Du oder Deine Firma stellt dort aus, und du bist Techie oder Vertriebsmitarbeiter am Stand einer Messe? Dann ist dieser Artikel für dich. Du oder deine Firma stellt auf irgendeiner Messe aus? Auch dann ist dieser Artikel für dich, denn hier geht es darum, wie du deine Lösung als Mitarbeiter auf dem Stand präsentierst, und zwar so, dass hinten auch was rauskommt.
In einer Woche ist es wieder so weit: Die Embedded World öffnet in Nürnberg ihre Tore, und damit die Europäische Leitmesse für alles rund um Elektronik, Eingebettete Systeme, und für viele Jahre meine Messe-Heimat.
Falls du nicht am Stand einer Messe deinen Dienst tust, sondern Messebesucher bist, dann schau stattdessen zu den Fragen, die du dir vor einer Software-Entscheidung stellen solltest. Und dann prüfe die Anbieter auf der Messe entsprechend.
Der Vertrieb vertreibt Kunden
Leider ist das auf Messen viel zu oft der Fall. Und das ist schade, denn viele Firmen haben Antworten auf Problemstellungen, die eine eingehendere Betrachtung verdienten. Doch zu oft vergraulst du als Sales oder Standpersonal den potentiellen Kunden.
Sales und Management haben viel gemeinsam.
- Erstes Prinzip: So lange die Leute tun, was hilfreich ist, geh‘ ihnen nicht unnötig auf den Keks. Wenn sie nicht tun, was sie sollen, hilf ihnen den Zweck des ganzen zu verstehen. Wenn sie nicht wissen, was sie tun sollen, hilf ihnen zu verstehen.
- Zweites Prinzip: Deine Anwesenheit verändert das System, so oder so. Wenn du gemäß des Klischees deiner Rolle auftrittst, haben die Leute andere Gespräche, wenn du dabei bist, als sie sonst hätten.
- Drittes Prinzip: Je mehr du etwas bestimmtes willst, desto weniger will es der andere. Wenn du Leute in eine bestimmte Richtung zu drücken versuchst, werden sie dem Druck Widerstand leisten, und dich als Gesprächspartner ablehnen und schließlich verlassen.
- Viertes Prinzip: Die Heisenbergsche Unschärferelation gilt immer. Du kannst entweder genau bestimmen, was der andere antwortet, oder herausfinden, was dein Gegenüber umtreibt.
Ist ja auch logisch: Als Vertriebler führst du potentielle Kunden zu einer Lösung, sei es bei dir am Stand oder davon fort.

Die 7 Wege zur Effektivität auf der Messe
Das schöne auf einer professionellen Messe ist: Allen Beteiligten sollte klar sein, dass das hier kein Betriebsausflug ist. Die Messe verschlingt auf Besucher- wie auf Ausstellerseite Zeit und Geld, das alle nur deshalb bereit sind auszugeben, weil hier Kundenbeziehungen und Geschäfte angebahnt werden.
- Pro-aktiv sein. Ich muss schon auf die Leute zugehen, anstatt zu warten, dass jemand auf mich zukommt.
- Am Anfang schon das Ende im Sinn haben. Wenn wir als Team nicht wissen, was wir von der Messe haben wollen, können wir auch unsere Handlung nicht danach ausrichten. Wenn wir gut qualifizierte Kontakte wollen, dann müssen wir uns entsprechend verhalten.
- Das Wichtigste zuerst tun. Meine Messe-Gespräche sollten so rasch wie möglich zum Kern vordringen, zu dem, was ich wirklich erfahren muss und was wir besprechen sollten.
- Gewinn-Gewinn denken. Der Standbesucher soll etwas vom Gespräch haben, und wir als Aussteller auch.
- Erst verstehen, dann verstanden werden. Bevor ich nicht weiß, was den Kunden bewegt, kann ich ihm schwerlich das passende zeigen.
- Synergien schaffen. Vielleicht ist der Kunde bei uns nicht richtig aufgehoben. Dann ist es gut, wenn ich ihm ganz konkret raten kann, welchen Stand er stattdessen besuchen sollte.
