Mit nur einem Gepäckstück reisen, ist das nicht nur etwas für Minimalisten? Warum überhaupt, wenn ich doch Koffer zu Hause habe und außerdem zwei Hände? Warum ich es für unbedingt sinnvoll halte, leicht zu reisen, und wie es bei mir funktioniert, lesen Sie in diesem Artikel.
Nachdem mich vergangene Woche auf meiner Reise drei verschiedene Menschen ansprachen, wie ich denn bitte mit nur einem Handgepäcktrolley eine Dienstreise mit mehreren Stationen antreten könne, besteht da wohl Informationsbedarf. Nichts davon habe ich erfunden, sondern mir die Verfahrensweisen im Laufe der Jahre zusammengesucht und für mich optimiert.
Zwar sehe ich schon immer wieder Reisende mit einem einzigen Gepäckstück, doch ist sowohl am Flughafen als auch am Bahnhof die Kombination aus Trolley – oft ein großer Koffer – und Laptoptasche weithin Standard. Ein schwerer Standard, der den Betrieb und das eigene Fortkommen aufhält.
Ein Plädoyer und mein Weg zum minimalistischen Reisen.
8 Gründe für Reisen mit nur einem Gepäckstück
Als Flugreisender sind Sie als Handgepäckreisender meist der Gewinner, aber eben nicht nur dort. Auch im engen Zug gewinnen Sie mit jedem Gepäckstück, dass Sie nicht dabei haben.
- Beim Fliegen entfällt das Aufgeben von Gepäck. Somit können Sie viel später an den Flughafen kommen.
- Am Flughafen und Bahnhof sind Sie mit nur einem Gepäckstück deutlich beweglicher. Wer später einchecken will, muss agiler sein.
- Beim Einsteigen werden Sie weder von Personal noch Mitreisenden grimmig angeblickt, weil Sie eben keinen zu großen Trolley und keine Laptoptasche bei sich haben.
- Sie finden immer einen Platz im oberen Gepäckfach von Flugzeug und Bahn einen Platz für Ihren Koffer. Anders als Mitreisende, die mehrere Dinge verstauen müssen.
- Nach dem Fliegen brauchen Sie nicht am Gepäckband auf Ihren Koffer zu warten – Sie haben ja schon alles an sich. Das allein spart speziell in München gerne mal 30 Minuten und mehr.
- Am Bahnhof tragen Sie nur ein Gepäckstück die Treppen hinunter und hinauf. Besonders in Augsburg praktisch, wo es weder Aufzug noch Rolltreppe gibt.
- Sie können leichter am Zielort den öffentlichen Nahverkehr nutzen: mit wenig Gepäck steigt es sich viel leichter um. Besonders wichtig beispielsweise in der Pariser Métro.
- Am Zielort, egal ob Büro oder Hotel sind Sie flexibel, brauchen niemandens Hilfe und haben immer eine Hand frei.
Was alles Platz hat
Nur ein Handgepäcktrolley? Hat da überhaupt alles Platz?
Aber klar. Dienstreisen bis locker zehn Tage.
- Kompletter Anzug
- Wechselschuhe
- Laufsachen inklusive Smartphone-Armband, ggf. Badehose und Schwimmbrille
- Laptop mit Netzteil
- Kabel- und Elektroniktasche
- Spiegelreflexkamera
- Wechselobjektiv oder Aufsteckblitz
- Noise Cancellation Kopfhörer
- iPad
- Trinkflasche, für Zug und seltsame Airlines
- nicht auf dem Foto: kleiner Regenschirm. Kann muss aber nicht.
- separate Tasche, um den Laptop während des Tages mit Kabeln zu transportieren (hier von meiner Firma, in blau). Je flacher, je besser.
Hat alles Platz. Muss auch. Gut, die Spiegelreflexkamera muss nicht, aber wenn ich schon mal woanders bin, habe ich gerne einen echten Fotoapparat dabei. Wenn das Tagwerk vollbracht ist, hat meist schon der Abend begonnen, und da gibt’s mit der Spiegelreflex einfach die schöneren Fotos.
Laufsachen oder Badeklamotten sind nicht verhandelbar. Etwas Bewegung am Morgen ist ein guter Start in den Tag, und ich lerne beim Joggen meine Umgebung ein wenig kennen. Falls das Hotel einen vernünftigen Pool hat, ist das zwecks Abwechslung auch nicht zu verachten. Die Laufschuhe belegen bei mir nur ungefähr Platz für ein Paar Socken, weil ich mit Vibram FiveFingers Barfußschuhen laufe.
Wichtig: Ich packe jeden Abend den Koffer komplett aus. Auf diese Weise verknülle ich nichts und kann mich auf die nächste Etappe gut vorbereiten. Und das neu einpacken dauert nicht länger als ein vermurkstes Zusammenpacken.
