Produktivität im Einzelnen und in Teams: Wie wir arbeiten hat mehr Einfluss auf Produktivität als mit wem oder an was wir arbeiten.
Smarter Faster Better von Charles Duhigg bietet für regelmäßige Leser von Büchern des Genres Produktivität und Selbsthilfe wenig neues, das jedoch schön mit Geschichten garniert. Insgesamt dennoch eine moderate Leseempfehlung, weil es sich als Einstieg in die Thematik gut eignet, und auch für Erfahrene eine gute Wiederholung darstellt.
Ansonsten empfehle ich die Bibel und Primärliteratur zu dem Thema: Schnelles und langsames Denken von Daniel Kahneman
Was ist eigentlich Produktivität? Duhigg gibt in der Einleitung eine Definition:
“Productivity, put simply, is the name we give our attempts to figure out the best uses of our energy, intellect, and time as we try to seize the most meaningful rewards with the least wasted effort. It’s a process of learning how to succeed with less stress and struggle. It’s about getting things done without sacrificing everything we care about along the way.”
Für mich habe ich aus den acht Kapiteln die folgenden Kernaussagen mitgenommen:
Effektivität, Kontrollwahrnehmung und Kontrollillusion
Wer überzeugt ist, entscheiden zu können und mit seiner Handlung zu etwas beizutragen, ist produktiver.
Dabei ist ohne Belang, ob es sich um tatsächliche Kontrolle handelt, oder nur eine Kontrollillusion. Dabei sei mir der Kommentar erlaubt, dass die meisten Reporting- und Detailplanungs-Strukturen in Firmen nur die Kontrollillusion bedienen, ohne tatsächlich eine sachliche Wirkung zu haben. Aber Placebos wirken eben auch.
Das Beispiel der Rekrutenausbildung bei den US Navy Seals zeigt schön die veränderte Anforderungslage auch beim Militär.
Teams: Das Wie zählt weniger als das Wer
Produktivität im Team entsteht durch Psychologische Sicherheit, und diese durch gleiche Sprechanteile und Empathie.
Google hat sich intensiv damit beschäftigt, was Teams erfolgreich und wirklich produktiv macht. Zunächst hatte eine interne Forschungsgruppe nach Zusammenhang von Teamzusammensetzung und Leistung gesucht, aber keinen gefunden. Auch die Methode des Zusammenarbeitens im Team brachte keine starke Korrelation.
Die Analyse der Prinzipien des Miteinander brachte schließlich die Lösung: Es darf ruhig sein oder heiß hergehen im Team. Wichtig ist,
- dass im Mittel in den Besprechungen in etwa gleiche Sprechanteile der Teammitglieder zustande kommen, und
- dass Vorschläge eingebracht und wertschätzend diskutiert werden im Sinne sozialer Empathie.
Besonders die gleichen Sprechanteile scheinen eine größere Wirkung zu haben als anfangs angenommen. Gute Teams ziehen ihre gemeinsame Leistung weniger daraus, welche intellektuellen Kapazitäten und individuellen Charaktere die Teammitglieder mitbringen, sondern eben ob diese zwei Paradigmen der Kommunikation im Team etabliert werden.
Mentale Modelle und Fokus
Je mehr wir uns unser eigenes Leben erzählen, desto weniger sind wir davon überrascht, was wir selbst und andere dann tun.
Oft leben und arbeiten wir in den Tag hinein, und sind dann überrascht von dem, was uns widerfährt, sei es Gespräche oder andere Interaktionen.
So wie Piloten besondere Situationen oft simulieren und trainieren, um im Fall des Falles dann angemessen agieren zu können, so können auch wir durch mentale Simulation unsere kognitive Last reduzieren. Stell Dir sich vor, wie das nächste Gespräch mit dem Kunden, Kollegen oder Kind laufen könnte. Was sagst Du, was sagt die andere? Wie könnte es noch laufen? Wie genau verlief die letzte Interaktion?
Je mehr wir uns unser eigenes Leben erzählen, so Duhigg in Smarter Faster Better, desto weniger sind wir davon überrascht, was wir selbst und andere dann tun.
Das Beispiel im Kapitel ist Air France Flug 440, der wegen falscher Reaktion der Piloten auf eingefrorene Sensoren über dem Atlantik abstürzte. Ein beeindruckend erzähltes Beispiel, allein ich bin mir nicht sicher, ob ich den Schlüssen daraus wirklich zustimme.
Ziele: SMART oder nicht SMART?