- Die Säge schärfen. Messe ist Hochleistungssport. Nur, wenn du ganz auf der Höhe bist, wirst du dem gewaltigen finanziellen und personellen Aufwand gerecht, den so eine Messe fordert. Also esse ich vernünftig und schlafe ausreichend.
Sind die Prinzipien einsichtig? Vielleicht willst du es etwas konkreter haben. Was funktioniert, das sieht für jeden anders aus. Ich durfte in den mehr als zehn Jahren viele Kollegen und Mitarbeiter dabei coachen, wie sie mit Messebesuchern sprechen, und sah, was funktioniert und was nicht.
Weil – siehe oben – allen klar ist, dass es ums Geschäft geht, ist es in Ordnung, das auch zu thematisieren.
Ernsthafte Messebesucher haben meist Ziele für die Messe, die sich in eine der folgenden fünf Kategorien einsortieren lassen: Image – Finanzen – Innovation – Wachstum – Strategie. Es ist dein Job, möglichst flott herauszufinden, was deinen Gesprächspartner umtreibt. Top-Entscheider haben übrigens meist keine Pains, also keinen Fehl-Bedarf, sondern Ziele. Sie verändern, bevor es zu Schmerzen kommt.
Konkret: Eröffnung des Messe-Gesprächs
Irgendwie willst du also mit dem Besucher ins Gespräch kommen. Viel zu oft sehe ich Standpersonal jemandem in den ersten zwei Sätzen bereits Produktvorteile und Features um die Ohren hauen.
Erfolgreiche Partybesucher sind hier im natürlichen Vorteil. Für uns nicht ganz so partysichere hier einige hilfreiche Eröffnungsfragen:
- »Wollen Sie sich nur umsehen, oder sind Sie wegen eines bestimmten Themas auf der Messe?«
- »Ich kann Ihnen x, y, z zeigen. Was davon interessiert sie?« Wobei x, y, z eben keine Produktnamen sind, sondern Workflows, Methoden, oder Ergebnisse.
- »Was wollen Sie sehen, damit Sie sagen ‚das passt für mich‘ bzw. ‚das ist interessant, da machen wir weiter?«
- »Was wollen Sie auf der Messe sehen? Weshalb sind Sie hier? Was stellen Sie her?«
- »Was wollen Sie sehen, damit wir miteinander ins Geschäft kommen?«
- »Die meisten unserer Kunden haben gekauft, weil….Wie wichtig ist das für sie bzw. wie sehen Sie das?« Das wird auch als Dritter-Mann-Technik bezeichnet.
- »Herr Kunde, lassen Sie mich hier auf der Messe gleich zum Wesentlichen kommen, einverstanden? … Bei uns am Stand geht es um Vorteil/Problem und wie Sie Lösung erreichen können. … Als Spezialist für Lösung interessiert es mich, wie wichtig das für Sie ist?« Siehe auch Challenger Sale.
- »Bei uns geht es um konkreten Nutzen für Branche/Thema, speziell im Bereich Bereich. Allerdings funktioniert das nicht bei allen Firmen gleich gut. Darf ich Ihnen dazu zwei Fragen stellen, damit wir sehen können, ob das bei Ihnen passen könnte?« Das ist die Zweifel-Methode.
Sei interessiert und neugierig.
Konkret: Das Gespräch
Hier gilt ein Grundprinzip: Das ABC-Mindset. Always Be Curious. Bleibe neugierig.
Du bist ein alter Hase und meinst, schon alles gesehen zu haben? Das kann ja sogar sein, aber eben nicht genau diese Problemstellung in genau der Konstellation mit genau diesen Menschen. Die Kombination ergibt immer ein anderes Gesamtbild. Du darfst ja ruhig mit Versatzstücken arbeiten und Annahmen treffen, aber um Himmels willen verifiziere Deine Annahmen!

Viel zu oft spult das Standpersonal ein Standardprogramm ab, und jeder, der den Stand betritt, bekommt eine Demonstration vorgeklatscht.
Viel hilfreicher sind diese Verhaltensweisen im Gespräch auf dem Messestand:
- Always Be Curious – Sei neugierig. Siehe oben. Das ist die Grundlage. So lange ich neugierig bin, was der potentielle Kunde macht, warum er es macht, und wie, und wie das ganze in seinen Markt passt, und was er darüber denkt, kann ich fast nur gewinnen. Natürlich achte ich trotzdem auf die Zeit.