Trolley
Ein Trolley muss für mich vier Eigenschaften haben:
- Hervorragend aufgeteilt
- Gute Rollen
- Leicht zu tragen
- Stabiles, schnelles Gestänge
Warum? Wenn Sie mal in der Pariser Métro unterwegs waren, wissen Sie warum. Viele Treppen, und damit oft zu tragen. Alles, was Sie nicht extra zu tragen haben, ist hier gut.
Der Trolley selbst ist übrigens ein Modell für seinerzeit knapp 70 €, beim örtlichen Koffer-Laden erstanden. Heißt Rada Trolley Rainbow T1 55cm. Nicht wirklich Marke, aber von der Aufteilung besser als mein alter Samsonite. Extra gepolstertes Fach für Laptop, davor noch zwei Außentaschen in sinnvollen Größen, und ordentliche Rollen.
Da ich gerne mal zu Fuß gehe, sind die Rollen essentiell. Der Koffer dürfte schon locker über 50 km drauf haben. Das Gestänge ist leichtgängig und stabil, auch wichtig. Und er einen zusätzlichen Tragegriff an der Seite, was sehr praktisch für längere Treppenpassagen ist.
Wenn er mal das zeitliche segnet, ist es kein großer Verlust. Sein Geld hat er meiner Ansicht nach bereits mehrfach eingespielt.
Wie nun den Anzug packen?
Die größte Frage ist immer, wie ich den Anzug knitterfrei in den Koffer bekomme, deshalb die Anzugfrage zuerst:
- Den Trolleyboden zwischen dem Gestänge mit Laufshirt, Laufhose und etwas Unterwäsche einebnen.
- Das Jackett quer so in den Trolley legen, dass die Unterkante gerade am Boden anliegt. Die obere Hälfte inklusive Arme liegt noch außerhalb des Koffers.
- Die Hose quer darauf legen, so dass oberes und unteres Ende noch aus dem Trolley heraus hängen.
- Alle anderen Kleidungsstücke inklusive Schuhe (in Tüten) hinein schichten. Dazu später mehr.
- Die beiden Enden der Anzughose einklappen.
- Die Jackett-Ärmel nach innen schlagen, dann die gesamte obere Hälfte nach unten über die restliche Kleidung klappen.
Auf diese Weise zwingen Sie weder Anzugjacke noch Anzughose in einen strengen Falz. Das, was jetzt noch an kleinen Knittern entsteht, hängt sich binnen weniger Minuten wieder aus. Sie werden jede Menge Videos finden, die zu Seidenpapier raten. Kann funktionieren, habe ich nicht probiert, bin ich zu faul dafür.
Wenn jetzt dutzende diesen Artikel kommentieren und ein Video wollen, mach ich gerne ein Video von der Anzug-Prozedur..
Und der Rest?
Zwei Parameter gilt es zu bestimmen:
- Werde ich während der Reise die Kamera benötigen?
- Flug- oder Bahnreise?
Erwarte ich, dass ich während der Reise nicht fotografieren möchte, ist die Spiegelreflexkamera innerhalb des Anzugpakets, sonst außerhalb. Und selbst wenn dann doch einmal, ist es nur ein Griff mehr.
Bei Flugreisen ist die Kabel- und Elektroniktasche im Anzugpaket und die Waschtasche in der Außentasche des Trolleys. Auf diese Weise habe ich bei der Sicherheitskontrolle den Beutel mit Flüssigkeiten sofort griffbereit.
Die Kamera wird an der Sicherheitskontrolle nur selten angefragt, so dass ich das Risiko des extra Griffs in den Koffer eingehe.
Auf Flugreisen benötige ich die Kabel nicht, weil das iPad und die Kopfhörer lange genug reichen. Auf Bahnreisen jedoch möchte ich in der Regel den Laptop an den Strom, oder das Handy an den Laptop. Also brauche ich da meine Elektroniktasche griffbereit.
Die Trinkflasche ist bei Bahnreisen gefüllt. Bei Flugreisen fülle ich sie erst nach dem Sicherheitscheck.
Kleidung reduzieren
Wie viel von dem, was Sie dabei haben, ziehen Sie tatsächlich an? Wie viel Stücke haben Sie bei Ihren letzten drei Reisen ungetragen wieder mit nach Hause gebracht? Lassen Sie diese Stücke gleich daheim.
- Die Hose kann gerne mal einen Tag länger getragen werden, oder zwei oder drei. Dann gehen Sie halt mal nicht in den Sandkasten vor dem Büro. Eine Wechselhose – inklusive Anzughose – reicht aus.
- Oberteile, die sich mit allem kombinieren lassen, reduzieren die Notwendigkeit, immer komplette Farb-Outfits dabei zu haben.
- Unterwäsche nimmt fast keinen Platz weg, wenn man sie rollt, oder in Freiräume zwischen größeren Kleidungsstücken steckt, und z.B. Socken in Schuhe stopft.
