Triebwerk

Mit Musik in den Flow beim Arbeiten im Büro

Kopfhörer

Vielleicht arbeiten Sie im Großraumbüro. Und wenn nicht Großraumbüro, dann doch mit ein oder mehreren Kollegen im Zimmer. Selbst wenn Sie alleine einen Büroraum bewohnen – irgendwas ist immer. Leser Jeremy fragte: Wie finden Sie die Ruhe, um etwas auszudenken, zu entwickeln, sich zu fokussieren? Meine Antwort: Mit Musik.

Im Moment genieße ich den Luxus eines Einzelbüros, doch das war nicht immer so, und das muss nicht immer so bleiben. Ich arbeitete und kommunizierte in Büros mit zwei Kollegen, und ich entwickelte und forschte die meiste Zeit in einem Großraumbüro mit 40 Kollegen. Ohne Zwischenwände. Ohne Trennwände. Ohne Schreibtisch-Einhausung. Dafür mit viel telefonierenden Kollegen.

Wir schätzen den direkten Austausch mit Kollegen, die Möglichkeit, sich rasch über ein Projekt oder eine Aufgabe austauschen zu können. Gleichzeitig aber verfluchen wir die Kollegen, die das über drei Tischreihen hinweg tun.

Beim Reisen mit der Bahn oder dem Flugzeug haben Sie dasselbe Problem: Um Sie herum Menschen, die miteinander reden, Durchsagen, Geräusche.

Was davon erleben Sie täglich?

Wissensarbeiter – Denkaufgaben

Es ist viel von Wissensarbeitern die Rede, wenn die Art unseres Berufs diskutiert wird. Das ist natürlich Käse. Der Inhalt vieler Berufe heute ist nicht das Wissen. Es ist neben dem Kommunizieren vor allem das Denken.

Wir sind Denkarbeiter. Unsere Arbeit ist das Denken.

Das Werkzeug, mit dem wir denken, ist unser Gehirn.

Das Gehirn kann ja vieles, aber leider immer nur eine bewusste Handlung zu einer Zeit. Wenn wir also hören – im Sinne von zuhören –, dann können wir nicht denken.

Sobald wir aber Menschen reden hören, beginnen wir unweigerlich, auch zuzuhören. Und damit ist das Denken weitgehend blockiert.

Möglicherweise schaffen Sie es, die Stimmen anderer Leute gut auszublenden und sich dennoch auf Ihre Arbeit zu konzentrieren. Möglicherweise fällt es Ihnen aber schwer, bei der Sache zu bleiben, wenn sich um Sie herum ständig neue Gespräche und Telefonate entspinnen.

Manche Kollegen nutzen Ohrstöpsel, um Geräusche auszublenden.

Mit Musik innere Ruhe schaffen

Ich nutze Musik, um äußere Geräusche zu überlagern und mich in eine fokussierte Stimmung zu bringen. Bei der passenden Aufgabe kann sich das zum echten »Flow« auswachsen.

Dazu sind gute Kopfhörer hilfreich, wenngleich es keine vollständig gekapselten sein müssen.

Manche Kollegen in der Vergangenheit verwendeten Kopfhörer mit aktiver Schallunterdrückung wie der Bose QuietComfort 25 oder den Sennheiser PXC 250-II. Letzteren nutze ich übrigens auf Reisen, siehe der Artikel gegen Jetlag. Ich persönlich nutze meinen Sennheiser nicht im Büro, weil der darauf ausgerichtet ist, unangenehmen Lärm beispielsweise im Flugzeug zu filtern, lässt aber Frequenzen der Sprache gut durch, und genau das will ich ja im Büro nicht.

Ein ordentlicher Kopfhörer also. Wenn Sie ohnehin ein Headset haben, können Sie vielleicht gleich das verwenden.

Kein Streaming!

Vorsicht bei der Wahl der Musik-Quelle: Bitte nutzen Sie im Büro kein Streaming über das Firmennetz. Zum einen ist das private Internetnutzung, die bei uns okay ist, aber man es Volumen-halber nicht übertreiben sollte. Zum anderen belasten Sie die Bandbreite des firmeneigenen Internetzugangs, vor allem wenn Kollegen es Ihnen gleich tun.

Lounge-Musik zum Arbeiten bei Bandcamp

Zu Zeiten des Studiums funktionierte für mich Enya sehr gut zum Lernen. Mittlerweile beschäftige ich mehr mit Schreiben von Konzepten, Papieren, Bewertungen. Dafür bevorzuge ich andere Musik.

Die seit einigen Jahren für mich beste Musik zum Arbeiten finde ich auf Bandcamp.com. Unabhängige Künstler bieten hier ihre Werke zum Download und Kauf an. Manches mit Festpreis, manches selbst zu bepreisen. (Ich stehe in keiner Beziehung zu Bandcamp.)

Von der Art der Musik her bevorzuge ich Tracks, die ähnlich der Musik des Konzentrations-Streaming-Dienstes Focus@Will sind.

Ich stelle Ihnen einige Künstler und Alben vor:

Broke for Free

Broke for Free ist ein Solokünstler aus Kalifornien, der selbst einspielt und dies zusammen mit Samples abschmeckt. Als Stilrichtung lässt sich Broke for Free als Trip Hop oder Chillout verorten.

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Zwei Alben stechen heraus:

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  • Gold Can Stay. Ein Meisterwerk, mit dem großartigen »942 Miles«. Hier stimmt alles: Tempi, Orchestrierung, Schlichtheit, Variation. Das ist für mich musikalische Meditation.
  • Petal. Fast so stark wie Gold Can Stay. Mein Lieblings-Track hier ist »Golden Hour«.

