Mathematik erklärt die Funktionsweisen von fast allem. Informatik macht Mathematik erfahrbar für alle. Naturwissenschaft erklärt die Realität mit Hilfe der Mathematik.Technik schafft Maschinen und Geräte, um die Welt zu verändern.
MINT ‒ das steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, und ist eine Initiative, die sich der Weiterentwicklung der Bildung verschrieben hat.
Heute ist der 7. MINT-Tag der Initiative »MINT Zukunft schaffen« in Leipzig, und das ist relevant für alle, egal ob anwesend oder nicht, egal ob interessiert oder nicht. Ich darf für MathWorks teilnehmen.
(Ganz unten mit MINT-Musikvideo)
MINT formt unsere Realität
Technik formt unsere Realität, ob wir wollen oder nicht. Technik formt unsere Realität im Kleinen wie im Großen. Wir nutzen Geräte und Maschinen, und selbst wenn wir selbst keine benutzen, verändert Technologie das Land, das Klima, die Landschaft.
Naturwissenschaften treiben unser Verständnis der Welt um uns herum und in uns voran. Naturwissenschaftler sind nicht nur weißbekittelte Männer und Frauen in irgendwelchen Laboren. Naturwissenschaftler ‒ das ist jedes Kind von Beginn an.
Denn jedes Kind lernt, seine Umwelt zu begreifen, lernt, Zusammenhänge zu verstehen. Kinder experimentieren, sie probieren aus. Was passiert, wenn ich die Tasse auf dem Tisch anstoße? Schwerpunkt, Metastabilität, Trägheit beim Rollen an die Tischkante, Fallbeschleunigung, und Materialwissenschaft je nachdem ob sie zerschellt oder nicht. Wie hoch kann ich springen mit wieviel Anlauf? Jedes Kind ist ein Naturwissenschaftler. Und natürlich auch ein Sozialwissenschaftler.
Irgendwann leider geht das meist verloren. Warum? Weil viele Eltern und Lehrer die Verbindung zum Spielerischen nicht mehr herstellen. Weil Naturwissenschaften als ausschließlich seriöse Angelegenheit betrachtet werden. Gottseidank ändert sich das gerade wieder, durch Projektbasiertes Lernen in Universitäten und auch wieder in Schulen.
Informatik, eigentlich die Lehre von der Information, hilft, aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen, und aus diesen Erkenntnissen Regeln und Programme zu erstellen, die dann wiederum Daten und Aktionen erzeugen.
In der Wahrnehmung ist Informatik häufig überladen mit zwei Bildern: Informatik, das ist das, wie ich Word und Windows bediene. Informatik, das sind obskure langhaarige Programmierer, die unverständliches Zeug reden und Jobs töten.
Informatik verändert die Arbeitswelt, sicherlich, weil Möglichkeiten geschaffen werden, die es vorher nicht gab. Das Programmieren ist nur ein Teil des Ganzen, neben Analyse, Entwurf und vielem mehr.
Mathematik steht hinter alledem. Mathematik ist die Basis für alle anderen Bereiche, weil beinahe alles in mathematischen Zusammenhängen aufgeschrieben werden kann. Mathematik ist relevant für viele Lebensbereiche.
- Ob Haushaltsplanung für einen Single-Haushalt ist oder einen Landesetat: Mathematik ist die Basis.
- Ob der Zusammenhang von Strom und Motor oder der von Wind und Strom: Mathematik hilft ihn zu berechnen.
- Ob der Zündzeitpunkt eines Motors oder der Startzeitpunkt eines Satelliten: Mathematik hilft ihn zu bestimmen.
- Ob Goldener Schnitt im Design oder Zuschnitt im Holzwerk: Mathematik bietet die Lösung.
- Ob Herzfrequenz oder Sendefrequenz: Mathematik erlaubt die Analyse beider.
Mathematik ist die Basis.
Die nächste Generation
Wir brauchen junge Menschen, die die Entwicklung voran treiben, und die Probleme lösen, welche die Generationen vor uns nicht hatten, nicht adressiert oder erst erschaffen haben. Die Lösung wird ganz oft durch Unternehmer und Beschäftigte in MINT-Fächern zu finden sein.
Viele Engagierte in MINT-Berufen machen es vor, wie etwa in den Interviews der Fraueninitiative zu MINT zu lesen.
Doch diese Art der Ansprache verfängt eher erst in den höheren Jahrgängen von Gymnasien, wenn sich Studiums- und Berufswünsche ausprägen. Die eigentliche Überzeugungsarbeit ist davor zu leisten. Kinder werden früh für MINT gewonnen oder verloren.
Viele gehen schon früh an die Angst vor Mathematik verloren, sei es durch unbewusst Eltern die Angst vor Mathematik vorleben oder durch ungünstige Indikatoren im Mathematik-Unterricht.
Das muss nicht sein. Alle Eltern können schon weit vor dem Schulbeginn Lust auf Mathematik und Naturwissenschaften machen ‒ die in einigen Bundesändern in der Grundschule Heimat-und-Sach-Unterricht heißen. Ohne spezielle Frühförderung, ohne Druck.
