Dr. Joachim Schlosser

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Drüber schlafen – E-Mail schreiben aber nicht abschicken

Wann waren Sie zum letzten Mal emotional aufgewühlt, als Sie eine E-Mail an jemand geschrieben haben? Wann waren Sie zuletzt verletzt, schwer verärgert oder enttäuscht über eine Situation oder eine Nachricht und haben direkt geantwortet?

Und hat diese direkte Antwort der Sache und in der Beziehung zum anderen geholfen?

Wahrscheinlich eher nicht.

Der Flucht-Angriff-Reflex

Wenn Sie eine Nachricht verletzt, angreift, herabsetzt, dann spielt ihr Gehirn ein seit Urzeiten festgelegtes Programm ab:

Der Neocortex, der »neueste« Teil des Gehirns, der das Bewusstsein beherbergt, gibt die Kontrolle ab an die entwicklungsgeschichtlich älteren Teile unseres Gehirns. Sie werden zum Tier, das blitzschnell in den Anriff-oder-Flucht-Modus schaltet.

Ihre Blickfeld verengt sich, Ihr Herzschlag beschleunigt sich.

Alles ist darauf ausgerichtet, der Situation entweder zu entfliehen oder den vermeintlichen Angreifer zu attackieren. Sie fliehen oder attackieren. Sie tun das nicht im wörtlichen Sinne. Selten rennt jemand aus dem Büro auf Feld, und ebenso selten ist von zu lesen, dass ein Büroangestellter auf den Schreibtisch springt und einem Kollegen an die Gurgel geht.

Sie können nach wie vor bewusst E-Mails schreiben, werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eher aggressiv schreiben. Sei es offen aggressiv, angreifend, indem Sie so zurückschlagen, wie Sie die ursprüngliche Nachricht empfunden haben, oder passiv aggressiv, mit Zynismus, Ironie und ähnlichem.

Auch wenn Sie noch einen scheinbar nüchternen Schreibstil hinbekommen, sollten Sie nicht allzu sehr darauf vertrauen, dass Sie es schaffen, sich auf eine sachorientierte, an einer Lösung interessierte Antwort zu verfassen. Auch werden Sie möglicherweise unbewusst an alle ursprünglichen Adressaten antworten oder mehr Empfänger mit aufnehmen, weil »das ruhig alle hören sollen.«

Natürlich wurde auch dieser Artikel von einer wahren Begebenheit inspiriert. Da die E-Mail, die ich bekommen habe, zu einem derzeit noch offenen Projekt gehört, an dem ich beteiligt bin, hat mich das Thema insgesamt beschäftigt.

Die Biologie anerkennen

Es ist zunächst nicht primär wichtig, dass Sie die biologische Gegebenheit des Flucht-Angriffs-Modus Ihres Gehirns ändern können. Es reicht fürs Erste aus, wenn Sie die Biologie anerkennen, wenn Sie akzeptieren, dass Sie sich in diesem Zustand befinden und keine schriftliche Kommunikation begehen sollten.

Es ist okay. Sie sind ein Mensch. Ich bin ein Mensch.

Unser Menschsein ist dadurch geprägt, dass wir Gefühle und Reflexe haben. Akzeptieren Sie das.

Unser Menschsein ist dadurch geprägt, dass wir Gefühle und Reflexe haben.

Die Frage ist nicht, ob wir Gefühle haben. Die Frage ist, was wir damit tun.

Den Flucht-oder-Angriff Modus verlassen

Bevor ich also eine ausgewogene Antwort angehen kann, die sowohl der Sache als auch mir selbst dient, muss ich wieder klar denken können. Dazu muss sich mein Puls beruhigen und mein Blickfeld wieder weiten. Ich muss im wahrsten Sinne des Wortes wieder einen weiten Blick bekommen.

Das geht auf zwei Arten:

  1. Darüber schlafen.
  2. Aktiv ruhig werden.

Je nach Schwere der emotionalen Welle braucht es kürzer oder länger, bis Sie wieder einen klaren Kopf haben.

Stellen Sie sich einen ruhigen See vor, mit spiegelglatter Wasseroberfläche. Werfen Sie einen kleinen Kieselstein hinein, entstehen kleine Wellen, die sich rasch wieder beruhigen. Werfen Sie dagegen einen amtlichen Brocken in das Wasser, schwappt es ordentlich. Die Wellen schlagen hoch und tragen weit. Es kommt vielleicht am Ufer zu Reflexionen und dauert deutlich länger, bis die Oberfläche wieder glatt ist.

Sind Sie emotional sehr aufgewühlt, müssen Sie vielleicht drüber schlafen.

Sind Sie emotional sehr aufgewühlt, müssen Sie vielleicht drüber schlafen. Schreiben Sie ruhig vorher auf, wie Sie sich fühlen. Nur schreiben Sie es nicht in eine E-Mail.

