an übel riechenden, endlosen Feldern nahe der mexikanischen Grenze, über Geröllberge, die aussehen als hätte man unseren Mittelgebirgen die Grasnarbe entfernt. Hinab in das Tal, dem Pazifik entgegen.
Danke
Danke für diese Reise.
Danke an meinen Kollegen, der mit mir zusammen fünf Tage unterwegs war.
Danke an meine Frau Julia, die zu Hause die Kinder ganz alleine hütete und den ganzen Laden schmiss.
Danke.
Re-Post von www.joachimschlosser.de/2014/grandcanyon/
Schreiben Sie einen Kommentar