Was macht mich aus? Welchen Mehrwert kann ich bieten? Und ist das fest für alle Zeit, oder kann sich das wandeln? Svenja Hofert gibt in ihrem Buch „Was sind meine Stärken? Entdecke, was in dir steckt“ ein Modell für diese Fragen.
Bücher über Stärken und Begriffsmodelle, wie man diese bestimmt gibt es viele. Zu nennen sind hier etwa:
- Travis Bradberry / Jean Greaves – Emotional Intelligence 2.0. Ein Modell für EQ, kurz besprochen in meinen Büchern 2016.
- Tom Rath – Strengths Finder 2.0: Der Gallup Strengths Finder, kurz besprochen in meinen Büchern 2014.
- Myers-Briggs-Typenindikator®: der Klassiker unter den Stärkentests, leider auch ziemlich ungenau und wissenschaftlich überholt.
- DISC Personality Test: zu deutsch DISG, steht für dominant, initiativ, stetig, gewissenhaft. Kann man auch online machen. Auch dieses Modell gaukelt Wissenschaftlichkeit vor, wo keine mehr ist.
- Fünf-Faktoren-Modell oder „Big Five“: Gibt’s auch in einer freien Abwandlung online, inklusive Übersetzungen der Begriffe.
Wieso nun noch eines von Svenja Hofert? Svenja Hofert (Twitter: SvenjaHofert) ist Coach in Sachen Karriere, Beruf, Berufung übrigens mit gutem Blog. Ein Stärkenmodell ist also für sie nicht primär wissenschaftlich interessant, sondern als Werkzeug für ihre Arbeit. Und genau so schreibt sie es auch.
Ihr Buch „Was sind meine Stärken?“ hat mich angesprochen, weil Svenja sehr pragmatisch und geerdet schreibt, gleichzeitig aber wohl den Hintergrund und die saubere Methodik hat. Dieser Beitrag führt die Kurz-Rezension aus meinen Büchern 2017 aus.
Ein Stärkenmodell
Der erste Teil von „Was sind meine Stärken?“ beschreibt die Zielsetzung und die Entstehung des Modells, sowie die Vorgehensweise.
Anders als viele andere Modelle nimmt Svenja Hofert nicht für sich in Anspruch, hoch wissenschaftlich hundertprozentig zu liefern. Wohl durchdacht kommt ihr Ansatz daher, aber eben nicht mit dem Anspruch auf eindeutige Zuordnung, sondern auf praktischen Nutzen.
Was mir auch gefällt: Manch anderes Modell gibt die Ergebnisse als Persönlichkeitsmerkmale, die über die Lebensdauer eines Menschen statisch zu sein scheinen. Dagegen hebt „Was sind meine Stärken?“ hervor, dass das immer momentane Stärken sind.
Momentane Stärken sind das, was uns unser Leben bisher eben an Stärken beschert hat. Meist werden sich die Stärken nicht komplett drehen, und wenn dann auch eher langsam als schnell. Auf jeden Fall sind Stärken etwas, das sich wandeln kann und das ich vor allem entwickeln kann. Eine Stärke kann eben auch aus Erfahrung heraus entstehen in einem Feld, das vielleicht ursprünglich gar nicht so mein Fall war. Diesen Ansatz verfolgt übrigens auch Cal Newport in seinem Buch „So Good They Can’t Ignore You“ – siehe auch meine Rezension über Newport.
Stärken sind wie Muskeln: Man kann sie trainieren, man kann Muskeln an Stellen hin trainieren, an denen man sonst eher schwach unterwegs ist, und man muss Stärken benutzen, um sie zu behalten und zu verbessern.
Stärken sind außerdem relativ. Da hilft es, den Fischteicheffekt zu kennen, den ich übrigens zuerst in Malcolm Gladwells „David und Goliath“ – siehe auch meine Rezension zu „David und Goliath“ gelesen habe: Oft ist es besser, ein relativ großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein, als mit selber absoluter Größe ein Winzling in einem riesigen Teich.
Arten von Stärken
Svenja Hofert schildert ihr Modell ebenso eindringlich wie eingängig. Sie unterscheidet drei Arten von Stärken:
- Leitstärken sind das, was wir üblicherweise als Talent wahrnehmen, oder was schon sehr früh ins Bewusstsein rückt. Es sind Stärken, die andere mit größerer Wahrscheinlichkeit direkt wahrnehmen und auf Nachfrage benennen können.
- Begleitstärken unterstützen die Leitstärken. Sie sind weniger ausgeprägt als diese, sind aber dergestalt damit verbunden, dass die Leitstärken erst durch passende Begleitstärken wirklich wunderbar zu nutzen sind.
- Waagenstärken sind Stärken, die gerne mal auf der Kippe sind und Nachteile bringen, wenn wir sie zu ausgeprägt leben. Der Kritiker ist eine tolle Stärke, außer er kann gar nicht mehr anders als alles und jeden bis zum Erbrechen zu kritisieren.
Schon diese Unterteilung finde ich sinnvoll. Wir haben nicht nur einfach Stärken, sondern meine Stärken sind unterschiedlich ausgeprägt, und damit auch unterschiedlich zu nutzen, zu trainieren, zu beobachten.
