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E-Mail und Emotion – Weniger E-Mail bekommen

Sie ersaufen in E-Mail? Sie sind ein E-Mail-Ninja, allein es hilft nichts? Dann nutzen Sie E-Mail bewusster – ab und an eben auch mal gar nicht.

Mit diesem Beitrag endet diese kleine dreiteilige Serie über die Frage, wie Sie weniger E-Mail bekommen. Sie lasen im ersten Teil über die Frage der Adressaten bzw. Empfänger, dann im zweiten über Formulierung und schließlich hier im dritten über Emotion.

Sie adressieren also mindestens seit vorletzter Woche bewusst möglichst wenige Empfänger mit Ihren E-Mails. Jeder, der die Nachricht bekommt, muss sie auch bekommen. Sie geben sich redlich Mühe, so zu schreiben, dass Sie verstanden werden, und drücken auch Empathie in Ihren E-Mails aus.

Die Rückfragen aber bleiben. Sie schreiben etwas, Ihr Gegenüber antwortet. Sie antworten darauf, und erhalten erneut eine Antwort.

Oder tragischer: Sie schreiben etwas. Und bekommen einen Tag später von irgendwo anders eine ziemlich starke Rückmeldung. Oder jemand ist sauer und Sie wundern sich warum.

Alles schon passiert. Mir. Ihnen. Jedem von uns. Gut, Ihnen vielleicht nicht, wenn sie ein Kommunikationsgenie sind.

Sie haben also nicht nur nach wie vor gefühlt zu viele E-Mails in Ihrem Posteingang, sondern vor allem solche, die Sie emotional aufwühlen oder einfach nur nerven.

Die Geschichte von Rosalie

Vielleicht hilft ein Gleichnis, die Problematik zu begreifen:

Es war einmal Rosalie. Vielleicht ist es auch ein er, und vielleicht heisst er auch ganz anders. Aber nennen wir sie Rosalie. Rosalie hatte eine Funktion in einer Organisation, sie war beratend tätig für Belange der Beleuchtung, und arbeitete für die Finanzverantwortliche Natalie.

Oberbeleuchter war Amalie, und Amalie war über die Knappheit an Beleuchtungsmitteln sehr erzürnt über die Finanzverantwortliche Natalie, der zu wenig dieser genehmigt hatte. So schrieb Amalie einen gar garstigen Brief an alle und beklagte sich, dass sie so nicht schön leuchten könne, sich von Natalie nicht gehört fühle und dass Sie um Fürsprache für mehr Leuchtmittel bitte.

Rosalie las den Brief und ward zutiefst bestürzt über die Angriffe auf Natalie. Sie öffnete ihr E-Mail-Programm und schrieb eine lange, eindringliche Erwiderung, schrieb über Beleuchtung und Erleuchtung, und über die Verantwortung für eben die Beleuchtung, und dass Natalie doch im Interesse aller handele. Rosalie forderte Amalie auf, bei Natalie um Verzeihung zu bitten. Alles per E-Mail.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schaukelten sie sich mit schriftlichen Vorwürfen hoch bis an ihr Lebensende.

Die Geschichte von Heinrich

Es war einmal Heinrich. Heinrich wollte seinem armen Freund Wolfgang erlauben Gemüse anzupflanzen im Garten, der von Josef bewirtschaftet wurde. Josef war der Gärtner des Gartens, und durfte dort seit dreissig Jahren selbst anbauen. So wollte Heinrich Josef zumindest fragen, was er davon hielte.

Josef erwiderte, er wolle genauer verstehen, was da gepflanzt werden solle. So fragte er Wolfgang, welches Gemüse er denn anbauen wolle, und ob er das Gemüse nicht auch in dem Garten hinter Heinrichs Haus anbauen könne. Außerdem wollte Josef wissen, wie denn Wolfgang gedenke, die Beete zu wässern.

Da erzürnte Heinrich, weil er nur ein einfaches Ja erwartet hatte. Und Heinrich ging hin und schrieb eine E-Mail an Josef, an Wolfgang, und alle benachbarten Gärtner. Er schrieb, dass die Fragen zeigten, dass Josef ein schlechter Mensch sei und zudem ein Feind der Armen, und dass es eine Beleidigung sei, überhaupt nach Heinrichs eigenem Garten zu fragen.

Josef aber reagierte nicht, und bewahrte die Nachricht in seiner Tasche auf, auf dass sie ihm in ferner Zukunft von Nutzen sein möge.

Was uns die beiden Gleichnisse sagen

Im Gleichnis von Rosalie machte sie ihrem Frust und Ärger Luft, und Amalie wusste nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Fühlte sich aber schlecht, und Leuchtmittel hatte sie ja immer noch nicht.

Im Gleichnis von Heinrich hinterließ dieser Zeugnisse seiner Gefühlsausbrüche, und damit ein Schriftstück, dass ihm in Zukunft zum Nachteil gereichen konnte.

