SEFI 2013 Conference Awards

Ingenieursstudium ‒ projektbasiert, nachhaltig, lernzentriert ‒ SEFI 2013

SEFI ist die »Société Européenne pour la Formation des Ingénieurs«, eine Organisation, die sich der Frage verschrieben hat, wie Studenten lernen, wie Professoren lehren und wie das Curriculum die Fähigkeit der nächsten Generation zur Innovation fördert. Die jährliche Konferenz fand diesmal in Leuven, Belgien statt. Das Motto war »SEFI 2013 ‒ Engineering Education Fast Forward 1973>2013>>«, da SEFI auch ihren 40 Geburtstag feiert. Und Raspberry Pi ‒ was das mit der Konferenz zu tun hat? Weiterlesen!

Aus drei Tagen wunderbarer Konferenz fielen mir drei wiederkehrende Muster auf, quer über alle Länder und Fachgebiete hinweg, besonders aber in den Plenarsessions.

1. Projektbasiertes Lernen

Ob es tatsächlich Konfuzius gesagt hat oder ein anderer gescheiter chinesischer Philosph; auf jeden Fall gilt das Sprichwort:

»Sage es mir, ich vergesse es.
Zeige es mir, ich behalte es.
Lass es mich tun, ich verstehe.«

Und genau das ist dabei, sich in der universitären Ausbildung durchzusetzen, und zwar nicht nur indem Studierende eben selbst Aufgaben rechnen wie in der Schule, sondern indem sie selbständig Probleme in Form von Projekten lösen dürfen. Auf diese Weise wird die Lernerfahrung ganzheitlicher, es werden mehrere verschiedene Kompetenzen trainiert anstatt nur das Fachwissen.

Gleichzeitig stellen viele Vortragende fest, dass dies auch der Motivation der Studierenden zugute käme.

Raspberry Pi with Simulink

Um diesem Thema zu noch etwas live erfahrbares Futter zu geben, wurden wir (=MathWorks, der Hersteller von MATLAB & Simulink) von den Organisatoren gebeten, unsere Hands-on Workshops ‒ in akademischen Worten würde man das Tutorial nennen ‒ zum Thema Projektbasiertes lernen zu geben. So waren wir mit unserem Simulink für Lego Mindstorms Workshop vor Ort, den ich im Artikel über die IEEE EDUCON schon vorgestellt habe, und ‒ ganz neu ‒ gleich zweimal mit dem Simulink für Raspberry Pi Workshop. Die Professoren und Lehrschaffenden, und beim zweiten Durchgang auch Studierende hatten Spaß mit verschiedenen Anwendungen einer Webcam und der Erstellung und Simulation der Algorithmen dafür in Simulink.

Raspberry Pi with Simulink and Breadboard Connector

Wer die Integration von Simulink und Raspberry Pi selber ausprobieren möchte, der findet auf der MakerZone-Seite alles, was man dazu braucht. Dort gibt’s auch Futter für diejenigen, die eher an Simulink auf Lego Mindstorms oder Arduino interessiert sind.

2. Nachhaltiges Lernen

Zugegeben, die Überschrift ist ein Wortspiel. Es geht dabei in erster Linie um das Erlernen von Nachhaltigkeit. Wie kann Ingenieuren die ethische Dimension ihres Tuns nahe gebracht werden? In diesem Themenkomplex wurde nicht nur behandelt, wie sich Ingenieure überhaupt Gedanken machen können, was sie da so entwickelt, sondern auch, wie man die gesellschaftlichen Einflüsse der Technologien und vice versa didaktisch aufbereiten kann. Ein Zitat von Carl Mitcham von der Uni Colorado blieb mir im Gedächtnis:

»We construct environments. And the environment constructs us.«

In diesem Zusammenhang ist freilich auch Ressourceneffizienz gefragt. Wie die Kreativität fördern, die vollkommen neue Wege zu weniger Energie- und Materialeinsatz führt? Und wenn der Weg erst einmal gefunden ist, benötigen die Jungingenieure erhebliche Kompetenz in Sachen Gesamtsystemoptimierung.

