Air Condition Fernando de Sousa on Flickr

Warum ein Hotel nicht geräuscharm bauen?

Es ist dunkel. Ehefrau liegt neben mir und schläft noch. Ich sitze hier auf dem Bett im Hotel, wir sind im Urlaub. Warum werden Hotels eigentlich nicht nach akustischen Aspekten gebaut oder renoviert? Warum wird auf gutes Aussehen so viel mehr wert gelegt als auf die Geräusche, die ein Hotel mit all seinen Gerätschaften und Menschen verursacht oder eben nicht?

Bisweilen habe ich die Notwendigkeit, beruflich unterwegs zu sein und so manche Nacht im Hotel zu verbringen. Dabei fallen mir immer wieder einige Gemeinsamkeiten auf, egal in welcher Klasse von Hotel ich nächtige:

Sogenannte »erlesene Materialien« sind mir ziemlich egal. Mit Marmor im Bad duscht es sich nicht anders als mit Keramik an der Wand und Resopaltisch am Waschbecken. So lange es sauber ist und gut eingebaut, so lange erkennbar ist, dass sich jemand Gedanken gemacht hat und die Badaustattung funktional einwandfrei ist, also nichts tropft und bequem zugänglich ist, bin ich zufrieden. Ich brauche keine goldenen Henkel. Natürlich habe ich mich im Mai in Cambridge im Hotel »The Varsity« über die frei stehende Badewanne ebenso gefreut wie über die gediegenen dunklen Holzmöbel. Doch wäre das Vergnügen nicht halb so groß gewesen, hätte nicht im Zimmer auch völlige Ruhe geherrscht.

Ausstattung ist also schön, jedoch nicht notwendig. Aber die Klimaanlage will ich nicht hören. Keine an- und abschwellende Rotoren der Lüftung. Kein Fußgetrampel auf dem Gang über oder unter mir. Keinen rumpelnden Aufzug, am besten noch mit quietschenden Türen und schnarrenden Seilen. Keine Klospülung vom Nachbarn. Keinen zu lauten Fernseher im Zimmer über meinem. Keinen Ventilator im Bad, und schon gar nicht irgendwelche Klimageräte auf dem erweiterten Flachdach vor meinem Balkon.

Wenn ich eine aufsteigend geordnete Liste aufstellen soll mit den unangenehmsten Geräuschen, sähe diese bei mir aus wie folgt:

  • Badgeräusche aus anderem Zimmer ‒ die wenigsten Leute benutzen das Bad rund um die Uhr
  • Kühlschrank im Zimmer ‒ kann ich meist ausschalten/ausstecken
  • Aufzuggeräusche ‒ ich achte darauf, kein Zimmer am Aufzug zu bekommen
  • Geh- und Türgeräusche ausserhalb ‒ in Partyträchtigen Hotels eher ein Problem als sonstwo.
  • Fernseher in anderem Zimmer ‒ meist kein Problem der eingestellten Lautstärke, sondern der Wände
  • brummender Trafo irgendeines Geräts, da ich die 50-60 Hz deutlich höre ‒ ausstecken wenn möglich
  • Ventilator im Bad ‒ geht meist von selber aus
  • Klimaanlage ‒ kann ich in der Regel ausschalten
  • Lüftungsanlage ausserhalb meines Zimmers

An dieser Liste fällt nun vielleicht auf, dass die meisten Geräusche elektrisch erzeugt sind, wie Ventilatoren, Lüftung, Aufzug und Netzteile.

Abluftrohr
Abluftrohr an unserem Hotel in Italien – so besser nicht.

All diese Geräuschquellen sind ja planbar. Wenn ich also ein Hotel baue oder modernisiere, weiß doch der Architekt oder Anlagenbauer, dass zur Klimatisierung und zum Betrieb des Hotels bestimmte Gerätschaften notwendig sind. Ein Hotel braucht eben einen Aufzug. Klar. Und ein Bad braucht eine Lüftung. Ein Hotel bestimmter Kategorie oder Lage hat eben eine Klimaanlage in jedem Zimmer. Ein Speisesaal desselben Hauses benötigt ebenfalls eine bestimmte Kühl- und Lüftungsleistung. In vielen Fällen steht dann eben auf dem Flachdach eine Armada von rotierenden Ventilatoren, die die Luft umwälzen. Lassen sich diese so positionieren, dass der Schall nicht in die angrenzenden zimmer Gedrückt werden?

