Lesen: Daniel Tammet – Elf ist freundlich und Fünf ist laut

“…und Ihnen die Zuversicht vermitteln, dass es letzten Endes möglich ist, ein glückliches und produktives Leben zu führen. Ich bin der lebende Beweis dafür.”

Ein Savant ist ein Autist oder Asperger mit besonderen Fähigkeiten, wie etwa hoher Gedächtnisleistung, grandiosen Rechenkünsten oder besonderem Sprachverständnis. Synästhesie ist ein davon unabhängiges Phänomen, bei dem Menschen für bestimmte Buchstaben, Worte oder Zahlen andere Sinneseindrücke wie Formen, Farben, Gerüche oder Klänge spüren. Daniel Tammet vereint beide Phänomene, und er hat ein Buch über sich geschrieben: Elf ist freundlich und Fünf ist laut.

Sein Autismus ermöglicht ihm sehr vieles im Leben, was dem durchschnittlichen Menschen verwehrt bleibt, schränkt jedoch auch vieles in seinem Leben ein, besonders in Verbindung mit der Synästhesie, die ihn Zahlen als Farben, Töne oder Formen wahrnehmen lässt und eine Art von Harmonie erforderlich macht, die die Welt oftmals nicht bieten kann.

Das einzigartige an Daniel Tammet ist, dass er, wie er selbst schreibt, “nicht unter einer besonders schweren Behinderung leide, die häufig mit Begabungen wie den meinen einhergehen.” Auf diese Weise legt Tammet ein Werk vor, welches den Leser in eine unbekannte Welt führt, eine Welt, die wie eine weitere Sinnesschicht auf der uns bekannten liegt.

Tammet erzählt eindringlich von seiner Kindheit und Jugend, in der rückblickend bereits von Anfang an Anzeichen des Asperger Syndroms und der Synästhesie auftraten. Die Symptome verwirrten ihn zum einen und führten dazu, dass er sich von vielem ausgeschlossen fühlte, stellten jedoch auf der anderen Seite eine Bereicherung dar. Ich kann mir wohl vorstellen, dass die Harmonie eines Wortes, einer Zahl, einer Farbe ein sehr beglückender Sinneseindruck sein kann.

Elf ist freundlich und Fünf ist laut ist ein launiges Buch, das Anekdoten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verbinden weiß und daneben seine Stärke daraus bezieht, dass die Eindrücke aus erster Hand stammen. Tammet und die Leser haben das Glück, dass er ganz präzise zu beschreiben vermag, was in ihm vorgeht, und wie sich die Welt für ihn darstellt. Und dabei geht es nicht nur um die faszinierenden Aspekte von Savants und Synästheten, sondern auch um die Schilderungen seiner eigenen Eindrücke des Asperger Syndroms.

Besonders gefallen mir an diesem Buch auch die eingestreuten Skizzen von Daniel Tammet, in denen er einzelne Aspekte wie etwa sein visuelles Gefühl beim Multiplizieren von Zahlen oder beim Sprechen in fremden Sprachen beschreibt. Die Fähigkeit, in wenigen Tagen eine fremde Sprache fließend zu beherrschen, hat Tammet denn auch bereits auf einige Reisen geführt, die er wiederum auf seine eigene Weise Revue passieren lässt.

Ich mag dieses Buch. Es ist weder ein Mitleidspamphlet, wie es zu dem Thema ja einige gibt, noch ein Werk der Verklärung der Fähigkeiten Tammets, sondern einfach eine ganz persönliche Erklärung, er schreibt genau und anschaulich. Die Übersetzung von Maren Klostermann finde ich ebenfalls gelungen, da die Spracheindrücke Tammets auch im Deutschen wirken.

Layout und Satz von Elf ist freundlich und Fünf ist laut sind schlicht, aber harmonisch. Neben einigen Skizzen Tammets ist am Anfang jedes Kapitels eine Skizze des Sinneseindrucks von Tammet des jeweiligen Kapitels abgebildet, was ich eine schöne Idee finde.

Wer Autismus aus der Sicht eines Autisten lesen möchte, der nehme dieses Buch zur Hand.

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