Größere, zielgerichtete Produktivität entsteht durch Stretch Goals und S.M.A.R.T. Objectives.
Mittlerweile sollte sich das seinerzeit von Jack Welch bei General Electric eingeführte managen mit Zielen nach der S.M.A.R.T. Formel herumgesprochen haben: Specific, Measurable, Achievable, Realistic, Timebound. Also Spezifisch, Messbar, Anstrebbar, Realistisch, Terminierbar. Dazu übrigens auch meine Buchbesprechung von Jack Welch: Winning.
In der Praxis führt das oft zu kleinem Denken, in dem nur einfach und sichere Ziele eben nach SMART definiert werden, sich aber keiner mehr was traut. Ziele sind dann nur noch dazu da, abgehakt zu werden. Die Sinnhaftigkeit des einzelnen Ziels im größeren Zusammenhang ist bisweilen nicht mehr gegeben.
Duhigg propagiert deshalb zusätzlich eine Ebene an Stretch Goals, also sehr großen Zielen, bei denen der Lösungsweg eben nicht von vornherein klar ist. Um sich nicht völlig im Wolkenkukuksheim zu verrennen, sollte dann mittels SMARTen Zielen das große herunter gebrochen werden.
Das Prinzip der großen, ambitionierten Ziele hatten übrigens vor vielen Jahren schon Jim Collins und Jerry I. Porras in ihrem Buch Built to Last erkannt und beschrieben, und eben Jack Welch in Winning.
Management: Agiles Denken
Entscheidungen sind so nah wie möglich am Problem zu treffen.
Viel Effektivität in Teams und vor allem Organisationen wird verschenkt, weil Entscheidungen zu zentral und weit oben getroffen werden. Das führt dazu, dass Menschen über die beste Lösung befinden sollen, die oft weder den Kontext noch das Problem genau sehen können. Besser: Entscheidungskompetenz dorthin delegieren, wo das Problem genau gesehen wird, so nah dran wie möglich.
Das hat auch den Vorteil, dass möglichst viele Entscheidungen dann lokal getroffen werden, und ohne größere Nachteile auch ausprobiert werden kann. Dazu ist freilich eine Fehlerkultur notwendig, die Fehler als Experimente ansieht.
Im wesentlichen legt Charles Duhigg hier den Scrum Ansatz dar. Dazu sehr empfehlenswert: Das Buch dazu von Jeff Sutherland: Doing Twice the Work in Half the Time, das auch das Beispiel des FBI-Softwaresystems detaillierter ausführt.
Entscheidungen: Bayesian Inference – Probabilisitisches Denken für eine unsichere Zukunft
Wir leben nicht in sicherem Ja oder Nein, sondern in Wahrscheinlichkeiten.
Viele Entscheidungen fallen uns schwer, weil wir unsicher sind, ob sich die Dinge so entwickeln, wie wir das wünschen. Es gibt keine sicheren Optionen, keine Gewissheit.
Was hilft, ist Bayesian Inference oder Probabilitisches Denken. Ereignisse treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein. Das heisst die Frage »Schneit es morgen in der früh?« ist nicht mit ja oder nein zu beantworten. Mit 60% Wahrscheinlichkeit bleibt es trocken. Mit 35% Wahrscheinlichkeit schneit es. Und mit 5% Wahrscheinlichkeit tritt vielleicht etwas ein, an das ich gar nicht gedacht habe, beispielsweise Regen oder Hagel.
Sobald wir akzeptieren, dass immer mehrere Optionen möglich sind, können wir auch akzeptieren, dass es eben keine präzise Vorhersage gibt. Wir stellen eine Hypothese über die Zukunft auf, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit haltbar ist oder eben nicht. Die Wahrscheinlichkeit selber lässt sich bestimmen, aufgrund von Annahmen, die selbst wiederum nur zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit zutreffen. Das ist okay.
Das Beispiel des Kapitels – eine Poker spielende Akademikerin der Fächer Mathematik und Psychologie – illustriert eindrucksvoll das Konzept des Denkens in mehreren parallelen Strängen.
Innovation und Kreativität: Rekombination von Vorhandenem und der Person
Kreativität wird befördert, in dem wir vom Bekannten ausgehen und neu kombinieren.
Das Projekt geht nicht weiter, wir drehen uns im Kreis. Die ganze Geschichte ist nicht wirklich rund, es passt einfach nicht. So ging es den Leuten bei Disney, 18 Monate vor Erscheinen des Films »Frozen«, und so geht es Ihnen und mir bisweilen auch in eigenen Projekten.
