Was, wenn die Art, in der wir denken, fühlen und kommunizieren, nicht statisch für uns als Einzelperson wäre? Was, wenn wir auch anders könnten? Isabel García hat nicht nur mittlerweile einen Kracher-Podcast, sondern auch ein hervorragendes Buch „Ich kann auch anders“, das ich nun endlich besprechen möchte.
In „Ich kann auch anders: Von freundlich bis unbarmherzig – wie Sie das Repertoire Ihrer Kommunikationsmuster wirksam erweitern“ stellt sie ein Modell auf aus vier grundsätzlichen Kommunikationstypen. Jeder Mensch hat Anteile aller Kommunkationstypen, nur eben in stark unterschiedlicher Gewichtung. Die Rhetorik- und Stimmtrainerin hat lange an diesem Modell gearbeitet und es von einer Analysemethode zu einer Coachingmethode weiterentwickelt. Jeder Typ von Kommunikation, sagt sie, kann trainiert werden.
Das Training der Kommunkationstypen erfolgt mit Gestik, mit theatralischen Bewegungen, die zunächst übergroß geübt werden. Und das ist auch der Punkt, wo es mir schwerfällt, das umzusetzen, weil ich ihr Buch als Hörbuch genieße, und in der Bahn eher nicht zu großen Gesten neige.
Arbeiten mit den Elementen
Die vier Elementaren Kommunikationstypen® benennt Isabel García nach den vier Elementen des Altertums. Was ich sehr sympatisch finde: Sie nennt die Elemente die vier Superhelden. Denn jedes Element kann jedem helfen, in bestimmten Situationen besser in Kontakt mit dem Gegenüber zu kommen.
- Erde-Supermann: das Element, das sachlich analysiert und wortkarg arbeitet.
- Wasser-Superfrau: das Element, das die Tiefe, die Emotion sucht. Kann sich bisweilen schlecht abgrenzen.
- Feuer-Supermann: das Element, das die Bühne sucht, und die Bestätigung von außen. Im besten Fall begeisternd, im schlechten Fall arrogant oder cholerisch.
- Luft-Superfrau: das Element, das die leichte Verbindung zu anderem Menschen sucht und stets Harmonie herstellt.
Jeder Mensch hat alle Supermann- und Superfrau-Anteile in sich, nur eben in unterschiedlicher Ausprägung. Meist dominieren ein oder zwei Elemente, und dennoch kommen bei den meisten Menschen alle vor.
Isabel García stellt jeden einzelnen Kommunikationstyp mit den jeweiligen Eigenschaften und Eigenheiten vor und es wird klar: Die kennen wir. Nur macht die Autorin klar, dass es sich eben nicht um eine unveränderliche Prädisposition handelt, sondern nur um Präferenzen, die nur zum Teil auf Veranlagung beruhen, zu einem größeren Teil jedoch auf Prägung. Zudem verkörpern nur wenige Menschen allein einen Kommunikationstyp, was die Gefahr des Stereotyps verringert.
Damit eröffnet sich die Möglichkeit, jederzeit zu wechseln in jeden beliebigen anderen Kommunikationstyp, sind diese doch eine Sammlung von Verhaltensweisen und Herangehensweisen.
Um einen bestimmten Kommunikationstyp in einer bestimmten Situation nutzen zu können ist es hilfreich, ein dazu passendes Gefühl zu erspüren. Dies lehrt die Autorin mitels Gesten.
Arbeiten mit Gesten
Die vier Elemente erschließt Isabel García mittels sechs Gesten, die sie durch die mittelbare Ausbildung von Clown und Schauspieler Frieder Nögge übernommen hat. Die Gesten funktionieren, weil unser Hirn nicht unterscheidet zwischen Gefühlsregungen, die Verhaltensweisen auslösen und den Verhaltensweisen selbst. Deshalb kann ich durch eine Körperhaltung auch wieder Empfindungen und Gedanken hervorrufen.
Zur Übung werden die sechs Gesten immer in der vorgegebenen Sequenz durchlaufen. Dies dient der Konditionierung.
- Deuten: Hier nehme ich etwas in den Fokus, weise darauf hin, konzentriere mich darauf. Eignet sich, um Bestimmtheit auszustrahlen.
