Sie als Vortragender und Ihr Publikum stehen ja auf unterschiedlichen Seiten, und Sie wollen denen schließlich etwas nahe bringen. Wirklich? Ist das eine hilfreiche innere Einstellung? Oder bringt es Sie weiter, wenn Sie sich gedanklich mit Ihren Zuhörern auf dieselbe Seite stellen?
Vorträge, Präsentationen werden oft gehalten, um eine Diskussion zu beginnen oder zusammenzufassen. Diskussionen wiederum heisst, dass irgendwo ein Konflikt besteht, der durch die Diskussion gelöst werden soll. Der Vortrag ist insofern ein Beitrag zu dieser Diskussion, indem der Vortragende darauf abzielt, bei seinen Zuhörern ein Um- oder Weiterdenken anzuregen.
Die Verkaufs-Situation
Stellen Sie sich eine Verkaufssituation vor, bei der ein Verkäufer den Entscheidungsträger auf Kundenseite von seinem Angebot zu überzeugen versucht. Der Konflikt ist, dass sowohl Entscheidungsträger als auch Vertriebsmitarbeiter ein Problem identifiziert haben, der Entscheidungsträger jedoch noch nicht sieht, wie das Angebot des Verkäufers dieses Problem zu lösen vermag.
Viele der Vorträge und Situationen, auf deren Basis dieses Buch steht, entstammen der Welt der kommerziellen Software, in der eine Anwenderorganisation vor einer Herausforderung steht, die ein Softwareanbieter mit seinen Produkten zu lösen sucht. In diesem Rahmen werden Situationen analysiert, Empfehlungen gegeben und natürlich die Vorzüge des eigenen Produkts herausgestellt.
Sehr leicht könnte nun deshalb der Gedanken aufkommen, Käufer und Verkäufer, Anwenderorganisation und Softwarehersteller seien Opponenten, die auf verschiedenen Seiten der Front stünden. Diese Annahme ist falsch.
Der wahre Gegner: Unwissenheit
Der Gegner ist bei diesem Konflikt nicht der Zuhörer der Präsentation, oder, um beim Beispiel zu bleiben, der Entscheidungsträger. Vortragender und Entscheidungsträger stehen auf der selben Seite: Sie wollen das Problem lösen. Gegner ist in diesem Fall die Problemstellung und die Ungewissheit des Entscheidungsträgers, ob eine Lösung mit dem Vorschlag des Verkäufers möglich ist.
Gegner in Präsentationen sind die Unwissenheit, Annahmen, Zielkonflikt, Angst vor Veränderung, Politische Verstrickungen.
Unwissenheit ist ein Gegner, dem relativ leicht beizukommen ist. Gebe ich meinem Gegenüber Wissen, welches dieser gut verdauen und daraus Schlüsse ziehen kann, ist der Gegner besiegt oder zumindest geschwächt. Nicht der Unwissende als Person ist der Gegner, sondern die Unwissenheit als Zustand eines Zuhörers. Zuhörer und Vortragender stehen damit auf derselben Seite: Es gilt, die Unwissenheit zu bekämpfen.
Annahmen und Zielkonflikt
Annahmen sind tückischer, weil sie meist nicht ausgesprochen werden. Es ist ein verborgener Gegner, der mein Gegenüber dazu bringt, meine Aussagen in einen anderen Kontext stellt und vielleicht falsch versteht, ohne dass dies gleich bemerkt wird. Wieder ist nicht derjenige Zuhörer, der Annahmen hat, mein Gegner, sondern dessen Annahmen. Dieser Gegner ist ernst zunehmen, weil Annahmen durchaus berechtigt und nachvollziehbar und dennoch unzutreffend sein können.
Zielkonflikt ist ein Gegner, der Zuhörer dazu bringt, Teile oder das Ganze des Vortrags abzulehnen, weil das Ziel, das der Vortragende verfolgt, dem Zuhörer vermeintlich schadet. Oftmals wird dabei übersehen, dass es einen Unterschied zwischen Position und Interesse gibt, und Positionen sehr leicht entgegengesetzt sein können, obgleich das dahinter liegende Interesse sich durchaus mit dem des anderen deckt. Der Zielkonflikt als Gegner erfordert damit eine bewusste Beschäftigung mit den verschiedenen Ebenen einer Situation, um auf eine Lösung oder ein Ziel zu kommen, das ausserhalb des Konfliktbereichs liegt und von beiden als erstrebenswert erachtet wird.
Angst vor Veränderung kann als Zielkonflikt zutage treten, jedoch auch einfach ein lähmendes Element einer Diskussion sein und somit den Vortrag schwierig machen. Auch hier ist zu trennen zwischen der Person, die Angst hat, und der Angst selbst. Die Angst sollten Sie anerkennen.
Politische Verstrickungen sind eine Form von Zielkonflikt, die meist Thema, Kontext und Personen in einer Form vermischen, die für Außenstehende nicht sofort ersichtlich ist.
Auf derselben Seite
Damit ist in einer Präsentation der Zuhörer niemals der Gegner, sondern steht mit dem Vortragenden auf derselben Seite. Wenn einer meiner Zuhörer so handelt, dass ich ihn zunächst instinktiv als Gegner verstehe, lohnt es, sich bewusst zu machen, dass Zuhörer ihre eigenen Gedanken, Wünsche, Ängste haben und unter Sachzwängen stehen, die unangemessen wirkende Aktionen während der Diskussion durchaus zu erklären vermögen.
Locker bleiben
Wie sehen Sie die Rollen von Vortragendem und Zuhörern?
Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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