Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist? Eine gute Frage, die Raum lässt für viele Anschlussfragen. Gleichzeitig ist diese Frage Thema und Problem des neuen Buches von Eckhart von Hirschhausen.
Nachdem ich seine beiden vorigen Bücher »Glück kommt selten allein« und »Die Leber wächst mit ihren Aufgaben« sehr gelungen fand, war ich gespannt, was er diesmal brächte.
In die Beliebigkeit
Nun, knapp dreihundert Seiten später, fühle ich mich zwar gut unterhalten, weiß jedoch noch nicht, was uns Hirschhausen damit sagen möchte, er kann die Antwort auf seine Frage ja auch nicht geben. »Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?« beginnt durchaus vielversprechend. Das Buch behandelt zunächst die langfristigen Aspekte von Beziehungen und setzt diese teilweise in wissenschaftlichen, immer jedoch in humorigen Kontext. Dabei geht es nicht nur um die partnerschaftliche Liebe, sondern auch die verschiedenen Ausprägungen wie Eltern und Kind sowie Freundschaften und natürlich auch sich selbst.
Dann jedoch driftet Hirschhausen ab, und spätestens als er über die ach so tragische Digitalisierung und die heimelige Haptik eines gedruckten Buches spricht, liegt die Vermutung nahe: Da war für das eigentliche Thema zu wenig Fleisch da, da musste man etwas strecken. Auf dem Weg dorthin und darüber hinaus streift er denn auch viele Einzelthemen wie etwa Zahnarztbesuche, Krake Paul, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Wasserhähne. Nennen Sie mich ruhig engstirnig, aber da finde ich keinen roten Faden mehr.
Auf die Wortspielbank
Eckhart von Hirschhausens Buch ist überaus unterhaltsam zu lesen, wenngleich der Titel schon vermuten lässt: Da hat einer ein Faible für Wortspiele. Und ja, Eckhart von Hirschhausen ist ein Wortspiel-Experte. Das ist an dem Buch auch – neben dem mäandern durch die Themenwelten – das Anstrengende. Er muss unbedingt jedes, aber auch wirklich jedes Wortspiel bringen, und das wirkt bisweilen bemüht. Die Wortspieldichte ist derart hoch, dass »Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?« eigentlich schon den Tatbestand wahlweise prosaischer Lyrik oder Zeugnis eines Strebers erfüllt. Das Verblüffende daran für mich ist, dass ich dann schon allein deshalb weiterlas, weil ich gespannt darauf war, welche Wortspiele er auf der nächsten Seite aus seinen Themen herausholt.
Eckhart von Hirschhausen lese ich ja lieber, im Fernsehen ertrage ich ihn nicht, denn da spricht er so, wie er schreibt, und da – Entschuldigung – schwitzt ihm der Streber aus jeder Pore. In der Stimme, im Duktus, im Habitus. Geht gar nicht. Bei Dieter Nuhr ist das genau andersherum. Dessen letztes Buch »Das Geheimnis des perfekten Tages« habe ich aufgehört, weil es so gar ohne Thema und roten Faden war, anders als das Vorgängerbuch »Gibt es intelligentes Leben?«. Ihm jedoch höre ich auf der Bühne sehr gerne zu, weil mir seine Art vorzutragen und zu sprechen sehr entgegenkommt. Nuhr pflegt ja sein Image als Klugscheißer (sagt er selbst, deswegen kann ich das so schreiben) bewusst und mit einem Augenzwinkern. Dieses Augenzwinkern nehme ich bei Hirschhausen eher nicht wahr. Da habe ich immer das Gefühl gleich spränge er auf und riefe »ich weiß noch was tolles!« Andererseits ist dies auch Zeugnis seines Sendungsbewusstseins über die positive Wirkung von Humor, die er mit der Organisation »Humor hilft heilen« in Krankenhäuser hineinträgt.
In die Unterhaltung
Sehr unterhaltsam finde ich die regelmäßig eingestreuten Doppelseiten mit abgedruckten Karten aus seinen Bühnenprogrammen, auf denen er Zuschauer niederschreiben ließ, was die schönste Liebeserklärung oder der schönste Liebesbeweis war, die sie jemals erhalten haben – auf roten Karten – und auf der anderen Seite das schlimmste, was jemals zu ihnen gesagt wurde – auf schwarzen Karten. Die Poesie der Liebesbeweise und Beschimpfungen gibt dem Buch noch einmal einen ganz besonderen Dreh.
»Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?« ein schön gesetztes Buch. Der Text selbst ist mit einem ordentlichen Seitenspiegel gesetzt, die zumeist wortverspielten Fotos in voller Papierbreite fügen sich gut ein. Die abgesetzten Elemente, wie die erwähnten Doppelseiten mit den roten und schwarzen Karten lockern das Lesen auf. Ungewöhnlich, aber schön umgesetzt sind die laufenden Kolumnentitel – also die Unterkapitelüberschrift auf jeder Seite abgedruckt – in weißer Schrift auf blauem Grund außen an linken Seiten. Jedes Kapitel beginnt mit einer luftig gesetzten Doppelseite mit Foto im Vollformat, auch das ein schönes Detail.
Das Buch ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet, aber ohne typografischen Firlefanz. Alles ist an seinem Platz, hat Funktion und sieht schön aus. Ich beglückwünsche Gestalterin und Setzerin Änni Perner zu diesem Werk. Schon allein deswegen war’s das Buch wert. Und Herr Hirschhausen gibt sich nächstes Mal bitte etwas mehr Mühe, beim Thema zu bleiben.
Weiter
Abschließend stelle für mich fest:
- »Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?« ist nicht Hirschhausens bestes Buch. Zu viel mäandern, zu wenig Bogen. Sehr hohe Wortspieldichte und deshalb knapp an der Schmerzgrenze. Durchaus unterhaltsam zu lesen.
- Hirschhausen hat eine gute Mission, allein sie wird durch dieses Buch nicht unterstützt.
- Dieses Buch ist wohl – anders als die Vorgängerbücher – eher für Besucher seines aktuellen Bühnenprogramms geeignet als für Nur-Leser.
- Eckhart von Hirschhausen lieber lesen als sehen & hören.
- Dieter Nuhr lieber sehen & hören als lesen.
- Hirschhausens Art, die Geschichte vom Pinguin und der Wahl der Umgebung zu erzählen, ist wunderbar.
- Änni Perner hat’s raus.
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