Stoa in moderner Sprache: The Subtle Art of Not Giving a F*ck

Wir machen uns alle viel zu viel Gedanken um Dinge, die für unser eigenes langfristiges Wohlergehen nicht relevant sind. Ich auch. Der Rat in The Subtle Art of Not Giving a Fuck: Kümmere dich nicht um jeden Mist.

The Subtle Art of Not Giving a Fuck: A Counterintuitive Approach to Living a Good Life von Mark Manson hat mich angesprochen, weil es in sehr klarer Sprache benennt, was das übermäßige Einmischen und Denken an Dinge bringt oder besser nicht bringt, die für langfristiges Glück nichts nutzen.

Versuch es nicht – Streben nach Glückseligkeit als Problem

Cover


Herrje, da müht man sich ab, und dann legt der Autor Mark Manson schon im ersten Kapitel los mit „Versuch es nicht.“ Dies begründet er damit, dass wir als Menschen eben ein Bewusstsein haben und damit oft in eine negative Feedbackschleife geraten. Weil wir ja immer besser werden wollen in allem möglichen, und es aber in den meisten Feldern nicht schaffen, und davon wiederum die meisten Bereiche auch gar nicht wichtig seien.

Also, schreibt er: Hör auf, es zu versuchen, in allem unbedingt glücklich zu sein. Wer immer danach strebt, glücklich zu sein, dem wird meist auffallen, wo er eben nicht glücklich ist. Anstatt das Leben einfach mal so anzunehmen, ohne Anspruch, unbedingt Glück erfahren zu wollen.

Damit kann ich mich sehr gut identifizieren.

Manson schreibt, je weniger wir uns darum sorgten, was uns zum Glück fehle, und je mehr wir einfach die Realität annehmen, umso mehr fänden wir Glück einfach so. Glück – zumindest langfristiges – entsteht dadurch, sich seine Herausforderung zu suchen, sein Scheitern zu wählen. Er legt dem Leser nahe, den Wert des Leidens zu sehen, zumindest soweit es nicht elementare Dinge des Lebens betrifft. Leiden also als Erste-Welt-Leiden. Und dann genau diese Leiden nicht so tragisch zu sehen. Denn die meisten Probleme, die wir haben, sind gemessen an dem, was der Rest der Menschheit außerhalb der ersten Welt an Problemen hat, „Rock Star Problems“, wie er schreibt. #FirstWorldProblems heißt das bei Twitter.

Viele dieser Probleme wiederum resultieren aus schlechten Werten. Eine Gesellschaft, die Höflichkeit höher schätzt als Ehrlichkeit, wird immer größere Konstrukte um die Ehrlichkeit drumherum brauchen, ohne dass die Menschen glücklicher werden. Im Gegenteil, die unhöfliche Ehrlichkeit kommt irgendwann noch viel stärker ans Licht, als wenn Ehrlichkeit immer da ist. (Siehe politische/gesellschaftliche Diskussion in Deutschland und USA.)

Damit ist Mark Manson bei den Lehren des Buddhismus und den griechischen und römischen Stoikern. Letztere gibt es übrigens ganz hervorragend auf die heutige Zeit angewandt in Ryan Holidays The Obstacle is the Way (meine Buchbesprechung zu Holiday). Ihm geht es nicht um ein glückliches Leben (happy life), sondern ein gutes Leben (good life), wie ja schon der Zusatz im Titel des Buches sagt.

Du bist nicht besonders

Der nächste Teil von The Subtle Art of Not Giving a Fuck widmet sich der These, dass du und ich eben nichts besonderes sind und auch nicht sein müssen. Manson schreibt von der „Tyrannei der Einzigartigkeit“ und dass wir alle meinen, ganz außergewöhnlich sein zu müssen.

Diese Tyrannei, so der Autor, sei der Grund dafür, dass alle immer höher, schneller, weiter zu müssen meinten. Das eigene Selbst gemessen am Grade der Außergewöhnlichkeit.

Noch so ein Thema, von dem ich mich angesprochen fühle. Was ist mein besonderer Beitrag auf Erden? Vielleicht eben gar keiner, außer ein gutes Leben mit meiner Familie zu leben. Sagt übrigens auch Die Frau™.

Du wählst immer

Es gibt einen Unterschied zwischen Verantwortung und Schuld, und zu oft bringen wir beides durcheinander. Manson illustriert das mit etwa mit einem Baby, das beispielsweise bei mir auf der Türschwelle liegt. Ich bin nicht schuld, dass es da liegt, aber nun ist es in meiner Verantwortung zu entscheiden, was ich tue.