- Innenraum: Das Aufnehmen allen Weltschmerzes, und damit verbunden der Rückzug in sich selbst. Dient dem Erzeugen von Mitgefühl.
- Zweifel: Die Unsicherheit, das Verloren-sein in der Situation, das Nicht-ein-noch-aus-Wissen. Dient dem Erzeugen von Unsicherheit.
- Antipathie: Die Abgrenzung, das Grenzen-ziehen, die ganz deutliche, aber ruhige Zurückweisung. Dient genau dem: Abgrenzung.
- Sympathie: Das Zugehen auf den anderen oder eine Situation. Dient der freudigen, offenen Aufnahme.
- Neutral: Das nüchterne Betrachten der Lage so, wie sie ist. Dient dem Ent-Emotionalisieren.
Mich hat beim ersten Hören verwundert, dass es gerade diese sechs Gesten sind, da für mich die klassisch negativ besetzten Gefühlsregungen nuancenreicher vertreten sind als positiv besetzte. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich für mich verstsand, warum das so ist. In Situationen, in denen ich ausdrücken möchte, dass mir etwas „nicht taugt“, kann ich mit den Gesten genauer differenzieren, welche Art von „taugt nicht“ in dem Fall zutrifft.
Mit dem Buch als auch dem Hörbuch kommen Videos, in denen Isabel García die Gesten quasi „vorturnt“.
Und dann folgt die Kombination aus Gesten und Superkräften: Jede Geste existiert in einer Variante auch speziell für jedes Element. Die Kraft des Modells entsteht meiner Ansicht nach aus genau der Kombination.
Rezeption und Konditionierung
Ich finde sehr spannend wie Isabel García die Gesten-Konditionierung positioniert. Denn ihr geht es eben gerade nicht ums schauspielern, nicht ums manipulieren, sondern sie möchte für jeden eine Möglichkeit schaffen, sich situationsadäquat zu verhalten und damit effektiver zu werden. In bestimmten Fällen wollen wir uns beispielsweise abgrenzen, und dann hilft es, wenn wir das auch ausstrahlen. Ebenso bei Sympathie, ebenso wie bei Mitgefühl.
Somit helfen mir die Gesten zusehends, mich in andere hinein zu versetzen. Es wird noch einiger Übung bedürfen, bis ich die Gesten so weit verinnerlicht habe, dass sie zuverlässig bei mir wirken, und bis ich zielgenau dran denke, sie tatsächlich einzusetzen.
Die Deuten-Geste fällt mir noch ziemlich leicht, und mit der Innenraum-Geste kann ich mich mittlerweile ebenfalls anfreunden. Die Neutral-Geste ist mein Grundzustand, die geht auch. Was nochmal eine ganz andere Herausforderung darstellt, sind die Gesten in den verschiedenen Elementen. Auf einer kognitiven Ebene kann ich die Unterschiede nachvollziehen, und bin mir der unterschiedlichen Elemente in mir selbst auch bewusst. Die Gesten mit den damit verbundenen Empfindungen in den verschiedenen Elementen jedoch durchzuziehen ist wirklich nicht leicht.
Schreibstil und Audio
Isabel Garcías „Ich kann auch anders: Von freundlich bis unbarmherzig – wie Sie das Repertoire Ihrer Kommunikationsmuster wirksam erweitern“ fand ich sehr anschaulich geschrieben, mit vielen Beispielen versehen und sehr verständlich. Ich tat mir leicht, mich ins Buch und in die Thematik einzufinden.
Die Autorin spricht das Hörbuch zu „Ich kann auch anders“ selbst, und hier war ich tatsächlich überrascht. Denn ich kannte Frau García hauptsächlich aus ihrem Videopodcast, und da spricht sie eher, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie ihr eigenes Buch lesen zu hören war ungewohnt. Zu Beginn fragte ich mich tatsächlich „Wer bist du, und was hast du mit Isabel García gemacht?“ Die Frau ist ausgebildete Sprecherin und kann derart sauber artikuliert und betont sprechen, so hast du Deutsch noch nie gehört.
Und so ist ihr selbst eingesprochenes Hörbuch zu „Ich kann auch anders“ ein Manifest ihrer Profession: Experte für verbale Kommunikation.
Photos: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike
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