Daniel Waples (Hang in Balance)

Daniel Waples ist ein Solokünstler aus England, der unter dem Projektnamen Hang in Balance ein besonderes Klanginstrument verwendet: Das »Hang«, das aussieht wie ein Ufo, aus Metall besteht und einen Klang zwischen Marimba und großen Klangschalen erzeugt.

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Auch hier finden sich zwei Alben in meiner Sammlung für Konzentration:

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  • ‚Lisn. Zusammen mit verschiedenen Musikerkollegen ergibt sich eine wunderbare, fremd und ursprünglich anmutende Musik.
  • Hang + Violin. Zusammen mit dem Violinisten Flavio Lopez aufgenommen, werden hier das »Hang« als Schlagistrument und die Geige zusammengebracht. Etwas treibender als das andere Album.

Auditive Escape

Auditive Escape ist meine Hausmarke in Sachen Konzentrations-Musik auf Bandcamp. In Frankreich beheimatet, verortet der Solokünstler seine Musik zwischen electronic, ambient, chillout, trip hop.

Hier werden hauptsächlich Samples fein abgemischt und zu Tracks verwoben, die Sie in den Bann ziehen werden.

[bandcamp width=100% height=42 album=3510423160 size=small bgcol=ffffff linkcol=0687f5 track=3923987839]

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  • Holoscape. Das neueste Album. In weiten Teilen eher auf Atmosphäre denn Rhythmus angelegt.
  • Synesthesia. Sanfte Downbeats, gute Klänge.
  • Columna. Downbeats mit direktem, dennoch angenehmen Rhythmus.
  • Peripeteia. Ähnlich wie Columna.
  • Curves. Mein erstes Album von Auditive Escape, mit dem Meisterstück Black Train.

Piano zum Arbeiten

David Ianni

David Ianni ist ein Pianist aus Luxemburg, der hauptsächlich eigene Stücke spielt.

Sein Stil ist minimalistisch. Er versteht es, Atmosphäre zu erschaffen durch lediglich den Flügel. Wenn der Himmel einen Klang hat, dann wahrscheinlich den von David Ianni.

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  • Prayers of Silence (Amazon, iTunes). Ein Album wie eine sanfte Himmelfahrt. David Ianni sagt, er hätte das Album hauptsächlich in einem Kloster komponiert, und ich finde das hört man.
  • Night Prayers (Amazon, iTunes). Wunderbar, inspirierend.

Ludovico Einaudi

Der italienische Altmeister Ludovico Einaudi versteht es meisterhaft, Piano und gelegentliche Orchesteruntermalung mit sanfter Elektronik zu verweben. Seine Klavierstücke erscheinen schlicht und wenig opulent (aber versuchen Sie mal, das nachzuspielen!).

Die Musik Einaudis ist für mich ideal zum Erarbeiten von neuen Themen.

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  • Divenire (Amazon, iTunes). Das titelgebende Stück Divenire hat mich überhaupt zu Einaudi gebracht.
  • Nightbook (Amazon, iTunes). Der Vorgänger von Divenire. Mit dem treibenden, vielschichtigen Stück Eros.

Philip Glass

Streng genommen gehört Philip Glass nicht nur zu den Pianisten. Er komponiert für Orchester ebenso wie für Klavier. Zwei meiner Lieblingsalben von ihm sind stark Piano-lastig. Zu Glass kam ich jedoch über eine Symphonie, besser gesagt einen Exzerpt der Symphonie auf dem Sampler Yellow Lounge ([Amazon][yellow-lounge-amz], [iTunes][yellow-lounge-itun]).

Philip Glass hat ein Markenzeichen: Zerlegte Dreiklänge, die sich immer wiederholen. Einen Glass werden Sie meist erkennen, wenn Sie ihn hören. Seine Musik, auch in ruhigen Stellen, ist treibend. Für mich die ideale Musik, wenn es darum geht, etwas niederzuschreiben oder zu programmieren.

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Bonus -Tipp zum Einschlafen: Bach – Goldberg-Variationen

Bonus-Tipp: Wenn Sie nach einem langen Arbeitstag schwer abschalten können oder auf Reisen nicht in den Schlaf finden, dann hören Sie die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach an.

Die hat der gute Bach nämlich dem Herrn Goldberg extra komponiert, weil der Einschlafprobleme hatte. Und so schrieb Bach viele Abwandlungen eines Grundthemas, die den Geist beruhigen.

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  • Kimiko Ishizaka (Bandcamp). Eine hervorragende, freie Einspielung von Kimiko Ishizaka findet sich auf opengoldbergvariations.org.
  • Martin Stadtfeld (Amazon, iTunes). Manchmal bevorzuge ich die Einspielung von Martin Stadtfeld, sie erscheint mir ruhiger.

[bandcamp width=100% height=42 album=4173461786 size=small bgcol=ffffff linkcol=0687f5]

Witzigerweise mag ich weder die eine noch die andere Einspielung von Glenn Gould, die als der Goldstandard (sic!) der Goldberg-Variationen gesehen werden.

Was machen Sie im Großraumbüro?

Was hören Sie für Musik, wenn Sie sich im Großraumbüro konzentrieren müssen? Oder was tun Sie sonst?

Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!

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Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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Kommentare

Eine Antwort zu „Mit Musik in den Flow beim Arbeiten im Büro“

  1. Avatar von Andreas Schröder
    Andreas Schröder

    Hallo Herr Schlosser,
    vielen Dank für Ihre Empfehlungen. Da ist einiges brauchbares für mich enthalten. Ein Tipp von mir ist http://www.noisli.com. Dort kann man sich seine Geräuschkulisse selbst zusammenstellen, vom Regen über Bahngeräuschen zur Kaffeehausatmosphäre. Nachteilig ist, dass es ein Streamingangebot ist.
    viele Grüße,
    Andreas Schröder

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