Einfach nur, indem Eltern Zahlen als nützlich betrachten. Wieviele Steinplatten hat unser Vorplatz? Wieviele Äpfel sind in der Obstschale? Wieviele Eier sind noch in der Schachtel, und wieviele Plätze in der Schachtel sind frei? Wieviele Tage sind es noch bis zum Sonntag?
Einfach nur, indem Väter und Mütter Zusammenhänge spannend machen. Wieso wird der Ofen warm? Wieso friere ich im Winter draußen? Warum saugt der Staubsauger, aber bläst der Föhn?
Das können alle Eltern, unabhängig vom eigenen Bildungshintergrund. Das können alle Eltern, die sich für ihre Kinder interessieren. Von daher ist die Misere mit dem verlorenen Fünftel an Kindern nicht alleine dem Bildungssystem anzulasten, denn die Schule betreten die Kinder ja erst, wenn sie ein Drittel des Weges zur Volljährigkeit schon durchlaufen haben. Und das erste Drittel ist wohl der wichtigste Abschnitt.
Und was ist dann mit der Schule?
G8 oder G9? Ganzheitlich!
In Deutschland bekriegen sich Parteien vieler Bundesländer über die richtige Länge der Ausbildung am Gymnasium und wie lange Kinder gemeinsam unterrichtet werden sollen, wo doch die viel drängendere Frage ist: Was sollen unsere Kinder in der Schule lernen? Was brauchen Sie für ihr späteres Leben? Welche Bildungsinhalte braucht unsere Gesellschaft in zehn, zwanzig, dreißig Jahren?
Andere Länder haben ihr Bildungssystem bereits angepasst. Kürzlich vor zwei Jahren etwa Frankreich mit dem STI2D-Programm an den Lycées ‒ den Gymnasien. STI2D steht dabei für »Science, Technology and Sustainable Development« und betrachtet Mathematik und Physik ganzheitlich unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Oder Österreich, wo seit langem die Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) eine gymnasiale Ausbildung mit starkem Technologiefokus bieten.
Doch anschaulicher Mathematikunterricht beginnt schon in der Grundschule. Natürlich, die Grundrechenarten bleiben gleich. Doch je früher Mathematik und das Rechnen auch in anderen Fächern ‒ eben Heimat-und-Sach-Unterricht angewandt werden, desto besser stellen Kinder die Verbindung her und desto besser wird ihnen die Relevanz klar. Fächerübergreifender Unterricht ist kein Allheilmittel, doch können Kinder, die Mathematik und Naturwissenschaft nicht von Haus aus spannend finden, mit diesem wesentlich besser verstehen, wozu das Gelernte gut ist. Ein einfaches »für später« reicht nicht.
MINT-Bildung als Schlüssel
Deutschland als Industrienation, in der viel vom gemeinschaftlichen Wohlstand durch eine gute Stellung im Maschinenbau begründet werden kann, braucht Innovation. Und Innovation gedeiht auf einem Fundament von Bildung, Erfahrung und breitem und tiefem Verständnis. Auf einem Fundament formaler und informeller Bildung, also schulischem und praktischem Lernen.
Es ist gut, zu sehen, dass sich eine breite Schar an Initiativen und Firmen engagiert, MINT nach vorne zu bringen. Und ich freue mich, dass MathWorks mit dabei ist. Natürlich tun die Firmen das nicht aus reinem Altruismus. Mehr MINT bedeutet vielleicht besser ausgebildete zukünftige Arbeitnehmer, oder zukünftige Kunden.
Ich gehe noch weiter. MINT bedeutet unsere Zukunft als Industrie- und Entwicklungsstandort. Ohne diese Zukunft sehe ich keine Grundlage für damit gemeinschaftlichen Wohlstand. Von daher ist jedes Engagement in Richtung MINT eine Investition in das gesellschaftliche Ökosystem.
Berliner Software-Startups sind irgendwie auch Teil von MINT und bisweilen wohl erfreulich für die Gründer. Im großen Maßstab brauchen wir weiterhin die Masse der kleinen und mittleren und auch großen Unternehmen, die mit MINT-Fähigkeiten Lösungen liefern auf Fragen, die wir vielleicht vor einigen Jahrzehnten noch nicht einmal stellen konnten.
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, das ist Musik in meinen Ohren. Vier elementare Bestandteile des einundzwanzigsten Jahrhunderts, und besonders in und für Deutschland. MINT wirkt auf unsere Gesellschaft und die Gesellschaft wirkt auf MINT.
So lange Personen des öffentlichen Lebens sich cool vorkommen, wenn Sie damit kokettieren, »früher in Mathe schlecht gewesen« zu sein und diejenigen, die Mathematik, Physik und Informatik toll finden, als Nerds gehänselt werden, so lange ist die MINT Initiative noch nicht am Ziel. Wir haben es dann geschafft, wenn sich als cool angesehene Schüler hinstellen können und sagen »Ich liebe Mathe«. Oder wie einige Kollegen von mir singen: »I’m good with math, so call me nerdy.«
Foto: Joachim Schlosser, Lizenz CC-BY
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