Jedes Mal, wenn ich in einer Kundenorganisation über eine Prozess- oder Vorgehensdokumentation in Form von PowerPoint-Folien stolpere, versetzt es mir einen Stich, denn ich sehe Organisationen nicht gerne scheitern.
Die Verwendung von PowerPoint, von Folien allgemein, zum Zwecke der Dokumentation von irgendetwas grassiert, dominiert und vor allem lähmt die Unternehmen aller Branchen.
Warum das so ist und wie es besser geht, das soll Inhalt dieses Textes sein.
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Inhalt
- Ein Vortrag ist ein Vortrag ist ein Vortrag
- Eine Dokumentation ist eine Dokumentation ist eine Dokumentation
- PowerPoint-Dateien fliegen herum (ebenso wie PDFs)
- PowerPoint-Dateien sind groß und haben keine Direktlinks (ebenso wie PDFs)
- PowerPoint lädt ein, syntaxfreie Grafiken zu malen
- PowerPoint-Dokumentation zum Vortragen fördert Konfusion
- Dort dokumentieren, wo im Zweifelsfall nachgesehen wird
- Fälle, in denen PowerPoint-Dokumentation von Vorteil ist
- Gut fürs Kätzchen
- Literatur
Ein Vortrag ist ein Vortrag ist ein Vortrag
Die Folien-orientierten Programme und ihre Dateiformate, wie PowerPoint, aber genau so LibreOffice, sind dafür geschaffen, visuell einen Vortrag zu begleiten. Die zentrale Idee von Folien ist immer, dass jemand spricht und mit Folien das Gesagte unterstreicht. Deshalb auch PowerPoint, um dem Punkt, den die Vortragende macht, mehr Kraft zu verleihen.
Bei aller Kritik an der strikten Linearität von PowerPoint ist es dennoch ein hervorragendes Medium, Vorträge, Referate und Reden vor Publikum bei Bedarf mit visuellen Mitteln zu unterstützen. Bisweilen täte es es auch ein Flipchart oder eine Tafel, und oft ist ganz ohne visuelle Hilfsmittel, sondern nur mit der freien Rede, noch stärker.
Doch wenn PowerPoint, dann eben zum Vortragen.
Trage ich über einen Prozess oder eine Methode, eine Vorgehensweise vor, dann stellt sich die Frage, ob ich dazu nicht auch besser einen Foliensatz in PowerPoint ausarbeiten sollte.
Wie schon in „Denken in Folien vs. Dokument vs. Skizze: Mein Konzept kommt nicht aus PowerPoint“ [0] geschrieben hat ein Foliensatz für mich ganz spezifische Aufgaben, und andere eben darum nicht.
Eine Dokumentation ist eine Dokumentation ist eine Dokumentation
Eine verbreitete Herangehensweise in vielen Organisationen ist: Ein paar Folien mit Text, Kästen und Pfeilen gemalt, und schon ist allen Beteiligten klar, wie das ganze funktionieren soll.
Es lohnt sich, mal nachzusehen, was Dokumentation, genauer gesagt Technische Dokumentation überhaupt ist. Wikipedia beispielsweise [1] sagt: „Eine Technische Dokumentation […] umfasst alle Informationsprodukte, die ein technisches Erzeugnis beschreiben und zu seiner Nutzung, Wartung oder Reparatur anleiten. Sie bereitet die Informationen systematisch auf und strukturiert sie so, dass der jeweilige Zweck vollständig erfüllt wird.“
Was technische Dokumentation dann wirklich bedeutet, dazu gibt es – deutscher Gründlichkeit sei dank – eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in mehreren Teilen: [2]–[4]
Das Blatt 4 „Dokumentationsprozess. Planen, Gestalten, Erstellen“ [3] gibt einige Anhaltspunkte, auf was ich beim Dokumentieren achten soll: „Gliederungsstrukturen, Visualisierungsmittel, […] Publikationsprozesse und Medien, Datei- und Austauschformate“.
