Gelesen: Manfred Lütz – Gott. Eine kleine Geschichte des Größten

Ein Buch über Gott? Gibt’s da nicht schon mehrere ganz alte? Schon, aber Manfred Lütz packt die Sache anders an. Er erkennt den Gotteszweifel an, nimmt den Atheismus und Gottes-Skepsis als vielfältige Strömung wahr, um dann dessen einzelnen Arten zu analysieren und durch Inkonsistenzen als meist verständliche, dennoch persönliche Ausflüchte zu aufzudecken als sogenannten „schlampigen“ Atheismus. Die vielfältige Skepsis an Gott und speziell der scheinbare Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft ist oft ein Mißverständnis beziehungsweise ein Konstrukt der Publizistik.

Manfred Lütz, gelernter Psychotherapeut und Theologe beginnt die Reise bei der Kunst und deren Wechselwirkung mit der Religion. Warum wirkt Kunst auf das spirituelle Verlangen der Menschen? Das bringt die Ausführungen zur Psychologie, zum Vergleich und Unterschied von Glauben und psychischer Erkrankung. Ein treffendes Zitat aus dem Kapitel ist „zu behaupten, die Psychologie könne etwas über Gott sagen, hieße, man könne etwas über die Zauberflöte sagen, wenn man genau die Bühnenmaschinerie untersucht hat […] und vielleicht noch den psychischen Befund aller Sänger verfügt.“

Dann geht es an den Atheismus. Das heißt, eigentlich die Atheismen, denn derer gibt es viele. Der am häufigsten anzutreffende ist wohl der Ich-möchte-mir-keine-Gedanken-machen-Atheismus, gefolgt vom Freiheits-Atheismus. Den meisten Atheismen ist gemein, dass die Gesellschaft nicht mehr funktioniert, wenn alle diesen Prinzipien folgen und so leben, als gäbe es keinen Gott. Der Autor selbst nennt einige Beispiele von bekennenden Atheisten, die von der zunehmenden Gottlosigkeit der Gesellschaft beunruhigt sind. Verschieden sind jedoch die Arten von Gott, die der jeweilige Atheismus ablehnt, und dadurch einen jeweiligen „Gott der Atheisten“ kreiert. Im Altertum war das ein monotheistischer Gott, der anstelle einer Götterwelt trat, in der Neuzeit beispielsweise Natur als Gott anstatt des „personalen einen Gott“, oder auch Fortschritt und Technik anstatt Spiritualität.

Ein wesentliches Argument des Atheismus seit dem Mittelalter war, dass die Naturgesetze ja deterministisch sind und deswegen keinen willkürlich agierenden Gott zuließen. Dieses letzte Argument wurde von Max Planck durch die Vorstellung und spätere Bestätigung der Quantentheorie auf ganz wissenschaftliche Weise zerstört, quasi als Kollateralschaden. Denn wenn die Natur eben doch würfelt, dann kann es auch einen geben, der diese Würfel bedient.

Was treibt die Menschen an, wie bedingt das Streben nach Glück auch die Sehnsucht nach Gott? Manfred Lütz geht weiter, beleuchtet Ansätze von Wissenschaftlern und räumt im Vorübergehen mit dem Mißverständnis auf, der Konflikt zwischen der Kirche und Galilei wäre wegen dessen Weltsicht entstanden – es war vielmehr der Umstand, dass Galilei nicht wie heute in der Wissenschaft üblich, seine Sicht als falsifizierbare Theorie sondern als absolute Wahrheit darstellte. Ebenso zeigt er, dass zwischen Darwinismus und Gott kein echter Konflikt besteht, sondern erst später daraus abgeleitet wurde. Sodann geht es zur Philosophie, zu den verschiedenen Religionen – wobei Lütz sich angenehm aus dem Relativismus hervorhebt und eindeutig Stellung fürs Christentum bezieht. Das Christentum als Konglomerat von Spiritualität, Gemeinschaft und Institution läßt schließlich durchaus Raum zu Kritik, die sich in der neueren Zeit hauptsächlich auf die Institution fokussiert. Der Autor schafft es meiner Ansicht nach hier besonders gut, die zentralen Konzepte des Christentums und den Kern freizulegen, bevor sich der Kreis schließt und er mit Kunst und Musik endet.

Manfred Lütz bezieht Stellung, ist darin jedoch sehr ausgewogen. Anstatt belehrend und dogmatisch oder romantisch seine Meinung durchzudrücken, baut er eine sehr gut nachvollziehbare Argumentationskette auf.  Er liest sich gut, dieser Lütz, auch weil er locker schreibt, dem scheinbaren Ernst des Themas nicht in der Sprache folgt und auch eine Lanze für die Leichtigkeit des Glaubens bricht. Hier versteckt sich keine Theorie hinter für Laien unverständlichen Fachtermini; es ist ein Buch für den Menschen.

Mir hat dieses Buch sehr gut getan, und so empfehle ich: Wer am Zweifeln mit seinem Glauben oder an Gott ist, der lese Manfred Lütz‘ Gott-Buch. Alle anderen auch.

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