Rotes Telefon

Medienkompetenz beginnt schon mit dem Telefon

Gibt es eine Verbindung zwischen Christian Wulff und Medienkompetenz? Wie die meisten Verbindungen würde er auch diese wohl reflexartig leugnen, und ich stimme ihm zu. Mangelnde Medienkompetenz jedoch mit emotionaler Aufregung zu entschuldigen, macht es noch schlimmer, denn was macht er denn, wenn wirklich mal was in der Sache ernstes ist?

Was ist Medienkompetenz? Ohne nachzusehen: im eigentlichen Wortsinne wird dies wohl die Kompetenz sein, mit Medien umzugehen. Welche Medien ist durch den Begriff zunächst nicht festgelegt. In den letzten Jahren wird jedoch hauptsächlich Fernsehen und vor allem Internet als Medien gesehen, für die es einer Kompetenz bedarf, oder auf der anderen Seite vor allem fürs Internet besonderere Regulierungen, die eine Kompetenz wiederum überflüssig machen sollen. Ich halte es da eher mit der Erklärung des Elektrischen Reporters Mario Sixtus.

Interessanterweise fordert die Politik oftmals eher Regulierungen, während Intensivnutzer eher die Medienkompetenz fordern und gelegentlich klarer umreißen. Wenn Politiker Medienkompetenz fordern, dann mit Fokus auf Kinder und auch wieder eher regulierend (Siehe Sabine Böger, »Sachstand«, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags). Woher kommt das? Vielleicht daher, dass so mancher Spitzenakteur der Politik nicht eben vor Medienkompetenz strotzt? Oder weil sich mancher Medienkompetenz darin erschöpft, wortgewandt in ein Mikrofon eines Journalisten zu sprechen?

Was ist also Medienkompetenz? Für mich ist es die Fähigkeit, ein Kommunikations- oder Unterhaltungsmedium so zu verwenden, dass der persönliche Nutzen kurz-, mittel- und langfristig am besten werde.

Konsumierende Medienkompetenz

Beim Fernsehen entscheide ich also, wie viel und was ich sehen möchte, und wäge das gegen meine sonstigen Interessen ab. Muss ich diese Sendung wirklich sehen, oder mache ich lieber etwas anderes? Schalte ich nach der Sendung ab oder zappe ich noch vier Stunden herum? Schaue ich den Plasberg oder den Jauch oder den Schmidt? (Keinen der dreien) Schaue ich Tatort oder CSI? (Keines von beiden)? Schaue ich Power Rangers oder Sendung mit der Maus? (Sendung mit der Maus, zusammen mit meinen Kindern, gibt’s auch als Podcast).

Am Computer gibt es einen Kanon an Kompetenzen: Überleg’ nochmal, bevor du die eMail abschickst, an wen du sie schickst und weshalb, und ob der Inhalt angemessen ist (das hieß früher Netiquette). Klick nicht auf alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Lerne die Qualität und Urheber von Quellen (ein)zu-schätzen. Glaub’ Wikipedia nicht alles. Halt dein System sauber. Verstehe den Unterschied zwischen privater, halböffentlicher und öffentlicher Äußerung. Lerne, wie du die Privatsphäreneinstellungen von Facebook & Co nutzt. Deine Schnapsfotos will keiner sehen. Und das wichtigste: Das Internet besteht nicht aus Computern, sondern aus Menschen. Sei dir bewusst, dass am anderen Ende immer ein Mensch sitzt, einer den du kennst oder einer den du nicht kennst, einer der dich kennt oder einer der dich nicht kennt.

Der Fernseher ist konzeptbedingt ein einseitiges Medium, das hauptsächlich dem Konsum von Unterhaltung und Information dient. Computer und Internet können sowohl Unterhaltung und Information, aber nicht nur konsumieren, sondern auch schaffen. Und sie ermöglichen dadurch und darüber hinaus Kommunikation. Es ist ein komplexes, vielschichtiges Medium, das ganz unterschiedliche Arten der Nutzung erlaubt, und, wenn der Kompetenzkanon genutzt wird, für Anwender jeder Nutzungsintensität und –tiefe einen großen Mehrwert darstellt. So braucht jemand, der Videos oder Podcasts herstellt, noch zusätzliche Medienkompetenz, die dabei hilft, keinen selbstschädigenden Blödsinn zu verewigen.

Zwischenbilanz: Mangelnde Medienkompetenz beim Fernsehen vermatscht das eigene Gehirn, fällt aber nicht direkt und sofort auf. Mangelnde Medienkompetenz beim Computer kann direkten negativen Einfluss auf die eigene Person haben.

Kommunizierende Medienkompetenz

Wie einfach scheint dagegen das Telefonieren. Man wählt eine Nummer, und spricht direkt mit Menschen, bekommt direkte Rückmeldung. Nun, nicht immer, denn manchmal ist die betreffende nicht da und der Anrufbeantworter beantwortet den Anruf (deswegen heisst der so). Und jetzt ist wieder Medienkompetenz gefragt: Der Anrufende muss nun erkennen und realisieren, dass er nicht mit einem Mensch spricht, sondern eine Aussage zu Protokoll gibt, die direkt aufgenommen wird. Mag das Großhirn dies vielleicht noch rasch begreifen, ist das Limbische System, dazu nicht in der Lage. Die Medienkompetenz am Anrufbeantworter besteht also darin, sich nicht auszukotzen.

Auch beim Telefon steigen die Erfordernisse an die Medienkompetenz überproportional mit der  Position des Anrufenden. Ich bin kein Politiker, sondern ein relativ kleines Licht in einer Softwarefirma, doch weiss ich: Raunze niemanden auf dem Anrufbeantworter an. Der Anrufbeantworter eines Redakteurs ist wie Radiointerview anzusehen. Ebenso wie am Computer: Schreib keine eMail, wenn du aufgewühlt bist. So wie ich manche Angelegenheiten, egal ob beruflich oder privat, schlichtweg nicht per Mail oder per Anrufbeantworter-Pingpong klären will, sondern nur im direkten Gespräch oder Telefonat. Weiss das nicht jeder Politiker? Ist das nicht Gegenstand eines jeden Medientrainings, das Spitzenpolitiker (hoffentlich) genießen? Wenn der Bundespräsident einem Chefredakteur einfach nur auf die Mailbox spräche und dringen um Rückruf bäte, könnte er nicht sicher sein, diesen rasch zu bekommen? Ich habe bestimmt auch schon oft ein Medium falsch eingesetzt und mir damit geschadet. Doch das hatte bislang keine Breitenwirkung.

Ich möchte hier weder den Sachvorgang noch die Rolle der Massenmedien in der Anfangsphase der Schlammschlacht bewerten. Doch wenn der erste Mann im Staat nicht weiss, wann er besser etwas sagt (zu Beginn) und wann besser nicht (ins Telefon), und wann er besser jemand um Rat fragt (ganz früh), dann mache ich mir Sorgen. Und nicht nur ich.

(Foto: Binny V A on Flickr, Lizenz CC-BY-SA)

Teilen & Verweilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Kostenloses eBook

Das eBook »E-Mail effizient einsetzen« zeigt Ihnen, wie Sie E-Mail besser nutzen. Mehr Info…

Über 1900 E-Mail-Abonnenten!


Beliebteste Beiträge