Glueck Anstrengung

Von Glück und Leichtigkeit der Anstrengung

Dieser Blogpost ist anders. Denn bevor es ein Blogpost wurde, war es ein Brief. An meine Ehefrau, die ich heute vor zehn Jahren heiratete. Weil dieser Brief viel enthält, was auch für Sie, meinen Leser und meine Leserin, hilfreich sein kann, dürfen Sie ihn lesen. Mit ausdrücklicher Zustimmung und Ermunterung von Julia (die voriges Jahr übrigens den Nobelpreis in Beziehungsdingen gewann).

Brautpaar 2004
Brautpaar 2004.

Wenn ich heute abtreten müsste, ich täte es als glücklicher Mann. Ich bin frei, freier als ich es jemals zuvor war.

Einem Außenstehenden mag das seltsam erscheinen.

Ist jemand, der drei Kinder und eine Ehefrau hat, frei? Ist jemand, der ein Haus abgezahlt und in einem Angestelltenverhältnis arbeitet, frei? Ist jemand, der nicht von heute auf Morgen einfach in Urlaub fahren kann, frei? Ist jemand, der sich nicht die Abende und Nächte auf Parties und Konzerten um die Ohren haut, frei?

Ja. Ja, ja, und ja.

Denn das sind alles nicht bestimmende Faktoren für Freiheit und Glück.

Wenn zwei immer derselben Meinung sind, dann ist einer überflüssig.
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Ich habe die Freiheit, alles mit meiner lieben Frau zu teilen, was ich denke. Ich kann ihr alles anvertrauen, kann Gedanken und Sehnsüchte aussprechen und besser noch mit ihr diskutieren. Wird sie mir immer zustimmen? Nein, na hoffentlich nicht. Wenn zwei immer derselben Meinung sind, dann ist einer überflüssig. Nein, ihre Erwiderung, ihre Gedanken stärken meinen Gedankengang, indem ich mich mit Aspekten beschäftige, die ich vorher übersah, und meine Gedanken besser sortieren und hinterlegen kann.

Meine Frau macht mich zu einem besseren Mensch. Jeder Mensch sollte einen anderen Menschen haben, der ihm den Spiegel vorhält.

Ist das leicht? Ist das einfach? Nein. Bisweilen ist es schmerzhaft und hart. Doch was hat Glück mit leicht und einfach zu tun?

Ich habe das Glück, mit drei wunderbaren Kindern gesegnet zu sein. Das ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens war ich nie jemand, der unbedingt Kinder gewollt hätte wegen der Kinder. Ich wollte zwei Kinder, weil man eben Kinder hat und zwei weil Einzelhaft nicht gut für das Kind ist. Aber drei? Ja, das dritte hat es gebraucht, und es ist jeden Tag spannend und schön mit allen.

Drei Kinder, wunderbarerweise alle gesund, alle bei Kräften. Und alle sehr verschieden. Alle mit ihren ganz eigenen Persönlichkeiten und Bedürfnissen. Sie fordern jedem von uns etwas ab, jede und jeder etwas anderes. Und gleichzeitig kann ich von jedem von ihnen so viel lernen. Auch über mich selbst, denn ein Stück von mir ist in jedem enthalten. Kleine Kinder spiegeln ihre Eltern. Immer. Jede Verhaltensweise. Das hat einen faszinierenden Effekt.

Ich bin gut beraten, über meine eigenen Taten und Worte Gedanken zu machen, wenn ich bei meinen Kindern etwas kritisiere. Besonders schwer fällt mir, die Dauer des Lernens zu akzeptieren, oder der fehlende Fokus auf das Lernelement, das mir in dem Moment gerade bedeutsam erscheint, ohne es immer zu sein.

Was hat Glück mit leicht und einfach zu tun?
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Ist das einfach? Nein. Bisweilen ist es schmerzhaft und hart. Doch was hat Glück mit leicht und einfach zu tun?

Glück entsteht nicht aus dem einfachen. So auch bei mir nicht. Warum sind Menschen so glücklich, die eine schwierige Herausforderung gemeistert haben, egal ob sportlich oder in einem anderen Bereich? Weil es genau die Anstrengung ist, die ich in der Herausforderung spüre, die mich bei mir sein lässt.

Die besten Erfahrungen sind mit Schweiß verbunden, entweder echter Schweiß oder emotionale Anstrengung.

Ich fühle mich zu Hause. Bei meiner Ehefrau und Herzdame. Bei meiner Familie. Das wiederum ist für mich die Basis für andere Lebensbereiche.

Jeder, der mich kennt, weiß wie sehr ich meine Arbeit schätze, wie begeistert ich von meinen Aufgaben bin. Auch hier bin ich glücklich, weil ich bei mir selbst sein kann.

In meiner Rolle als Führungskraft darf ich mit vielen starken Menschen zusammen arbeiten und einen positiven Beitrag leisten, der für die gesamte Gesellschaft bedeutsam ist.

Natürlich bewege ich mich dabei in einem Unternehmen mit Prozessen, mit Menschen, die eine andere Meinung haben mögen oder auch andere Prioritäten. Doch wie auch oben schon kann ich daraus ja lernen und dadurch wachsen. Jede konstruktive Kritik an dem, was ich mache, vorschlage, diskutiere, ist eine Gelegenheit. Da kommt jemand zu einer Sichtweise, die sich von meiner unterscheidet. Herauszufinden, wie er oder sie dazu kommt, bietet eine großartige Möglichkeit, etwas neues zu lernen. Und vielleicht auch zu erkennen, dass eigene Schlüsse einer genaueren Betrachtung nicht Stand halten.

Ist das einfach? Nein. Bisweilen ist es schmerzhaft und hart. Doch was hat Glück mit leicht und einfach zu tun?

Vieles von dem, was ich in der Arbeit lerne, kann ich sinnvoll auch im privaten anwenden. Vieles von dem, was ich in meiner Familie lerne, kann ich nutzbringend in der Arbeit anwenden.

Ich trenne nicht strikt zwischen Arbeit und Familie. Work-Life Balance ist für mich irrelevant, weil Arbeit nicht etwas anderes als Leben ist, sondern ein Teil davon.

Work-Life Balance ist irrelevant, weil Arbeit nicht etwas anderes als Leben ist, sondern ein Teil davon.
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Es gibt Zeiten, in denen benötigt die Familie mehr Aufmerksamkeit und es gibt Zeiten, in denen Bedarf die Arbeit einer unproportional größeren Investition an Zeit und Energie. Manchmal bedeutet das Wochenende Erholung von einer intensiven Arbeitswoche. Manchmal bedeutet die Arbeitswoche Erholung von einem intensiven Familienwochenende.

Ich bin glücklich, weil ich in meinem Leben bin, und mein Leben so annehmen kann, wie es ist. Nicht immer, nicht in allem. Doch immer bewusster.

Ich bin glücklich, weil ich mit Julia eine Frau habe, mit der ich genau das bereden kann, die mir zuhört und mich versteht.

Wenn ich heute abtreten müsste, dann genau von dort, wo ich hingehöre.

Danke, dass du bei mir bist.

Alles Gute zum 10. Hochzeitstag.

Photo Beitrag: Joachim Schlosser, License [Creative Commons Attribution ShareAlike]https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Portrait Hochzeitspaar: Iris und Karl-Heinz Herget. Alle Rechte vorbehalten.

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