- Keine Suggestivfragen. »Finden Sie nicht auch, dass Robbenbabys süß sind?« Wenn du ehrliche Antworten willst und ehrlich herausfinden, ob der Messebesucher und dein Angebot zusammenpassen, dann drücke nicht.
- Keine Produktdemonstration ohne Qualifizierung. Woher willst du wissen, was du dem Besucher der Messe und deines Standes relevantes zeigen sollst, wenn du nicht weißt, was relevant ist?
- Unterscheide zwischen Demonstrationen als »Attention Grabber« und solchen als Erläuterung. Im Idealfall kannst du am Attention Grabber, also dem optischen Aufreißer, auch etwas erklären. Bisweilen ist es aber eine andere Demonstration. Und noch idealer erklärst du auf der Messe gar nicht so detailliert.
- Komm zum Punkt. Wenn du nicht gerade auf der Messe einen großen Abschluss machen möchtest, dann hör auf, wenn ihr den Anknüpfungspunkt gefunden habt und den nächsten Schritt vereinbart.
Konkret: Abschluss des Messe-Gesprächs
Ein Messegespräch ohne vernünftigen Abschluss erfüllt den Straftatbestand der Veruntreuung von Firmenmitteln. Du hast fünf bis zwanzig Minuten deines Lebens und des Messetages verwendet, einen Messebesucher fachgerecht zu verarzten, und jetzt geht ihr einfach eurer Wege?
Irgendwohin muss das ganze ja führen. Nur einige Unternehmen machen auf der Messe tatsächlich Abschlüsse. Viele andere dagegen leben davon, die neuen Kontakte weiterzupflegen und schließlich zu Kunden zu machen. Leider ist der Verschnitt hier sehr hoch. Oft werden noch nicht einmal Kontaktinformationen des Messebesuchers abgefragt.
Was alles kein Gesprächsabschluss ist, wenn du vorankommen möchtest:
- »Ich gebe Ihnen auf jeden Fall mal unsere Broschüre mit und Sie melden sich, wenn Sie Fragen haben.«
- »Wir melden uns nach der Messe bei Ihnen und besprechen die nächsten Schritte.«
Im ersten Anti-Abschluss wollt ihr euch nur nicht eingestehen, dass für beide nichts zu holen ist, und im zweiten stirbt das Momentum mit hoher Wahrscheinlichkeit, bevor es irgendeinen Schwung der Veränderung bewirken kann.
Ohne dich genau darauf zu versteifen, hast du nur zwei Möglichkeiten, das Gespräch abzuschließen:
- Der Kunde und du stellen gemeinsam fest, dass hier nichts zu holen ist. Du wünschst ihm viel Erfolg bei der weiteren Suche nach einer Lösung.
- Es gibt weiteren Gesprächsbedarf, und du vereinbarst einen konkreten Termin, egal ob fürs Telefon oder einen Besuch.

Du meinst es gäbe noch weitere Möglichkeiten? Nein. Keine ernsthaften.
Aber wie soll ich denn einen Termin vereinbaren, wenn ich gar nicht der zuständige Vertriebsmitarbeiter bin?
Ein berechtigter Einwand. Darum geht es auch gar nicht. Sondern darum, im Kalender des potentiellen Kunden einen Termin zu haben. Es ist viel leichter, sich dann zu melden, um den bereits angedachten oder eingetragenen Termin zu verschieben, als einen neuen zu bekommen. Das gilt vor allem dann, wenn es sich beim Messebesucher um eine vielbeschäftigte Fach- oder Führungskraft handelt. Unethisch? Nur wenn du Unsinn verkaufst oder schon jetzt weißt, dass deine Lösung dem Kunden nichts hilft.
Auf der Messe locker bleiben
Messe ist Hochleistungssport, und trotzdem kein Grund zur Panik. Messebesucher können Angst oder Panik riechen, und dann wird es auch nichts mit der Kundenanbahnung.

Was sind deine Erfahrungen auf Fachmessen, sei es als Aussteller oder als Besucher?
Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!
All Photos courtesy NürnbergMesse / Frank Boxler
All Sketchnotes: Joachim Schlosser
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