Oft hilft dann, einen Schritt zurück zu treten, und heraus zu finden, was der Kern der Geschichte ist oder sein soll. Was ist die Botschaft, die eigentliche Aussage? Und vor allem – was hat das mit uns selbst zu tun? Die Lösung kommt nicht leichter, wenn wir unbedingt alles anders machen wollen. Stattdessen dürfen wir immer wieder zu dem zurück kommen, was wir bereits kennen, und dann sehen, wie sich das Bekannte neu kombinieren lässt. Welchen neuen Aspekt fördern wir zutage, wenn wir Altes in einer Weise kombinieren, die vorher so noch nicht da war?
Mit Daten arbeiten statt Daten nur konsumieren
Daten haben allein nützt nichts – man muss schon was damit probieren.
Unter dem Stichwort Disfluency stellt Duhigg den Engineering Prozess vor und plädiert für ein aktiveres Herangehen an die Möglichkeiten und Daten, die wir haben. Dazu habe ich vor einigen Jahren übrigens einen ganzen Artikel geschrieben: Thesen zu Industrie 4.0.
Im konkreten Beispiel der mangelnden Qualität der Grund- und Mittelschule in einem US-amerikanischen Distrikt lieferte ein bewusster Medienbruch – von digital aufbereiteten Resultaten und Statistiken hin zu papierbasierter individueller Aufzeichnung und Zeichnung – die Disfluency. Die Lehrer begannen, zu mit ihren Unterrichtsmethoden zu experimentieren und so herauszufinden, wie jeder einzelne Schüler besser begreift. Ein Experiment mit möglichst wenigen Variablen in einer Zeiteinheit, damit Mittel und Wirkung besser sichtbar war.
Wann immer wir ein Problem haben, lohnt es sich, ein paar Schritte zurück zu treten und zu prüfen, ob mehr Geld oder mehr Daten tatsächlich eine Lösung näher bringen. Oft haben wir bereits alle Ressourcen, die wir zur Lösung benötigen und müssen nur herausfinden wie.
Smarter Faster Better – Lagerfeuergeschichten
Smarter Faster Better von Charles Duhigg ist auch ein Geschichtenbuch. Man kann die Beispiele und Geschichten in Smarter Faster Better für die jeweilige Aussage als passend erachten oder nicht. Die Umfangreichen Erzählungen in den Kapiteln, die jeweils einen Aspekt von schlauer, schneller, besser illustrieren sollen, sind für sich schon toll erzählt.
Die Lehren, die Duhigg aus seinen Geschichten zieht, sind ebenfalls nützlich. Meist nicht neu, aber darum geht es mir mit Büchern dieser Kategorie auch gar nicht. In so vielen Bereichen haben wir kein Wissensproblem, sondern ein Wahrnehmungsproblem.
Und genau dafür mag ich Charles Duhiggs Smarter Faster Better: Als Erinnerung daran, wie Fortschritt im Persönlichen und im Team entstehen.
Hätte er sein Buch in 25 statt 250 Seiten schreiben können? Na sicher, und mit der Zusammenfassung im Epilog hat er das gewissermaßen auch, wo er alle Methoden nochmal auflistet und anhand seiner Arbeit an genau diesem Buch einordnet. Aber darum geht es nicht. Wissen allein ist es nicht. Charles Duhigg erzählt Lagerfeuergeschichten über das, was Menschen eben schlauer, schneller und besser macht.
Wir Menschen haben schon immer Wissen über Geschichten weitergegeben. Und das macht Duhigg.
Deshalb fand ich hier besonders die Darreichungsform Hörbuch sehr passend. Der Sprecher des Audiobook von Smarter Faster Better liest pointiert, ruhig und doch lebendig. Das Englisch ist gut verständlich, sowohl in Aussprache als auch Duhiggs Formulierungen.
Charles Duhiggs Smarter Faster Better ist eine Leseempfehlung – als Geschichtenbuch. Wenn Du tatsächlich nur kurz was lernen möchtest, liest Du eben nur das letzte Kapitel.
- Buch Charles Duhigg: Smarter Faster Better: The Secrets of Being Productive in Life and Business
- Hörbuch Charles Duhigg: Smarter Faster Better: The Secrets of Being Productive in Life and Business
Schlauer, schneller, besser werden
Hast Du das Buch gelesen? Was hat Dir daran gefallen, was nicht? Wie passt das Buch zu anderen, vergleichbaren?
Lass die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere bitte!
Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
Schreiben Sie einen Kommentar