Dr. Joachim Schlosser

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Schnelles Denken, Langsames Denken: Daniel Kahneman – Thinking, Fast and Slow

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. So schrieb es Goethe in Faust I. Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman legt in seinem Buch Thinking, Fast and Slow von 2012 dagegen vor: Zwei Denksysteme bestimmen unser Handeln.

Ihnen hat Malcolm Gladwells Blink! Die Macht des Augenblicks zwar gefallen, möchten aber mehr Tiefgang und bessere Erklärungen? Dann sind Sie bei Schnelles Denken, langsames Denken bzw. Thinking, Fast and Slow von Daniel Kahneman genau richtig, Sie finden hier quasi die Primärliteratur. Daniel Kahneman ist Psychologe und hat viele Studien selbst durchgeführt oder mit Kollegen aus Psychologie und Wirtschaftswissenschaften diskutiert und entwickelt.

In seinem Wälzer setzt er ein Mahnmal zum bewussten Einsatz des Denkens. Er beschreibt, wie unser Denken in zwei verschiedenen Systemen abläuft. Das eine System entscheidet schnell, intuitiv, das andere langsam und bewusst. Wie die beiden interagieren bestimmt, wie gut wir mit Informationen umgehen.

Kahneman zeigt die Fallstricke von Statistiken auf und wie selbst in Statistik gebildete Menschen den verschiedenen Fallstricken wie Recency Effect und Availability Bias anheim fallen.

»Nimm die blaue Pille — die Geschichte endet, du wachst in deinem Bett auf und glaubst was du auch immer glauben willst. Nimm die rote Pille — du bleibst hier im Wunderland und ich werde dir zeigen wie tief das Kaninchenloch reicht.« Das ist nicht von Kahnemann, sondern aus Matrix, trifft aber auf Thinking, Fast and Slow hervorragend zu. Wenn Sie wollen, dass Ihr Weltbild so bleibt, wie es ist, dann lesen Sie das Buch besser nicht.

Dieses Buch wird noch in hundert Jahren und länger gelesen werden, da bin ich zuversichtlich.

In welchen Formen es Kahnemans Werk gibt?

  • Schnelles Denken, langsames Denken. Buch deutsch
  • Thinking, Fast and Slow. Buch englisch
  • Schnelles Denken, langsames Denken. Hörbuch deutsch
  • Thinking, Fast and Slow. Hörbuch englisch

Energieoptimale Entscheidungen

Zentrale Aussage von Thinking, Fast and Slow ist, dass unser Gehirn immer versucht, möglichst wenig Energie auf Entscheidungen zu verwenden. Unser intuitives, schnelles System 1 ermöglicht dies, liegt aber eben auch oft daneben. Unser logisches, langsames System 2 erlaubt es uns, Entscheidungen bewusst zu treffen, ist aber anstrengender zu benutzen.

Das heisst wenn wir es zulassen, werden wir in unserem Denken und Handeln – in unseren Entscheidungen – meist durch das System 1 gesteuert, weil es weniger Energie kostet.

Substitution von Entscheidungen

Im konkreten Fall ersetzt unser Denk-System 1 schwierige Entscheidungen und Fragestellungen durch einfachere, jedoch meist ohne dass wir das wahrnehmen.

Statt also die Frage zu beantworten, welcher gemeinnützige Zweck größerer Unterstützung bedarf und damit größeren Nutzen erzeugt, nimmt sich System 1 die Frage vor, welcher Zweck sich leichter mit einem Bild verknüpfen lässt.

Die Aufforderung, eine halbe Million benachteiligte Kinder in einer bestimmten Region mit Schulbildung zu versorgen, sorgt für weniger Spendenaufkommen als die Geschichte eines dieser Kinder. Ein Kind erzeugt ein Bild in unserem Kopf. Eine halbe Million Kinder ist abstrakt.

Halo-Effekt: What you see is all there is

Ebenso energieoptimal, also weniger anstrengend, sind Gedankengänge, die auf momentan verfügbaren Informationen basieren.

Ich denke an das, was gerade um mich herum ist. Das ist entwicklungsgeschichtlich ja auch von Vorteil, wenn ich an den Säbelzahntiger denke, der im Busch lauert, anstatt an den Aussichtspunkt, an dem ich später vielleicht vorbei laufe. Unser Gehirn verhält sich heute noch immer so. Das, was wir gerade vor uns und in uns haben, wird betrachtet, alles andere ignoriert unser System 1.