Letztendlich bedeutet dies, dass Dokumentation leicht zugänglich sein soll, und jeder Nutzer leicht erkennen können soll, ob sie den aktuellsten Stand der Dokumentation vor sich hat, und bei Bedarf Änderungen anregen bzw. selbst einpflegen kann.
PowerPoint-Dateien fliegen herum (ebenso wie PDFs)
Präsentationsdateien liegen selten statisch dort herum, wo sie hingehören. Sehr viele Menschen, die in PowerPoint dokumentieren, neigen auch dazu, diese Dateien immer wieder per E-Mail an bedürftige Kollegen und Vertragspartner zu verschicken.
Durch das Versenden wird jeglicher Versuch der sauberen Versionierung und Ablage (siehe dazu auch [5]) wenn nicht obsolet, dann mindestens sehr schwierig.
So geht dann wieder Zeit drauf, in der sich Kollegen austauschen müssen, ob sie die aktuellster Version einer Dokumentation vorliegen haben, bei der sie oftmals gar nicht (mehr) wissen, wo der originale, gültige Ablageort ist.
Es geht Zeit drauf für Abstimmung auf das Prozedere, wenn verschiedene Menschen unwissentlich verschiedene Versionen eines Dokuments verwenden.
Dagegen gibt es ein ebenso einfaches wie wirksames Mittel: Kein PowerPoint für Dokumentation nutzen!
PowerPoint-Dateien sind groß und haben keine Direktlinks (ebenso wie PDFs)
Eine PowerPoint-Datei, in der ein kompletter Prozess dokumentiert ist, eventuell mit Grafiken, ist groß, dauert also bei jedem Öffnen einen Moment, bis sie geladen ist und man nachsehen kann.
PowerPoint erlaubt zudem nicht generell, einen Link auf genau eine bestimmte Seite weiterzugeben, außer Sie nutzen konsequent eine OneDrive/SharePoint-Umgebung [6]. Und sobald freilich die Datei per E-Mail verteilt wird, funktioniert der Mechanismus nicht mehr.
Im Zweifelsfall bin ich also immer wieder damit beschäftigt, auf die richtige Seite zu wechseln. All das gilt freilich auch wieder für aus PowerPoint generierte PDF-Dateien. Rein technisch ist es möglich, in der praktischen Anwendung aber kompliziert und wird kaum benutzt.
Ein Browser-Fenster haben die meisten im Büro arbeitenden ohnehin den ganzen Tag auf, weil allerlei Aufgaben irgendeine Art von Web-Anwendung benötigen. Die Lösung ist also: Die Dokumentation muss auch im Browser bereit stehen.
PowerPoint lädt ein, syntaxfreie Grafiken zu malen
Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte, so das Sprichwort. Stimmt auch, doch ein Bild sagt nicht nur mehr als Tausend Worte, es lässt oft auch mehr als Tausend Fragen offen. Besonders bei eben mal schnell erstellten Grafiken, die Prozesse visualisieren sollen, trifft dies zu. Was genau meint denn die Verzweigung hier? Was möchte mir der Autor mit der Farbe, mit der Form dieser Box sagen? Was bedeuten die dünnen Pfeile im Vergleich zu den dicken Pfeilen?
Die Zeichen-Werkzeuge in PowerPoint sind vielfältig, doch ohne ein gemeinsames Verständnis der Syntax und Semantik der Elemente der Zeichnung habe ich so eine Grafik schon mehr Fragen aufwerfen sehen als sie beantworten konnte.
Die Lösung: standardisierte Modellierungssyntax verwenden, in einer Beschreibungssprache, die dafür geeignet ist. Geeignete grafische Prozessbeschreibungen sah ich beispielsweise in der Business Process Model Notation (BPMN, nach [7]) oder auch in UML Aktivitätsdiagrammen. Hauptsache eine Notation, bei der nicht mehr über die Syntax selbst diskutiert werden muss, sondern nur noch über deren korrekte Anwendung und vor allem den Inhalt der Grafik.
