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Doublebinds verstehen und lösen – Gelesen: Wege aus der Zwickmühle

Doublebinds sind ein Kommunikationsmuster, bei dem verschiedene sachliche, verbale und nonverbale Ebenen der Kommunikation nicht zueinander passen. Das Ehepaar Sautter legt in seinem Buch »Wege aus der Zwickmühle. Doublebinds verstehen und lösen« die Ursachen, Wirkungen und Abhilfen dieses schädlichen Kommunikationsmusters dar.

Doublebinds entstehen aus Doppelwirklichkeiten, von denen in der inhaltlichen Kommunikation nur eine Wirklichkeit sein darf, aber von Menschen natürlich in ihren Gesten, Mimik, Handlungen auch die andere Wirklichkeit gelebt wird. Mit diesen Doppelwirklichkeiten kann man umgehen lernen, und sie bisweilen auch auflösen.

Sautters Buch »Wege aus der Zwickmühle. Doublebinds verstehen und lösen« hat mich angesprochen, weil sie in verständlicher Sprache und mit vielen Beispielen darlegen, wie es zu Doublebinds kommt, und was es mit uns macht.

Mein besonderer Dank für diese Buchempfehlung geht an meinen Coach Hildegard Röltgen.

Die grundsätzlichen einführenden Kapitel sind wie folgt strukturiert:

Systemisches Denken

Alles hängt zusammen. Die Art, wie wir auf eine Kommunikation reagieren, beeinflusst wiederum, wie der andere auf unsere Reaktion reagiert und damit das Verhalten dessen, der unser Verhalten beeinflusst.

Das bedeutet auch, dass das Verhalten einer Gruppe von Menschen mehr ist als das Verhalten der Einzelpersonen. Das bezeichnen wir auch als Emergenz.

Kommunikationstheorie nach Watzlawick

Mit kleinen Geschichten rund um die Kinderfigur Pu der Bär erläutern Christiane & Alexander Sautter die Axiome der Kommunikation von Paul Watzlawick.

Im Buch finden Sie gute Ausführungen und Erklärungen; die Axiome Watzlawicks im Wortlaut sind diese:

  1. »Man kann nicht nicht kommunizieren.«
  2. »Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.«
  3. »Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.«
  4. »Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax.«
  5. »Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.«

(alle aus: Watzlawick/Beavin/Janet/Jackson 1982: Menschliche Kommunikation)

Das vierte Axiom ist so nicht wirklich verständlich, aber bei längerem nachdenken durchaus einsichtig. Paul Watzlawick – Lesern dieses Blogs aus dem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit bekannt, hat die Axiome messerscharf formuliert, aber dadurch auch leider etwas unpraktisch. Das vorliegende Buch über Doublebinds macht die Axiome der Kommunikation praktischer, greifbarer.

Doublebind-Muster

Symbolfoto Doublebind
Symbolfoto Doublebind

Das Doublebind-Muster bezeichnet eine paradoxe Situation, die dadurch entsteht, dass man das, »was man inhaltlich zum Ausdruck bringt, durch nonverbale Signale« negiert.

Der Doublebind ist nichts, was die- oder derjenige absichtlich erzeugt, und sich noch nicht einmal notwendigerweise dessen bewusst ist. Und trotzdem erschaffen wir sie. Wenn ich das eine sage, und das andere tue. Oder noch nicht einmal tue, selbst wenn ich das eine sage, und eigentlich gar nicht überzeugt davon bin, dann werde ich körpersprachlich etwas anderes ausdrücken, das nicht zum gesagten passt. Mein Gegenüber spürt dies, je nach Sensibilität stärker oder schwächer, bewusster oder unbewusster.

Doublebinds werden verstärkt, wenn ein Thema inhärent bedeutsam für Interaktionen ist, jedoch nie direkt angesprochen werden kann, oder der Doublebind selbst nicht thematisiert werden darf. Das Verbot, über den Doublebind zu sprechen, ist in einem Kommunikationssystem mit Doublebinds üblich.

In Ironie und vielen Arten von Witzen wird das Spiel mit unterschiedlichen Ebenen und sich widersprechenden Aussagen als unterhaltsam angesehen, weil beide – Sender und Empfänger – die Widersprüchlichkeit anerkennen und als Unterhaltung kategorisieren. Im Doublebind ist dies eben nicht als Spaß gemeint, und da liegt ein großer Unterschied.

Die ungeschriebenen Gesetze im Doublebind-System schließen das Kapitel ab. Diese impliziten Regeln verstärken und bewahren das System.

Nun da wir wissen, was Doublebinds sind und wie sie entstehen, hilft mir das Buch, mit Doublebinds besser umzugehen.

Selbst Doublebinds vermeiden

Doublebinds sind um uns. Entweder wir sind ihnen ausgesetzt, oder wir senden sie selbst aus.

Dem Kind sagen, dass es bestimmt müde ist und ins Bett will, obwohl das Kind selbst dieses verneint, kann ein Doublebind sein, wenn in Wahrheit wir selbst endlich unseren Feierabend haben wollen. Besser dem Kind ganz klar mitteilen, dass ich jetzt Ruhe haben möchte. Diesen Doublebind habe ich selbst bereits verwendet, konnte jedoch dank der Erinnerung daran mein Verhalten ändern.

Dem Partner zustimmen, obwohl wir widersprechen möchten: Ein Doublebind, der meist wahrgenommen wird, zumeist jedoch unbewusst. Meine Frau zum Beispiel spürt Doublebinds völlig bewusst und kann sie benennen; das ist jedoch ein Ausnahmefall. Doch auch, wenn mein Gegenüber Doublebinds nicht bewusst wahrnimmt, erzeugen auch unbewusst wahrgenommene Doublebinds auf die Dauer Unwohlsein.