Eben doch weiter zu denken ist eine bewusste Handlung und somit kräftezehrend.

Heuristik

Eine weitere Folge der Substitution und des Halo-Effekts ist unser Denken in Heuristiken. Wenn wir einen konkreten Fall, eine einzelne Person etwa, betrachten, dann schließen wir sehr rasch von deren Eigenschaften auf die einer Gruppe und sofort auf die Gesamtheit aller Menschen, ohnd ignorieren dabei, dass die Grundeigenschaft der Gruppe überhaupt nur sehr selten auftritt.

Kahneman gibt ein Beispiel, bei dem die Geschichte einer jungen Frau erzählt wird und dann gefragt wird, ob sie wohl eher eine feministisch engagierte Bibliothekarin oder eine Bankangestellte ist.

Wir übersehen bei unserer Antwort oft, dass es auf die Grundgesamtheit ankommt. Es gibt von Haus aus viel weniger Bibliothekare als Bankangestellte, und diese Menge schneiden wir noch mit den Feministinnen. Die Gruppe feministisch aktiver Bibliothekare ist also viel kleiner als die Gruppe Bankangestellter. Wenn wir sonst recht wenig über die Dame im Beispiel wissen, ist es schlichtweg deutlich wahrscheinlicher, dass sie Bankangestellte ist.

Information, die uns zufällig über den Weg läuft, bewerten wir deutlich über.

Korrelation versus Kausalität

Mit steigendem Schokoladeneisverkauf im Jahresverlauf nimmt auch die Anzahl der Mückenstiche zu.

Schnell ist die Schlagzeile im Gehirn: Schokoladeneis verursacht Mückenstiche.

Das ist die Annahme von Kausalität, und sie ist meist falsch. Das, was wir sehen ist Korrelation. Also zwei Messgrößen, die sich miteinander so verändern, dass sich ein Faktor bestimmen lässt, mit dem sie das tun. Das ist der Korrelationsfaktor. Der aber nichts darüber aussagt, ob das eine durch das andere verursacht wird.

Daniel Kahneman führt aus: Weil unser Gehirn sich die Sache einfach machen will, sieht es überall Ursache-Wirkungs-Prinzipien. Auch da, wo gar keine sind.

Eine Website, die wunderbare unnütze Korrelationen zeigt, ist übrigens Spurious Correlations.

Wir alle sind – wenn wir nicht aufpassen – schnell dabei, Korrelation mit Kausalität zu verwechseln. Besonders evident ist dies in der Politik.

Wir nehmen an, dass aus A verhält sich linear zu B folgt Mehr A verursacht mehr B oder umgekehrt. Es bedarf nun geistiger Anstrengung, die wahre Ursache zu finden, denn für die meisten Korrelationen gibt es nämlich eine dritte Größe C, die die wahre Ursache darstellt. Damit ergibt sich: Mehr C verursacht mehr A und mehr B.

Im Mücken-Eis-Beispiel von oben ist die dritte Größe die Jahreszeit. Im Sommer gibt es mehr Mücken als im Winter, und es wird auch mehr Eis verzehrt.

Misstrauen Sie allen Aussagen, die eine Kausalität unterstellen. Allen. Fragen Sie nach, versuchen Sie zu verstehen. Das ist dann System 2 am Werk, nicht System 1.

Planungsfehlschluss – Selbstüberschätzung

Dieses Denkmuster, bei dem wir konsequent die Zeit unterschätzen, die wir zur Erledigung eines Projekts benötigen, tritt bei mir persönlich sehr gerne auf.

Wenigstens bin ich damit nicht allein, Daniel Kahneman und andere haben ausführliche Studien dazu betrieben.

Wider besseres wissen schlägt eben System 1 zu und gibt eine Schätzung für den optimistischsten Fall ab, der aber eben nie genau so eintritt.

Erst wenn wir unser System 2 bewusst nutzen und auf den so genannten Basissatz schauen, wird es besser. Erst dann machen wir uns die Mühe, mal nachzusehen, wie lange denn ähnliche Projekte gedauert haben.