Nun lässt sich auch eine Standardsystax-konforme Zeichnung in PowerPoint anfertigen, nur die Wahrscheinlichkeit, dass derlei geschieht, ist meiner Erfahrung nach größer, wenn außerhalb von PowerPoint gezeichnet wird.
Wenn Sie gar nicht wissen, mit was Sie anfangen sollen, dann nuten Sie draw.io ([8]).
PowerPoint-Dokumentation zum Vortragen fördert Konfusion
Nun existiert vielleicht eine ordentliche Dokumentation im Intranet, beispielsweise als Webseiten. Und trotzdem malen Menschen PowerPoint-Folien, um den Prozess zu erklären.
Das führt unweigerlich dazu, dass sich – und wenn nur in Nuancen – die eigentliche Dokumentation und die Folien in der Aussage unterscheiden. Oder es werden Neuerungen am Prozess nur auf den Folien aktualisiert, und die eigentliche Dokumentation vergessen. Und schon weiß keiner mehr, was denn nun gilt: Die ordentlich abgelegte, regulär verfügbare Dokumentation oder der Foliensatz.
Wozu brauchen Sie überhaupt einen Foliensatz zu einer existierenden Dokumentation? Ist diese nicht gut zu lesen oder was?
Dort dokumentieren, wo im Zweifelsfall nachgesehen wird
Ja wie soll ich denn dann dokumentieren?
Ganz einfach: Im Intranet. Wenn Sie noch keines haben in Ihrer Organisation: Sie brauchen eines. Irgend einen Ort, an dem Kollegen und eventuell auch Partnerorganisationen einfach nachsehen können und vor allem Suchen können.
Dokumentation einfach im Volltext durchsuchen zu können ist mit das wichtigste Merkmal, und deshalb ist eine rein grafische Dokumentation auch oft nicht sinnvoll, weil Inhalte dort nur schlecht gefunden werden können.
- Wenn Sie noch keinen vorgegebenen Ort für Dokumentationen haben, dann erstellen Sie dort, wo die Menschen nachsehen, eine neue Seite für Ihren Prozess.
- Geben Sie der Seite den Namen des Prozesses und schreiben Dokumentation oder Prozessbeschreibung dahinter. Und dann schreiben Sie.
- Gliedern Sie die Dokumentation so, dass man sich leicht zurecht findet. Verwenden Sie Zwischenüberschriften und Fettdruck, wo es sinnvoll ist.
- Achten Sie auf „Übersetzungsgerechtes Schreiben“ [9] und „gute Verständlichkeit“ [10].
- Fügen Sie Grafik nur an den Stellen hinzu, an denen ein echter Mehrwert dadurch entsteht. Halten Sie die Grafiken einfach.
- Veröffentlichen Sie die Dokumentationsseite lieber früher als später, denn so bekommen Sie rasch Rückmeldung, ob das Geschriebene schon hilfreich und zutreffend ist und wo noch Lücken bestehen oder Korrekturen notwendig sind. Eine verfrühte Dokumentation ist immer besser als gar keine.
- Schreiben Sie hin, ob die Dokumentation von jedermann geändert werden soll, oder ob man Sie anschreiben soll mit Änderungswünschen. Am besten schalten Sie die Kommentarfunktion frei und bitten, ausschließlich diese zu nutzen. Das hält alles, was zu dem Prozess angemerkt wird, zusammen und ihr Postfach leerer.
Vielleicht haben Sie ja auch eine schwergewichtigere Art in Ihrer Firma, Dokumentation zu erfassen. Das mag Ihnen bisweilen auf den Keks gehen, doch auch das ist besser als die Alternative. Sollten Sie feststellen, dass die Art, wie die Dokumentation in diesem System erfasst ist, nicht wirklich gut zu lesen und zu verwenden ist, dann lesen Sie bitte jetzt gleich weiter.
Fälle, in denen PowerPoint-Dokumentation von Vorteil ist
Das wird jetzt hart für Sie, wenn Sie bislang viel mit PowerPoint dokumentiert haben. Ganz auf die Essenz eingedampft, sehe ich zwei Fälle.