In beiden Fällen wurde durch die E-Mail nichts gelöst, sondern mehr Schaden verursacht.

E-Mail und Emotion

Was immer wir tun, sagen, schreiben: Wir lösen beim Gegenüber damit eine Emotion aus. Das gilt auch dann, wenn unser Gegenüber scheinbar keine emotionale Reaktion auf uns zeigt.

Ich liebe E-Mail. In sehr vielen Fällen stellt es für mich ein Kommunikationsmedium dar, mit dem ich wunderbar asynchron mit Menschen in Verbindung treten und bleiben kann. Es geht schnell zu schreiben, die andere kann lesen und antworten, wann immer ihr danach ist.

Doch jede schriftliche Kommunikation hat ihre Grenzen.

Preisfrage: Welchen Anteil der möglichen Informationsbandbreite kann E-Mail nutzen? Wenn Mimik, Gestik und Stimme fehlen? Es bleibt nicht besonders viel.

Und es ist insbesondere nicht viel, wenn es um möglicherweise schwierige, kontroverse Themen geht.

Noch drastischer, wenn wir selbst aufgewühlt sind und von Gefühlen getragen versuchen, sachlich zu antworten: Es wird missverstanden werden und für mehr Ärger als Lösung sorgen.

Was bei E-Mail fehlt

Es fehlen bei E-Mail also schon einmal mehrere der möglichen Kanäle für die Informationsübertragung.

Dazu kommt: E-Mail ist ein asynchrones Medium. Das heisst Empfänger und Sender stehen nicht in direkter Verbindung. Eine Nachricht, die zu einem Zeitpunkt gesendet wird, wird möglicherweise erst Stunden später gelesen und beantwortet. Auch diese Antwort findet möglicherweise wiederum erst Stunden später eine Erwiderung.

In den Stunden dazwischen bleibt genügend Zeit für die jeweiligen Kommunikationspartner, zu interpretieren, zu unterstellen, Annahmen zu treffen. Annahmen, die ja auch deshalb notwendig sind, weil eben Stimme und Körpersprache fehlen.

Wir stellen fest: Bei E-Mail fehlt…

  • Gleichzeitigkeit: rasche, direkte Antwort
  • Nichtsprachliche Signale: Stimme, Körpersprache, Mimik

Wer schreibt, der bleibt – auch wenn er das nicht möchte.
(Diesen Satz twittern)

Dafür ist bei E-Mail aber auch eines zu viel: Die schriftliche Aufzeichnung. Gerade wenn Sie drauf und dran sind, jemandem mal die Meinung zu sagen, oder auch nur Ihr Missfallen deutlich auszudrücken, hat es bisweilen große Vorteile, wenn Sie das nicht schriftlich tun. Denn wer schreibt, der bleibt – auch wenn er das nicht möchte.

Wollen Sie noch Monate später Vorhaltungen bekommen über einen emotionalen Ausbruch, den Sie hatten, komplett mit Zitat? Nein? Dann sollte es wohl auch keine schriftliches Zeugnis Ihres Ausbruchs geben.

Besser mit Menschen sprechen

Was also ist besser als E-Mail für Fälle, in denen wir Gleichzeitigkeit oder die nichtsprachlichen Signale brauchen?

Es mag sonderbar aus der Feder eines Informatikers, und besonders meiner klingen:

Mit den Menschen sprechen. Nicht über.
(Diesen Satz twittern)

Wenn es Probleme gibt, die über ein bestimmtes Maß hinaus gehen, gibt es nur eines: Mit den Menschen sprechen.

Das ist im Idealfall ein persönliches, direktes Gespräch, bei dem ich den anderen sehen und hören kann. Ich sehe, wie sie reagiert, wie sie klingt. Und auch mein Gegenüber hört und sieht mich, und kann die ganzen 100% der Information aufnehmen.

Ich sage etwas mit scharfen Worten, aber weicher Stimme und offener Haltung? Das mildert ab. Ich bin freundlich mit Worten, aber schneidend in Stimme und unbewusst schneidig gerade? Klar, dass es um etwas geht.

Das nächstbeste ist ein Videoanruf. Ich habe eine gewisse Verzögerung, und eine begrenzte Videoauflösung, kann also nicht alles sehen, was im Gesicht und am Körper zu lesen ist. Aber besser als nichts. Und ich höre den anderen und er mich.

Das drittbeste ist ein Telefongespräch. Mir fehlt zwar die komplette Körpersprache, aber ich höre die Stimme des anderen. Höre, wo sie Pausen macht, wie sie die Stimme moduliert.

Das viertbeste, wenngleich mit großem Abstand, ist der Chat. Hier geht zwar auch noch die Stimme verloren, aber immerhin habe ich noch die Synchronität, also die direkten Antworten meines Gegenübers.