Erinnerung und Realität sind zwei verschiedene Dinge

Sie kennen das: Es ist nicht so wichtig, wie lange der Urlaub dauert, sondern was das beglückendste Gefühl während der Zeit war, und wie der Urlaub endete. So werden Sie sich an Ihren Urlaub erinnern. Ein längerer, entspannender Urlaub mit fürchterlicher Rückreise und überstürzter Rückkehr an die Arbeit zehrt an der positiven Erinnerung, lässt sie verblassen.

Daniel Kahneman erläutert in einem klassischen Experiment, in dem Probanden ihre Hand in Eiswasser halten sollten. Probanden, die nach einer Minute einen Schluck warmes Wasser in den Behälter hinzugefügt bekamen und noch mal eine halbe Minute ausharren, waren eher bereit, das Experiment zu wiederholen als Probanden, die nach einer Minute die Hand direkt aus dem kalten Wasser nehmen durften. Obwohl die Dauer der unangenehmen Erfahrung also insgesamt länger dauern würde, und die Intensität ja über die erste Minute hinweg identisch war, zogen die Probanden dieses relativ angenehme Ende einer kürzeren Dauer ohne das angenehme Ende vor.

Das ist der Unterschied zwischen dem erlebenden Selbst und dem erinnerndem Selbst. Das erlebende Selbst bildet eher die Realität ab, während das erinnernde Selbst nur noch vage etwas mit der Realität zu tun hat.

Wir sollten uns alle intensiv Gedanken machen, was wir warum bevorzugen. Das kann erhellend sein.

Nichts ist mehr wie vorher

Thinking, Fast and Slow ist ein aufregendes Buch. Nichts ist mehr wie vorher. Das Buch über Schnelles Denken, Langsames Denken ist ja nicht das erste zu der Thematik, das ich lese. Doch ist es intensiver. Hier schreibt nicht einer, der sich die Entscheidungs-Wissenschaft angelesen hat. Hier schreibt Nobelpreisträger Kahneman, der die Entscheidungs-Wissenschaft geprägt hat.

Seit Thinking, Fast and Slow halte ich öfter mal inne und überlege, was ich gerade im Begriff bin zu tun. Ich mache mir öfter Gedanken über die Grundgesamtheit und was mir das statistisch sagen möchte. Ich überprüfe meine Erinnerung.

Sie werden die Welt mit anderen Augen sehen. Sich selbst. Ihre eigenen Handlungen. Ihre Wahrnehmung. Ihre Mitmenschen.

Das Jahr ist noch früh, aber hier halte ich (virtuell) einen starken Anwärter auf meinen persönlichen, unverliehenen Buch-des-Jahres Preis in Händen.

Eine ausführlichere Inhaltsangabe finden auch Sie hier, hier und hier, und auf englisch hier

Audiobook – das Hörbuch

Der Sprecher des englischen Hörbuchs hat eine sehr angenehme Stimme. Es ist gut verständliches Englisch, gut betont gesprochen. Da das Werk trotz der länge ziemlich dicht ist, heisst es dranbleiben.

Das Hörbuch auf deutsch kenne ich nicht in voller Länge, der Sprecher klingt jedoch in der Hörprobe gut und liest akzentuiert.

Schreibstil und Kritik

Daniel Kahneman erzählt Geschichten. Er führt jeweils ein, was um die Studien drumherum geschah, mit wem und in welcher Lebenssituation er die Studien durchführte. Seine Beispiele sind anschaulich, und man spürt: Er war dabei.

Das Englisch ist gut verständlich. Zur deutschen Übersetzung kann ich nichts sagen.

Der Inhalt ist mit einem Wort: gewaltig.

In diesem Sinne: tl;dr (Zusammenfassung in <140 Zeichen:)

Die Statistik ist willig, aber der Geist ist schwach. #1Buch1Satz

Photo: Alan Levine on Flickr, modified by Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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Kategorie: Effektivität, Literatur Stichworte: Denken, Entscheidung, Gehirn, Kausalität, Korrelation, Psychologie, Verhalten, Wahrnehmung, Wissenschaft

23. April 2015 von Joachim Schlosser Kommentar verfassen

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Ich bin glücklich verheiratet, Vater dreier Kinder, Fotograf, bekennender Produktivitäts-Junkie und Getting-Things-Done Anhänger sowie Vortragscoach für meine Mitarbeiter und Kollegen. Über diese Themen schreibe ich auch hier.

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