Die andere Bedeutung von »Nachhaltiges Lernen« ist die, dass das Lernen eben nachhaltig sein soll, also haften bleibt. Nicht Wissen allein zählt, sondern Können. Stichworte sind hier wiederum Motivation, aber auch das schöne Wort Employability, also die praktische Einsetzbarkeit der jungen Ingenieure, und Kreativität.

Durch einfacher verfügbare Technologie wie die oben genannten günstigen Hardwareplattformen Raspberry Pi und Arduino, aber auch andere, können die Studierenden leichter an eigenen Projekten arbeiten und die Theorie in die Praxis umsetzen. In diesem Kontext waren auch unsere beiden Papers untergebracht, in denen es zum einen über Simulation im Technik/Physikunterricht an französischen Gymnasien (Lycée) ging, zum anderen über die Erfahrungen mit integrierten Curricula, bei denen Programmier- und Modellierungskenntnisse im Verlauf des Studiums systematisch genutzt und ausgebaut werden.

3. Distant Learning

MOOC. Massive Open Online Courses. Omnipräsent während der Konferenz. Peter B. Sloep von der Open Universiteit in den Niederlanden, der sich primär mit Online-Lehre aus Forschungssicht beschäftigt, unterscheidet hier ganz gravierend zwischen xMOOC und cMOOC: Die aktuell stark populär werdenden MOOCs auf Plattformen wie edX von MIT und Harvard, oder Coursera und weiteren, bieten die Möglichkeit zum asynchronen lernen, so dass der Student eben nicht mehr in der Vorlesung sitzen muss, wenn diese gerade gehalten wird. Der Dozent übrigens auch nicht mehr. Sloep warnt aber davor, das Format xMOOC als den heiligen Gral anzusehen. Viele xMOOCs verwenden eben nur Videos und Text, während das eigentliche Üben und Erfahren zu kurz kommt. Besser sei das Konzept der cMOOCs geeignet, wobei das »c« wahlweise für collaborative, communicative oder creative steht. Hier ist es also essentiell, selbst in echten Gruppen tätig zu werden und gemeinsam zu lernen. Ausserdem sei durchaus kritisch anzumerken, dass viele MOOC-Plattformen von Unternehmen geführt werden und damit die höhere Bildung zunehmend privatisiert und damit entdemokratisiert wird, so Sloep. Sloeps Foliensatz ist online verfügbar:

Auch in MOOCs ist MATLAB übrigens vertreten, etwa im Kurs Discrete Time Signals and Systems auf edX.

Meine persönliche Prognose: MOOCs werden Universitäten nicht überflüssig machen. Für einige Lehrschaffende freilich könnte es eng werden: Warum sollte ich eine drittklassige Vorlesung an der lokalen Uni besuchen, wenn ich denselben Stoff vom weltbesten Lehrer online vermittelt bekommen kann. Doch je mehr der Fokus auf Vermittlung von Können und Erfahrung statt nur Wissen gelegt wird, desto eher brauche ich ja die Universität als Institution, die ich in ihren Räumen aufsuchen kann. Und je mehr Professoren in zweiseitige Interaktion mit ihren Studierenden treten, desto besser für die Studenten und desto weniger kann ein MOOC sie vollkommen ersetzen. Ich bin davon überzeugt, dass MOOCs viele Standard-Lehraufgaben übernehmen können, bei denen halt Inhalte vernünftig erklärt werden müssen. Doch rein aus Videos und Büchern und mit experimentieren im stillen Kämmerlein kommen Studierende auch nicht zu den Kompetenzen, die eben genauso wichtig sind: Projekterfahrung, Teamerfahrung, soziale Kompetenzen und mehr.

Als kleines Highlight zum Abschluss möchte ich noch die musikalische Umrandung des Konferenzdinners nennen. Die Gruppe Violet & Violetje macht Groove mit klassischen Instrumenten. Ein Kammerorchester mit Bewegung und Freude.

Eine englische Fassung dieses Artikels ist verfügbar unter »Engineering Education ‒ Project Based, Learning Focussed ‒ SEFI 2013«

Alle Fotos: Joachim Schlosser, Lizenz Creative Commons Attribution ShareAlike

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