Dem Mitarbeiter wolkige Erklärungen für irgendwelche Firmenrichtlinien liefern, deren Sinn früher durchaus einmal gegeben sein mochte, statt anzuerkennen, dass nicht immer alles auf dem aktuellen Stand ist. Die merken das, ganz sicher. Die meisten Menschen haben ein Gespür dafür, wenn etwas nicht zusammen passt.

Somit hilft mir das Buch, bei mir selbst Doublebinds zu vermeiden. Das kann durchaus sehr, sehr anstrengend sein, erfordert dies doch eine Offenheit, Ehrlichkeit, Direktheit, die bisweilen nicht immer auf Verständnis und Zuspruch stößt.

Besonders in einem jeweiligen Umfeld, in dem Doppelwirklichkeiten und Doublebinds üblich sind, stößt Offenheit auf Widerstand, da das etablierte Kommunikationssystem bestehen bleiben möchte.

Doublebinds wahrnehmen, erkennen und ansprechen

Wir können Doublebinds wahrnehmen, tun das unbewusst sowieso immer. Unbewusst wahrgenommene Doublebinds können langfristig zu psychischen und psychosomatischen Auffälligkeiten führen, mindestens aber zu Unwohlsein.

Deshalb ist es sinnvoll, sich mit seiner eigenen Wahrnehmung zu beschäftigen. Stellen wir fest, dass wir das, was wir hören, nicht mit dem zusammenbringen, wie sich der andere verhält, oder was Gestik und Mimik aussagen, dann können wir darüber nachdenken.

Nachdenken, und – das Beste annehmend – nachfragen. Wie ist das denn gemeint? Inwiefern kann mir der andere helfen, eine sich widersprechende Wahrnehmung auseinander zu sortieren? Dabei fand ich besonders wichtig im Buch, beim anderen zunächst das Beste anzunehmen. Der andere macht das nicht absichtlich, sondern aufgrund eigener systemischer Verstrickungen, weil das inkongruente Verhalten die Lösung für ein tiefer liegendes Problem darstellt.

Doublebind-Systeme sind nicht notwendigerweise durch das Verhalten einer Person verursacht, sondern sind die Folge von komplexen Regel-Systemen, die sich in einzelnen Aspekten selbst widersprechen, oder zweideutig formuliert sein. Inadäquates Verhalten, Aktionismus und Zynismus sind die Folge. Das geschieht beispielsweise auch in Organisationen dort, wo irgendwelche „Werte“ proklamiert werden, die dann aber im täglichen Arbeiten gar nicht gelebt werden können, weil schon der Versuch durch bestimmte Vorgehensweisen und Prozesse konterkariert und unterbunden wird. Verweisen dann Führungskräfte fortwährend auf diese Werte, so entsteht ein Doublebind: Es wird das eine sprachlich kommuniziert, und das Gegenteil durch die erlebte Realität.

Doublebinds erkennen ist das eine, ansprechen ist das andere. Da Doublebind-Systeme oft selbsterhaltend agieren und Auflösung sanktionieren, ist es nicht immer einfach, die Widersprüche anzusprechen. Bisweilen stößt laut den Autoren bereits das Ansprechen von Doublebinds auf große Widerstände und kann als Nestbeschmutzung gesehen werden. Eine Organisation, die über lange Zeit gelernt hat, Doublebinds auszusenden, braucht auch lange, um wieder umzulernen.

Christiane und Alexander Sautter raten, sich nicht in die widersprüchlichen Regelwerke hineinziehen zu lassen und nicht selbst eine Regelverletzung zu verantworten, sondern für den Einzelfall eine Entscheidung eines dazu Befugten zu fordern.

Schreibstil und Kritik

Christiane und Alexander Sautter schreiben locker und eingängig. Ihr Ziel, das Thema anschaulich darzustellen, sehe ich als erreicht an.

Das Buch ist insofern hilfreich, als dass mir das Phänomen der Doublebinds nun deutlich klarer ist. Was Wege aus der Zwickmühle. Doublebinds verstehen und lösen meiner Ansicht nach noch besser hätte thematisieren können, ist der Teil lösen. Mir sind viel zu wenig konkrete Lösungsvorschläge enthalten, wie nach dem Erkennen einer Doublebind-Situation diese konkret angegangen und gelöst werden könnte. Denn das Problem ist und bleibt, selbst zu erkennen und anzuerkennen, wo mein Denken, Handeln und Sprechen nicht kongruent sind und ich so Doublebinds erschaffe.

Somit finde ich das Buch alles in allem gelungen, die zwanzig oder dreißig Seiten extra hätten aber eben noch gut getan.

Layout

Das Layout ist sauber, unaufgeregt. Längere Passagen mit Zitaten sind kursiv gesetzt, was ich unangenehm zu lesen finde. Wichtige Aufzählungen und Einschübe sind teilweise durch Boxen abgesetzt, jedoch optisch nicht besonders ansprechend gestaltet. Im Layout ist nichts verkehrt, aber auch nichts besonders schön.

Eindeutig bleiben

Wo haben Sie schon Doublebinds wahrgenommen? Und wie gingen, wie gehen Sie damit um?

Lassen Sie die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Ihren Gedanken und kommentieren Sie!

Photo: Joachim Schlosser, License Creative Commons Attribution Share-Alike

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