Verantwortung ist ein wesentlich zielführenderes Konzept als Schuld. Interessanterweise ist dies sogar in der Politik üblich: Jemand sagt, er übernähme die Verantwortung für einen Vorfall. Damit sagt er nicht, er hätte Schuld daran. Wichtiger Unterschied.

Wie wird man am leichtesten Verantwortung los? Indem man sich zum Opfer macht. Mark Manson nennt das Victimhood Chic. Wer Opfer ist, wähnt sich frei von Schuld und Verantwortung. Während man über Schuld diskutieren kann oder es einfach lassen, weil die Schuldfrage meist irrelevant ist, ist es falsch, eben keine Verantwortung zu übernehmen. Denn auch wenn ich etwas nicht verursacht habe: Wenn es mich betrifft, dann bin ich automatisch verantwortlich dafür, was ich nun damit anfange.

Letztendlich rät Mark Manson damit, wir sollten unterscheiden zwischen der Interessensphäre und der Einflusssphäre, wie schön in Stephen Coveys 7 Wege zur Effektivität (meine Buchbesprechung zu Covey) beschrieben ist, und uns nur um die Einflusssphäre kümmern.

Damit fühle ich mich schon wohler. Das kenne ich. Bisweilen falle ich noch vom Wagen – privat leichter als beruflich – aber prinzipiell wende ich das an.

Du liegst in allem daneben

Das ist der wissenschaftliche Ansatz: Alles ist eine Hypothese. Das, was wir als wahr annehmen, ist lediglich noch nicht widerlegt worden.

Auch im Kleinen liegen wir oft daneben, weil wir unsere Ansichten letztlich selbst konstruieren. Siehe dazu auch meine Besprechung von Paul Watzlawicks Wie wirklich ist die Wirklichkeit (meine Buchbesprechung zu Watzlawick).

Sein Rat: „Sei vorsichtig mit dem, was du glaubst.“

Wenn ich mir über alles mögliche völlig sicher bin, dann liege ich sicherlich mit einigem daneben. Wahre Experten kennen die Grenzen ihrer Wahrheiten und erwähnen diese Grenzen auch.

Hängen geblieben aus dem Kapitel ist mir Manson’s Law of Avoidance:

Wir versuchen also immer, unser Selbstbild mit unseren Handlungen zu bestätigen, und vermeiden alles, was unser Selbstbild verändern könnte.

Oh ja. Das kenne ich.

Misserfolg ist der Weg nach vorne

Wer alles weiß, kann nichts mehr lernen und damit nicht mehr wachsen. Etwas nicht zu wissen, nicht zu können, also einen Misserfolg zu haben, ist also die Voraussetzung dafür, etwas neues zu erfahren.

Und das muss das Ziel sein. Der Erfolg liegt also im Lernen. Das nennt Mark Manson das Misserfolg/Erfolg-Paradoxon.

Probleme kommen dann, wenn wir externe Ziele als Erfolgskriterien annehmen, extern in dem Sinne, als dass wir sie nicht letztendlich selbst beeinflussen können. Bessere Werte sind prozessorientiert. Da kann ich jedes Mal sehen, ob ich erfolgreich war, diesen Wert zu leben, und bin dennoch nie fertig.

Was meine Tochter schon sehr gut verinnerlicht hat – sie ist ein Übe-Monster – ist, dass „Schmerz Teil des Prozesses“ ist. Und dass wir nicht unbedingt Motivation brauchen, bevor wir etwas tun können. Die Abfolge ist nämlich anders herum. Mark Manson nennt dies das Tu-irgendwas-Prinzip:

Gemeinhin bekannt sollte mittlerweile die Bedeutung des Nein-Sagens für das Wohlergehen sein. Jedes Mal, wenn ich eine Anfrage zurückweise, stärkt dies meinen Fokus und setzt Grenzen, und das wiederum stärkt das Vertrauen.

Die andere Seite von Nein-Sagen ist Verbindlichkeit. Wenn ich also etwas zusage, dann verbindlich, und nur diesem. Manson liefert als Beispiel die Ehe, als Zusage an genau einen Menschen und Absage an viele andere. Ich bin mit meinem Lieblingsmensch nun schon über zwanzig Jahre zusammen, und das ist wirklich die beste Verbindlichkeit meines Lebens.

Verbindlichkeiten – englisch Commitment – erlauben es nämlich, in wenigen Dingen dafür viel tiefer zu gehen. Da, wo wir uns mittlerweile bewegen, kommen Menschen, die sich in seriellen Beziehungen ergehen, eher gar nicht hin. Weil wir eben nicht mehr abgelenkt sind, bedeutet das eine große Freiheit.