Hierarchie der Kommunikationsmittel

Wenn es um Kommunikation als Problemlöser geht, dann besteht eine ganz klare Hierarchie, mit absteigender Effektivität:

  1. Persönliches Gespräch
  2. Videotelefonat (Skype, etc.)
  3. Telefonat
  4. Chat
  5. E-Mail

Wenn hernach Ergebnisse des Gesprächs verschriftlicht werden sollen, ist E-Mail wiederum sehr gut zu gebrauchen. Dies gilt vor allem dann, wenn ich am Schluss frage, ob ich unser Gespräch oder die daraus resultierenden Aktivitäten korrekt zusammengefasst habe.

Ich verletze die Hierarchie der Kommunikationsmittel immer noch oft genug selbst, also suchen Sie in mir keinen Heiligen. Ich habe Inhalte geschrieben, wo ich besser nur nach einem Termin für ein Telefonat gefragt hätte.

Und doch gelingt es mittlerweile meist, nicht per E-Mail zu kommunizieren, wenn es kritisch ist.

Wann E-Mail keine gute Idee ist

Es scheint so, als sei E-Mail zwar ungemein praktisch, aber nicht in allen Fällen der Königsweg.

Die folgenden Fragen mögen Ihnen helfen, sich für oder gegen E-Mail in einer bestimmten Sache zu entscheiden:

  1. Wie geht es Ihnen mit der Sache? Sind Sie ruhig oder aufgewühlt, oder einfach emotional betroffen? Aufgewühlt/betroffen: keine E-Mail.
  2. Wie oft haben Sie mit dem anderen bereits über die Sache gesprochen? Kennt der andere Ihre Meinung und Gefühle dazu? Noch nicht gesprochen: keine E-Mail.
  3. Inwieweit möchten Sie Kritik an Verhalten des anderen äußern? Kritik an Verhalten: keine E-Mail.
  4. Inwieweit interessiert Sie die Reaktion des anderen? Reaktion erwünscht: keine E-Mail.
  5. Benötigt das Thema Diskussion? Diskussion: keine E-Mail.

Sie sehen: So schwer ist es gar nicht. Anstrengend bisweilen, ja. Aber das wird die Sache so oder so.

Aber es eilt doch so!

»Aber es eilt doch so, da kann ich doch nicht ewig telefonieren!« Dann kostet die Sache ohnehin Zeit. Entweder jetzt gleich, oder später doppelt, wenn Ihre E-Mail falsch verstanden wurde.

Damit endet diese kleine dreiteilige Serie über die Frage, wie Sie weniger E-Mail bekommen. Sie lasen zunächst über die Frage der Adressaten bzw. Empfänger, dann über Formulierung und schließlich hier über Kommunikationsmittel.

Was jetzt?

Jetzt passiert das unvermeidliche: Sie und alle meine Kollegen werden mir ab sofort bei jeder E-Mail, die Sie von mir bekommen, aufs Brot schmieren, wenn besser angerufen hätte. Das ist in Ordnung für mich. Denn auf diese Weise lerne ich und wir alle, über unser Schreiben nachzudenken. Das vermindert das Risiko von Missverständnissen, und letztendlich die Zahl der E-Mails, die wir schreiben und somit lesen müssen.

Wann haben Sie schon einmal eine E-Mail geschickt, wo Sie besser angerufen hätten? Oder wo haben Sie ganz bewusst das Gespräch gesucht, statt zu schreiben?

Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich bitte teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!

Photo: Death to the Stockphoto, Proprietary License

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Kommentare

2 Antworten zu „E-Mail und Emotion – Weniger E-Mail bekommen“

  1. Avatar von F. Müller
    F. Müller

    Hallo Herr Schlosser, ich finde Ihren Artikel und auch viele andere interessant und ich stimme auch mit sehr vielen Ihrer Ansichten überein. Im aktuellen Fall zur Nicht-Verwendung nonverbaler und Nicht-Synchroner Kommunikation fehlt mir jedoch ein für mich persönlich wichtiger Aspekt. Ich selber bin eher ein Typ Mensch, dem nicht sofort und spontan die richtigen Worte und Erwiderungen einfallen. Auch Gefühle auszudrücken fällt mir schriftlich leichter. Dadurch schätze ich gerade solche asynchronen schriftlichen Kommunikationen, die mir erlauben auch noch mal eine Nacht drüber zu schlafen und nicht sofort antworten zu müssen. Manchmal hat diese Art der Kommunikation mehr Tiefgang als die vielleicht eher oberflächliche mündliche Kommunikation.

    1. Danke, Herr Müller, das geht mir prinzipiell sehr ähnlich. Gerade wenn auf der anderen Seite jemand sehr wortgewaltig ist, hat die asynchrone Kommunikation etwas für sich. Dennoch bleibt natürlich das Risiko der begrenzten Übertragungsbandbreite. Und es spricht ja nichts dagegen, ein Gespräch auch einmal nach einer Weile zu vertagen.

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