Photo: republica/Gregor Fischer on Flickr, License Creative Commons Attribution Share-Alike

re:publica als Lernort ‒ 13 Tipps für bessere Vorträge

Bei der interessierten Betrachtung von Vorträgen der re:publica fallen neben vielen sehr wertvollen Themen und Beiträgen oft bei denselben Sprechern auch viele Dinge auf, mit denen diese ihr Publikum noch besser mitreißen, unterhalten oder einfach nur informieren könnten.

Die re:publica ist für die Analyse von Vorträgen eine tolle Konferenz, weil es im deutschsprachigen Raum einer der größten Konferenzen mit den meisten im Netz verfügbaren Videos sein dürfte.

Die re:publica ist für mich eine wunderbare Veranstaltung mit wunderbaren Themen und wunderbaren Menschen. Diese wunderbaren Menschen haben oft wichtige Dinge zu sagen.

In meinem Beruf bin ich oft damit betraut, bei Mitarbeitern und Kollegen Vorträge zu begutachten und zu coachen, und darf auch selbst oft zu Publikum sprechen. So habe ich im Lauf der Jahre und Hunderten Vorträgen viele Prinzipien und Kniffe und Muster zu sehen und anzuwenden gelernt. Deshalb kann ich nicht anders als jeden Vortrag, den ich sehe, durch die Coaching-Brille zu betrachten.

Geh einfach die folgenden Punkte durch. Du wirst erkennen, wann Du gemeint bist.

Tipps fürs Vortragen auf der re:publica

  1. Lass dir die Sicht aufs Publikum nicht durch Rednerpult und Laptop verdecken. Sieht auf dem Video seltsam aus. Dafür kannst du nichts: Aber bei einer Konferenz, die auf Diversität und Inklusion angelegt ist, sollte das Sprecherpult nicht derart hoch aus Obstkisten gestapelt sein, dass die Hälfte aller re:publica-Sprecher nicht mehr ganz drübersehen kann, wenn auch noch ein Laptop darauf steht. Und das ging nicht nur den ganz kleinen Sprechern so.
  2. Überleg dir deinen ersten Satz. Wörtlich. Am besten die ersten beiden Sätze. Und dann übe diese auswendig ein. Nichts lässt die freudige Anspannung fürs Publikum so schnell einbrechen wie ein »Äh, hört man mich? Also… ähm… das ist jetzt also hier meine Session über FooBar. Äh. Ja. Also.«Keiner verlangt von Dir, eine auswendig gelernte Rede vorzutragen, und ich als expliziter Verfechter des freien Sprechens schon gar nicht. Doch der Anfang sollte sitzen, das nimmt auch viel von der eigenen Nervosität. Und das kommt deinem ganzen restlichen Vortrag zu Gute.
  3. Du hast eine ganze Bühne für dich, und auf vielen re:publica-Bühnen sogar noch einen Bodenmonitor vor Euch. Also geh weg vom Sprecherpult, kleb nicht daran.
  4. Benutze bitte einen Klicker, einen Folien-weiter-Schalter, um das vorige leichter zu machen. Vielleicht stellt re:publica einen oder du hast einen oder du kaufst dir einen. Ich persönlich habe den Logitech R400, reicht vollkommen aus. Notfalls geht das sogar mit dem iPhone oder Android-Handy. Hauptsache du gehst weg vom Computer.
  5. Mach dir dein Thema klar. Glasklar. Als allererstes, bevor du sonst irgendetwas an deinem Vortrag für die re:publica tust. Nimm dazu am besten das Focus Sheet, das ich in meinem Artikel über 2 Werkzeuge für Vorträge erkläre.
  6. Überlege dir was du sagen willst, bevor du überhaupt die erste Folie entwirfst. Sonst steht nämlich deine Rede in Stichpunkten an der Wand, und du bist überflüssig. Das wichtige ist das, was du sagst. Also messe dem Gesagten auch die entsprechende Bedeutung zu.
  7. Streiche die Hälfte Text von deinen Folien herunter.
  8. Jetzt streiche noch mal die Hälfte Text von deinen Folien herunter.
  9. Und noch mal die Hälfte Text weg. Jetzt sind nur noch ein bis drei Wörter auf der Folie? Wunderbar. Lies dazu meinen Artikel Entfernen: 3 rasche Schritte zu besseren Vortragsfolien.
  10. Jetzt mach den Text größer. Noch größer. Und noch ein Stück. So, jetzt kann ich es auch weit hinten und im Video lesen.
  11. Sei beim Einreichen zeitlich bescheiden. Viele einstündige Vorträge, die ich gesehen habe, hätten ihre Botschaft auch in einer halben Stunde problemlos rüberbringen können, wahrscheinlich sogar effektiver.
  12. Schau ins Publikum, nicht an die Wand. Das ist schwer. Entweder weil du introvertiert bist, oder weil du noch nicht genau weisst, was du sagen willst. Auch sonst gute Vortragende fallen diesem Verhalten anheim. Wenn du auf die Folien schauen musst, dann schau auf den Laptop oder den Bodenmonitor, den es an vielen Bühnen gibt.
  13. Überleg Dir die letzten drei Sätze. Siehe Nummer 2 oben. Stolpere nicht verbal ins Ziel, sondern schreite würdevoll. Dein starkes Thema verdient ein starkes Ende.

Vorbilder auf der re:publica

Einige gute Beispiele möchte ich nennen, ohne hier einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben:

  1. Richard Gutjahr ist »Vortragsfachkraft«, und gerade deswegen darf man ja von ihm lernen. Schau bei Richard Gutjahr, wie er seine Rede anfängt (ab ca. 6:15). Er lächelt. Er atmet ein. Er atmet aus. Und dann fängt er an. Direkt mit dem ersten Satz, direkt im Thema oder der Hinführung dazu.
  2. Martin Ballaschk schaut zwar ständig an die Wand, spricht dafür aber bedacht. Ein gutes Beispiel für einen weniger geübten Vortragenden, der offensichtlich Schweiß in die Vorbereitung gesteckt hat.
  3. Prof. Dr. Gesche Joost ist ebenfalls Vortragsfachkraft. Schau, wie sie ihre Rede aufbaut. Sie folgt einer Struktur. Sie nutzt minimalistische Folien mit wenig Text.
  4. Professor Viktor Mayer-Schönberger, ebenfalls Vortragsfachkraft, soll ebenfalls Vorbild sein. Schau bei ihm, wie ruhig und bedacht er seinen Punkt macht. Schau, wie er einzelne Geschichten und Anekdoten zu einem Gesamtbild verwebt, und wie er über die Strecke von 45 Minuten den Spannungsbogen hält. Das ist kein Zufall, sondern Arbeit und Übung.

Muster auf der re:publica?

Welcher Vortrag auf der re:publica hat Dich beeindruckt? Welches Muster ist Dir aufgefallen, was Sprecher noch besser machen können?

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