Und nun? Auswirkung, Kontext

Der Titel der deutschen Übersetzung ist „Die subtile Kunst des darauf Scheißens“, was ich ziemlich daneben finde. Zum einen, weil in meinem Sprachgefühl der englische Titel weniger offensiv klingt, und zum anderen weil der deutsche Titel die Bedeutung nicht ganz trifft. Da stelle ich mir eher etwas vor wie „Die subtile Kunst, sich einen Scheißdreck zu kümmern“ oder „Die subtile Kunst, sich einen feuchten Dreck zu interessieren“, oder auch näher am Originalkonstrukt „Die subtile Kunst, einen Scheiß drauf zu geben.“

Mark Manson schreibt anschaulich, betont lässig, kokettiert mit der eigenen Vergangenheit. Er schreibt nichts, was man nicht schonmal woanders gelesen hat, und das vermutlich nuancierter, durchdachter. Und doch hat mich sein The Subtle Art of Not Giving a Fuck: A Counterintuitive Approach to Living a Good Life angesprochen.

Freilich fällt The Subtle Art of Not Giving a Fuck in die Kategorie Küchenphilosophie. Und genau das macht nichts. Denn das heisst, dass mehr Menschen – inklusive mir – immer wieder den Zugang dazu finden. Und das kann man versnobt ablehnen, oder als hilfreich begrüßen. Ich entscheide mich für letzteres.

Weil Mark Manson eben im Hier und Heute schreibt. Seine Analysen und Empfehlungen sind nicht grundlegend neu – wenn ich da Der Frau™ zuhöre, bekomme ich die gleichen Themen in tieferen Analysen und Handlungsempfehlungen. Wobei ich bislang Der Frau™ nicht erfolgreich antragen konnte ihre gesammelten Gedanken als Buchreihe zu veröffentlichen.

Mir jedenfalls bringt das Buch wieder Gedankenanregungen, vor allem da seine Inhalte gut zu Gesprächen passen, die ich mit Der Frau™ ohnehin führe, wie bei so vielen Büchern, die ich lese. Ich lese und lese und stelle immer wieder fest: Das ist im Grunde das, was Die Frau™ immer sagt.

Audiobook / Hörbuch

Zur deutschen Übersetzung „Die subtile Kunst des darauf Scheißens“, kann ich leider nichts sagen, weil ich nur das englische Original “The Subtle Art of Not Giving A Fuck: A Counterintuitive Approach to Living a Good Life” als Hörbuch vor mir habe.

Der Sprecher Roger Wayne spricht gut verständliches Englisch, nicht zu langsam, nicht zu schnell, so dass ich gut auf einfacher Geschwindigkeit hören konnte. Er betont gut und nicht übertrieben.

Locker bleiben

Und wie siehst Du das? Worüber machst du dir einen Kopf, ohne dass es etwas hilft?

Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!

Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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Kommentare

Eine Antwort zu „Stoa in moderner Sprache: The Subtle Art of Not Giving a F*ck“

  1. Avatar von Philipp

    „Ich lese und lese und stelle immer wieder fest: Das ist im Grunde das, was Die Frau™ immer sagt.“

    Berufliche befasse ich mich viel mit Platon (dem Philosophen aus dem alten Griechenland) und daher auch mit der Eudaimonie, der Frage nach dem guten Leben, welches wiederum glücklich macht, was ja schließlich das Ziel ist (oder?).
    Anstrengende Lektüre, lohnt sich aber.

    Interessanterweise habe ich die selbe Erfahrung mit meiner Frau auch schon oft gemacht gemacht. Jahrelang denke ich nach und diskutiere, nur um festzustellen, dass mir meine Frau das am Anfang schonmal versucht hatte zu erklären.

    Oder um es mit Goethe zu sagen: „Da steh’ ich nun, ich armer Thor! Und bin so klug als wie zuvor“.

    Auch wenn ich hier gerade Platon und Goethe anführe, stimme ich Ihnen vollkommen zu Herr Schlosser, man kann Küchenphilosophie „versnobt ablehnen, oder als hilfreich begrüßen. Ich entscheide mich für letzteres.“ Und gerade weil ich am Ende doch immer wieder das Gefühl habe so klug wie zuvor zu sein, macht es Sinn, sich die naheligenden Weisheiten, die ja nun wirklich nicht neu, originell oder schwer zu verstehen sind, ins Gedächtnis zu rufen oder rufen zu lassen.

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