- Pullover und Hemden können ohne Einbußen an Hygiene ebenfalls einen Tag länger getragen werden, wenn Sie Unterhemden mit kurzen Ärmeln verwenden – auch als T-Shirt bekannt. Im Fall des Falles dürfen Sie gerne die gar nicht mal so teure Reinigung im Hotel in Anspruch nehmen, oder im Waschbecken waschen und während des folgenden Tages trocknen lassen.
- Den Gürtel habe ich an, und es reicht auch einer. Selbiges gilt für eine Jacke, Mütze und Handschuhe.
- Hemden sind ordentlich zu falten. Wenn Sie mal bei der Bundeswehr waren: Gut für Sie. Wenn nicht: Sehen Sie sich auf YouTube ein Video dazu an.
Apropos Video: In Wahrheit wollen wir doch alle so elegant und flott durch den Flughafen wie George Clooney in »Up in the Air«, oder?
Kosmetik und Waschzeug
Für das Reisen mit Handgepäck brauchen Sie kleinere Behältnisse für Ihre Hygieneartikel, weil die Obergrenze beim Fliegen nach wie vor: maximal 100ml pro Behältnis und maximal 1 Liter insgesamt, in einer Klarsichttüte.
Weniger ist mehr. Reisegrößen der gängigen Hygieneartikel wie Deo, Zahncreme, Rasierschaum usw. sind für kleines Geld verfügbar. Mein Rasierwasser habe ich in einen Probeflakon derselben Marke umgefüllt, vorher war ich auch schon mit Balsam in Reisegröße unterwegs.
In den meisten europäischen Ländern und Nordamerika brauchen Sie kein Shampoo oder Spülung, da beides in Hotelzimmern verfügbar ist. Mir ist bewusst, dass das bei Kollegen mit langen Haaren nicht praktikabel ist. Nehmen Sie also halt Ihr eigenes Shampoo mit, aber eben besorgen Sie sich kleine Fläschchen davon, falls verfügbar.
Wichtig bei den Hygieneartikeln: Die Waschtasche. So schön Ihr ledernes Ungetüm auch sein mag: Es ist unpraktisch. Nehmen Sie eine leichte Waschtasche. Ich verwende seit Jahren einen, den mir die Fluggesellschaft mal wegen fehlgeleitetem Gepäck gab. Erfüllt seinen Zweck und ist sehr dünn und leicht.
Kabel und Elektronik
Verteilte ich bis vor wenigen Monaten noch alle Kabel und sonstigen elektronischen Gerätschaften munter im Hauptteil des Koffers und den Außenfächern, habe ich nun eine einfache Universaltasche mit Hartschale in Verwendung.
Warum? Eines Tages nahm ich meinen besten Rollkragenpullover und stellte fest, dass dieser mehrere unschöne Löcher aufwies. Ohne es genau reproduzieren zu können, muss ein Stecker sich durch den Stoff gebohrt und mein Lieblingskleidungsstück zerstört haben. Ich habe einen der Stromadapter im Verdacht. Deshalb packe ich jetzt alles elektronische Beiwerk in diese Tasche:
- Netzteil für Laptop – übrigens mit extra langem Kaltgerätekabel
- Kabelschloss für Laptop
- iPad Netzteil + Lightning-Kabel
- Lightning-Kabel zum aufrollen, kann man wunderbar am Laptop zum Laden anstecken
- Extra Akku für die Kamera
- Hausschlüssel, der hat nämlich auch scharfe Kanten.
- UBS-Stick
- Nachfüllpack Visitenkarten
- SD-Karten
- ggf. Stromadapter für USA, UK oder wo es eben hin geht
Nicht darin enthalten ist der Noise Cancellation Kopfhörer, da mein Sennheiser seine eigene Tasche hat. Da ist übrigens auch die Augenmaske für längere Flüge drin, und die Batterien extra. Meine Ohrstöpsel sind ebenfalls nicht drin, sondern in der kleinen Außentasche des Trolleys.
Wenn ich übrigens angeben will, lasse ich die Wechselschuhe zu Hause und nehme dafür das Teleobjektiv und den Aufsteckblitz mit…
Leichter reisen – und Sie?
Ich freue mich jedes mal wie ein Schnitzel, wenn ich leicht und flott am Bahnhof, im engen und überfüllten Zug, oder am Flughafen unterwegs bin, und wenn ich ohne Anstrengung in Paris mit Gepäck Métro fahren kann. Und zudem laufe ich nie Gefahr, auf Reisen shoppen gehen zu wollen, da das Resultat ohnehin keinen Platz hätte.
Wie reisen Sie? Eine Tasche, oder brauchen Sie mehr? Wie machen es die Damen? Brauchen Sie wirklich mehr Gepäck, oder ist das nur ein Mythos?
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
Schreiben Sie einen Kommentar