Sie können es aber auch mit Autogenem Training oder Meditation probieren. Alles, was Ihren Kopf leert und klar macht, ist gut.

Lassen Sie sich nicht täuschen: Auch wenn Ihr Puls wieder ganz ruhig ist, heisst das noch nicht, dass auch Ihr Geist wieder ruhig und voll zurechnungsfähig ist.

Manchmal müssen Sie wirklich darüber schlafen. Ich zumindest muss.

Fragen, um zu Antworten

Nun, da Sie wieder ruhig sind, können Sie antworten. Und Sie können sich nun überlegen, wie die passende Antwort aussieht.

Vielleicht helfen Ihnen die folgenden Fragen dabei:

  1. Sollten Sie per E-Mail antworten?
  2. Oder zum Telefon greifen?
  3. Oder persönlich vorbei schauen? Oder einen Gesprächstermin vereinbaren?
  4. Wen müssen Sie einbinden?
  5. Wen sollten Sie erst später einbinden?
  6. Was nehmen Sie als Intention des Senders an?
  7. Welche andere Intention könnte der Sender noch gehabt haben?
  8. Wie können Sie zwischen diesen beiden gegensätzlichen Intentionen unterscheiden?
  9. Wie groß ist der Unterschied zwischen dem, was der Sender faktisch geschrieben hat und dem, was Sie interpretieren?
  10. Ist es Ihr Problem oder das des Senders?
  11. Welches positive Ziel können Sie dem anderen unterstellen?
  12. Was haben Sie dazu beigetragen, dass der andere so agiert?
  13. Was können Sie zur Lösung des Sach-Problems beitragen?
  14. Was können Sie zur Lösung des Beziehungs-Problems beitragen?

Die Fragen implizieren nicht, dass Sie das alles tun sollten. Aber zumindest kurz darüber nachdenken, das sollte drin sein.

Ein hervorragendes Buch, das Ihnen eine Methode vermittelt, wie Sie Ihren Blick weiten können, ist »Difficult Conversations«, unten aufgeführt. Ein anderes ist »The Work«, das die gleichnamige Methode beschreibt.

Bewusst locker machen

Erwarten Sie nicht, immer perfekt mit oder ohne E-Mail reagieren zu können.

Ist das Thema nach ein paar Stunden Schlaf immer noch so brisant wie vorher? Und wenn sie noch einen Tag später feststellen, dass Sie die E-Mail doch nicht in genau der Form mit genau dem Text abschicken hätten sollen, dann lernen Sie daraus. Auch nach zwanzig Jahren E-Mail passiert mir das hin und wieder noch. Ich bin nicht perfekt. Erwarten Sie es auch nicht von sich selbst.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Ihrer eigenen Reaktion auf angreifende E-Mails?

Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!

Lesestoff

  • Douglas Stone, Bruce Patton, Sheila Heen: Difficult Conversations bzw. Offen gesagt. Erfolgreich schwierige Gespräche meistern
  • Byron Katie, Stephen Mitchell: The Work/ Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können

Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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Kategorie: Effektivität, Kommunikation Stichworte: Antwort, Ärger, Beherrschung, E-Mail, Emotion, Gefühl, Höflichkeit, Kommunikation, Professionalität

15. September 2015 von Joachim Schlosser 1 Kommentar

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Kommentare

  1. Andreas meint

    30. Oktober 2015 um 18:53

    Ich verwende immer folgenden „Trick“ um den Flucht-oder-Angriff Modus zu verlassen:

    Beim Medium E-Mail schreibe ich oft mir alles von der Seele, lösche, den kompletten Text danach und antworte „richtig“ – vielleicht nicht direkt effizient, jedoch beschäftigt man sich beim Schreiben schon mit der Materie und einige Punkte werden einem besser verständlich. Man könnte es „auf Papier denken“ nennen.

    Einigen Bekannten habe ich dies auch schon geraten, die für sich auch die Erfahrung gemacht haben, dass es helfen kann. Sehr spannend wird es, wenn man Anstelle von ‚Löschen‘ den ‚Abschicken‘ Knopf erwischt.

    Antworten

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Hallo. Ich bin Dr. Joachim Schlosser. Beruflich führe ich bei Elektrobit Automotive Informatiker und Ingenieure, die Automobilfirmen zu Softwarearchitektur, Agile Entwicklung und Funktionale Sicherheit beraten. Daneben bin ich Autor eines LaTeX-Lehrbuches, MINT-Botschafter und blogge zweiwöchentlich hier auf www.schlosser.info.

Ich bin glücklich verheiratet, Vater dreier Kinder, Fotograf, bekennender Produktivitäts-Junkie und Getting-Things-Done Anhänger sowie Vortragscoach für meine Mitarbeiter und Kollegen. Über diese Themen schreibe ich auch hier.

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