Fall 1: Sie erstellen gerade frisch eine Dokumentation zu einem Prozedere, und haben noch nichts.
Erstellen Sie wie eben beschrieben eine ordentliche Dokumentation im Intranet. Eine Seite in ihrem Intranet-System, egal ob Confluence, SharePoint, WordPress oder sonst ein System ist besser dafür geeignet als PowerPoint.
Schreiben Sie gut und verständlich, und setzen Sie ganz gezielt standardkonforme Diagramme ein.
Fall 2: Sie haben bereits eine Dokumentation im Intranet und wollen jetzt darüber vortragen.
In diesem Fall brauchen Sie keine PowerPoint-Präsentation, denn die Dokumentation ist ja schon direkt verwendbar. Sie können einer guten Dokumentation durch Gießen in PowerPoint nichts sinnvolles hinzufügen.
Ist Ihre Dokumentation im Intranet Ihrer Ansicht nach nicht gut verwendbar und taugt nicht als Grundlage, um den Prozess mündlich jemandem zu erklären, dann verbessern Sie die Dokumentation, und erschaffen nicht eine alternative Realität.
Gut fürs Kätzchen
Ich mag ja keine Katzen, doch das „every time you do X, a kitten dies“-Meme kommt mir sehr entgegen, weil es schnell auf den Punkt kommt.
Dokumentieren Sie immer da, wo Menschen ohnehin nachsehen würden, und nutzen das natürlichste Format für diesen Platz. Grafiken sind biegsam und können bei schlecht gewählter Syntax an Präzision vermissen lassen. Deshalb sollten Sie stets auch textuell erfassen, was Sie aussagen möchten.
Viele Menschen dokumentieren nicht gerne, doch noch weniger Menschen plagen sich gerne mit den Folgen von schlechter und inkonsistenter Dokumentation herum. Seien Sie die positive Kraft! Denn wenn der Prozess, den Sie ausgeheckt haben, leichter zugänglich ist, und besser beschrieben, und näher an der Realität, dann haben Sie selber ja auch was davon.
Wie machen Sie das?
Literatur
- [0] J. Schlosser, „Denken in Folien vs. Dokument vs. Skizze: Mein Konzept kommt nicht aus PowerPoint“, Dr. Joachim Schlosser, Apr. 10, 2018.
- [1] „Technische Dokumentation“, Wikipedia. Dez. 22, 2019, Zugegriffen: Juni 24, 2020.
- [2] VDI 4500 Blatt 1 – Technische Dokumentation – Begriffsdefinitionen und rechtliche Grundlagen.
- [3] VDI 4500 Blatt 4 – Technische Dokumentation – Dokumentationsprozess – Planen, Gestalten, Erstellen.
- [4] VDI 4500 Blatt 5 – Technische Dokumentation; Wirtschaftlich dokumentieren.
- [5] J. Schlosser, „Jedes Mal, wenn Sie durch Dateinamen versionieren, stirbt ein Kätzchen – Implizite Versionierung in Confluence, OneDrive, SharePoint, Dropbox“, Dr. Joachim Schlosser, Juli 16, 2019. (zugegriffen Juni 24, 2020).
- [6] „Share a link to a specific slide“. Microsoft. (zugegriffen Juni 24, 2020).
- [7] A.-W. Scheer, Business process engineering: reference models for industrial enterprises, 2nd, completely rev. and enl. ed Aufl. Berlin ; New York: Springer-Verlag, 1994.
- [8] „Diagram Software and Flowchart Maker“. (zugegriffen Juni 24, 2020).
- [9] „Übersetzungsgerechtes Schreiben“, Wikipedia. Apr. 26, 2018, Zugegriffen: Juni 24, 2020.
- [10] „Hamburger Verständlichkeitskonzept“, Wikipedia. Apr. 28, 2020, Zugegriffen: Juni 24, 2020.
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