Verschiedene Rollen in Organisationen brauchen verschiedene Stärken, und sind wahrscheinlich mit Personen besetzt, die einige passende Stärken schon haben, aber eben nicht alle.
So gibt es dann natürlich Ist-Stärken und Soll-Stärken. Klar, denn wenn ich davon ausgehe, dass ich eine Stärke nicht einfach habe, sondern entwickeln kann, dann ergibt es einen Sinn von Soll-Stärken zu sprechen. Es besteht dann begründete Hoffnung, man könne sich eine Stärke durch geeignetes Training entwickeln.
Zur Stärkenentwicklung gibt Svenja Hofert einige Hinweise – nichts, was nicht auch durch Nachdenken nachvollziehbar ist, aber dennoch hilfreich: bewusstes Training, Training mit Rückmeldung, Training auch in sicherem Kontext, und vieles mehr.
50 Stärken in 5 Gruppen
Im zweiten Teil listet „Was sind meine Stärken? Entdecke, was in dir steckt“ fünfzig Stärken auf und gliedert diese in fünf Bereiche:
- Kommunikatoren
- Denker
- Künstler
- Lenker
- Manager
Die Gruppierung alleine ist schon interessant, weil eben die Stärken in der Gruppe Lenker verschieden zu denen der Gruppe Manager sind. Die einzelnen Stärken haben Namen, die auf den ersten Blick erkennen lassen, um was es sich wohl dreht.
Ein Beispiel ist der Schwachstellenfinder in der Gruppe Manager, nicht zu verwechseln mit dem Prüfer direkt daneben. Während letzterer sehr methodisch vorgeht, ist der Schwachstellenfinder auch ohne strenge Methode sehr findig.
Ein anderes Beispiel sind die drei Stärken Erfinder, Entwickler und Futurist. Wahrscheinlich fällt dir schon beim Lesen jetzt auf, dass es Unterschiede zwischen den dreien gibt, obwohl man bei grober Betrachtung sie ganz gern mal vermischt. Denn während ein Futurist weit vorausdenkende Szenarien ersinnt, geht ein Erfinder eher von konkreten Problemstellungen aus, und ein Entwickler hat dann das Zeug, Dinge auch tatsächlich umzusetzen.
Zu jeder Stärke gibt Svenja Hofert einige Sätze an, „was wahrscheinlich auf Sie zutrifft“. Damit erleichtert sie, die Stärken auseinander zu halten und einzusortieren, mit welcher Stärke ich mich selbst identifizieren kann.
Auswirkung, Kontext
„Was sind meine Stärken?“ ist ein ganz wunderbares Buch für mich. Den Gallup Strengths Finder fand ich zwar prinzipiell gut, musste mich aber ziemlich durchquälen. Den DISC Personality Test hatten wir in Form eines Trainings seinerzeit so locker und flockig, dass ich mir das schon fürs Team gut vorstellen konnte, aber letztendlich geht dieser von einem sehr statischen Menschenbild aus.
Svenja Hoferts Modell ist hinreichend einfach und hat vor allem ein offenes Menschenbild: Menschen können sich ändern. Stärken sind nichts statisches.
In den Rezensionen kann man durchaus Kritik lesen an Hoferts Buch – etwa weil es nichts darüber gäbe, wie man denn seine Stärken einem Arbeitgeber kommunizieren könne. Vielleicht bin ich zu pragmatisch, würde aber doch davon ausgehen, dass sich Stärken in Arbeitsergebnissen und Erfolgen niederschlagen, und dass man auf Nachfrage diese Erfolge dann durchaus einigen Stärken zuordnen kann. Auch Hoferts Rat, sich nicht allein auf Stärken aus dem künstlerischen Bereich zu verlassen, mag auf Kritik stoßen, ist jedoch einfach wirtschaftliche Realität.
Ich mag das Buch. Dazu gibt es einen kostenlosen und auch einen kostenpflichtigen Online-Test, der schon allein ob des geringen Preises im Vergleich zu anderen Persönlichkeitstests eine pragmatische Lösung darstellt.
Schreibstil und Audio
„Was sind meine Stärken?“ ist locker und anschaulich geschrieben, ein kurzweiliges Buch, bei dem dennoch etwas hängen bleibt.
Ich habe das Hörbuch zu „Was sind meine Stärken?“ genossen, gesprochen von Sabina Godec und Gordon Piedesack. Und ehrlich gesagt bin ich froh darüber. Ich mag Svenja Hofert sehr, könnte ihr eben nur ob ihrer Stimmlage nur schwer sechs Stunden lang beim Audiobook zuhören. (Vielleicht sollte ich sie mal mit Isabel García zusammenbringen, die auch Stimmtraining macht.)
Die zwei Sprecher Sabina Godec und Gordon Piedesack passen gut zusammen, die Aufteilung ist schlüssig, das ganze geht wunderbar ins Ohr.
Locker bleiben
Meine drei Leitstärken laut Online-Test sind übrigens Denker, Kommunikator und Manager.
Was sind Deine Stärken? Welches Stärkenmodell hast du schon ausprobiert, mit welchen Erfahrungen?
Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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