Die Klimatisierung eines Zimmers hat meist ebenfalls irgend eine Art Ventilator ‒ außer es ist eine abgehängte Kühldecke, wie sie in manchen Büros (zum Beispiel an meinem Arbeitsplatz) verbaut sind, die überhaupt kein signifikantes Geräusch erzeugen. Wo kann ich das Gerät im Hotelzimmer verbauen? Wie muss es ausgerichtet sein? Welche Verrohrung ist verbaut? Hat diese Verrohrung T-Stücke oder Ecken drin, an denen die Luft zu schwingen beginnt? Bildet die Verrohrung einen Schalltrichter für den Ventilator? Welche Lautstärke gibt der Ventilator ab? Wie stark steigt die Lautstärke nach fünf Betriebsjahren an? Nach zehn, nach fünfzehn? Welches Reinigungsintervall ist notwendig, um den Staub vom Ventilator zu entfernen und den Geräuschpegel niedrig zu halten? Wie wirkt sich das auf die Kosten aus? Ist dann ein etwas teureres Gerät betriebswirtschaftlich sinnvoller, das nicht so schnell Staub ansetzt? Wie ist der Ventilator geregelt, also wie fährt er an und bremst ab? Gibt es einen explizit geräuscharmen Lüfter? Einer meiner liebsten Maschinenbaufirmen liegt im Süden Deutschlands und heißt EBM Papst. Und die haben kürzlich sogar einen Preis für einen besonders leisen Lüfter bekommen. Glückwunsch dazu: Geht doch!

Im jetzigen Ferienhotel am Teutonengrill Adria höre ich zyklisch einen Ventilator abbremsen. Im Betrieb höre ich nichts, doch dann deutlich ein Bremsgeräusch, wie es entsteht wenn einem Elektromotor plötzlich der Strom entzogen wird und er als Generator funktioniert, oder wie eine Scheibenbremse. Warum muss der Ventilator zyklisch angehalten werden? Ist die Regelung eine Bang-Bang-Regelung, das bedeutet wird ein bestimmter Gesamt-Luftstrom erreicht, in dem das Gerät immer wieder ein- und ausgeschalten wird? Gibt es ein drehzahlgeregeltes Modell, das auf einer niedrigen Drehzahl konstant durchfahren kann, und ist dieses vielleicht sogar energieeffizienter?

Wie dick und aus welchem Material müssen Wände gebaut sein, dass sie möglichst effektiv Schall schlucken. Für Neubauten stellt sich die Frage, ob es wirklich ein Betonbau sein muss oder ein Ziegelbau, oder ob nicht eine Holzkonstruktion oder auch Holzständerbau besser geeignet ist. Wenn die Zimmer hauptsächlich mittels Trockenbauwände aufgeteilt sind, wie dick muss eine Wand sein, und mit welchem Dämmmaterial bestückt? Wie ist die Wand konstruiert? Enthält sie Schallbrücken? Und natürlich bringt die beste Wand zwischen zwei Zimmern nichts, wenn dann der Fernseher mit einer Halterung an genau diese Wand geschraubt wird.

Wie ist der Aufzugschacht von den umgebenden Zimmern zu isolieren? Wird eine Dämmung innen am Schacht benötigt, und wie werden die Aufzugtüren der einzelnen Stockwerke installiert? Können die Funktionsräume jeden Stockwerks wie der Putzraum oder das obligatorische Treppenhaus um den Aufzugschacht herum gruppiert werden und damit diesen akustisch entkoppeln?

Leise, aber nervig wegen der Frequenz ist das Geräusch sind manche Transformatoren, also Netzteile elektrischer Geräte mit Niederspannung. Einige dieser Umspanner emittieren ein leises Brummen von 50-60 Hertz, also der Frequenz der Wechselspannung. Nicht alle, nur einige schlechte eben. Beispiele dafür sind manche Radiowecker, Fernseher, Lampen und ‒ ganz fatal ‒ auch so mancher Transformator von Niedervolt-Halogenspots. Während sich Radiowecker und ähnliches ausstecken lassen, sind Halogenspots oft ein hoffnungsloser Fall. Bei traditioneller Verkabelung im Hotelzimmer wird das Netzteil geschalten, hat also Strom oder nicht. Wenn dann das Licht aus ist, ist meist auch das Brummen weg. Nicht immer, denn manchmal liegt auch an ausgeschalteten Leitungen noch einige Dutzend Volt an. Manche Innenarchitekten sind jedoch besonders kreativ und verbauen Relais-geschaltete Halogenspots, also mehrere Schaltkreise an einem Transformator, der dann natürlich immer Strom haben muss. Schon ist das Brummen ständig zu hören, und Sie bekommen es auch nicht weg, wenn Sie nicht gerade die Deckenverkleidung aufstemmen möchten. Oft ist das Netzteil nur falsch herum angeschlossen. Der Elektriker Ihres Vertrauens kann Ihnen bestimmt erklären, warum manche Netzteile brummen, wenn der eine Pol an der Phase liegt und andersherum still sind. Doch es gibt einfach gute Netzteile und schlechte.

Ich bin kein Hotelier, kein Architekt, kein Bauingenieur, kein Akustiker und kein Tourismus-Investor. Doch ich bin davon überzeugt, dass Hotelbetreiber, die auf das Geräusch-Design beziehungsweise auf die Ruhe der technischen Hotelanlage in den Zimmern achten, ihren Gästen einen echten Mehrwert bieten können. Lasst die goldenen Türgriffe weg, nehmt ein anderes Material für den Waschtisch und investiert das Geld lieber in vernünftiges Gebäude- und Technikdesign.

Photo credit: Fernando de Sousa on Flickr, License CC-BY.

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