Warum gibt es Autofahrer?
Weil es ja einer machen muss. Das Auto fahren.
Muss das so sein?
Ja, so lange das Auto nicht selbst fahren kann.
Und wenn das dann geht?
Dann muss er nicht mehr fahren.
Was macht der Autofahrer dann?
Dann muss er kein Autofahrer mehr sein, sondern darf…
- einfach so aus dem Fenster gucken,
- lesen,
- schreiben,
- schlafen,
- dösen,
- arbeiten,
- sich umziehen, rasieren oder die Zähne putzen. Siehe Video:
Vor allem aber darf der ehemalige Fahrer dann…
- am Zielort einfach aussteigen, da sich das Auto selbst einen Parkplatz sucht, der auch so eng sein darf, dass keiner mehr einsteigen kann,
- ein Glas Wein mehr trinken,
- flotter zur Arbeit kommen, weil bei vielen autonomen Fahrzeugen, die untereinander kommunizieren, die Packungsdichte auf den Straßen erhöht werden kann.
Die Frage ist jedoch nicht nur, was mit der Rolle des Autofahrers geschehen wird, sondern auch, wie sich die Rolle des Automobilherstellers ändern wird, und was das für Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland bedeutet.
Dieser Artikel läutet eine kleine Serie ein über die Fragen, die ich für verschiedene Bereiche in Bezug auf autonomes Fahren für relevant halte.
Die Bedarfssituation
Jens Hansen hat auf Netzwertig unter dem Titel »Der Abschied vom Lenkrad« über den zu erwartenden Umbruch der Automobilindustrie im Lichte des autonomen Fahrens geschrieben. Im Frühling vergangenen Jahres hat Dieter Zetsche, Daimler-Chef im Gespräch auf der re:publica 13 seine Sicht der Dinge auf kommende mögliche Geschäftsmodelle von Automobilherstellern dargelegt.
Wie viele Stunden am Tag bewegen Sie Ihr Auto heute? Wie viele Stunden steht es herum und braucht einen Parkplatz, den Sie oft noch dazu besitzen müssen? Sie fahren etwa zwei bis drei Stunden im Schnitt, und einundzwanzig Stunden steht das Auto? Das sind ja 90 Prozent der Zeit unnütz verbracht!
Wenn ein Auto selbst fahren kann und ich es per Telefon oder App einfach zu mir rufen kann, muss ich dann überhaupt noch ein Auto besitzen? Oder reicht es, wenn es einen hinreichend großen Pool an Fahrzeugen gibt, so dass in kurzer Zeit ein Fahrzeug in der gewünschten Größe bei mir vor der Tür steht?
Sie brauchen dann also kein eigenes Auto mehr. Ihr Nachbar auch nicht. Ihr Kollege auch nicht. Kaum jemand, der nicht hauptberuflich mit dem Auto fährt. Wie viele Autos brauchen wir dann überhaupt noch? Es muss ja genügend Fahrzeuge geben, die auf Abruf uns abholen kommen können. Vielleicht 15 oder 20 Prozent wie Gunter Dueck schätzt?
Sie wollen ab er doch ihr Auto besitzen? Ja Sie schon. Wie sieht es mit der nachfolgenden Generation aus? Ich möchte nicht unbedingt Eigentümer eines Autos sein. Meine Familie besitzt zwar derzeit zwei Fahrzeuge ‒ aus deutscher Produktion, soviel Patriotismus muss sein ‒ doch mehr aus Notwendigkeit und Bequemlichkeit denn Liebe zum Auto.
Auswirkung auf das derzeitige Gefüge
Wenn wir nun mit einem Siebtel oder einem fünftel der derzeitigen Gesamtinlandsflotte an Autos auskommen, was geschieht dann mit den derzeitigen Teilnehmern des Ökosystems Automobil?
- Wie viele und welche Automobilhersteller sind dann noch am Markt?
- Wie viele und welche Zulieferer?
- Was ist mit Parkhäusern?
- Wie viele Taxis als solche brauchen Sie, wenn quasi jedes Auto ein Taxi ohne Fahrer ist?
Zweifellos wird die Zahl der Taxifahrer dramatisch sinken. Nicht bis auf Null, schließlich brauchen oder wünschen manche Fahrgäste Hilfe beim Ein- und Aussteigen und Verstauen des Gepäcks. Der Mehrwert des Taxi…fahrers möchte ich nicht schreiben…des Taxiassistenten besteht dann lediglich in der Servicedienstleistung, nicht mehr im Fahren und Navigieren.
Insgesamt dramatisch könnte es für die Automobilindustrie werden, wenn der Gesamtbedarf an Automobilen einbricht. Kann es ein deutscher, ein europäischer Automobilhersteller unter diesen Umständen zulassen, dass vollautonomes Fahren in Deutschland und Europa zugelassen wird? Oder muss ihm daran gelegen sein, dass rechtlich ein ausgebildeter Fahrer im Fahrzeug zugegen zu sein hat? Das ist kein Vorwurf an die Automobilhersteller, sondern aus Sicht der Unternehmen dann durchaus verständlich. Dieter Zetsche geht einen guten Weg, neue Geschäftsmodelle wie Car-Sharing für Daimler zu erschließen, doch kann das alleine den Absatzrückgang auffangen?
Daimler-Chef Zetsche sagt in obigem Interview: Dampflokfirmen sind alle verschwunden. Daimler möchte dieses Schicksal nicht teilen und investiert deshalb in neue Geschäftsmodelle.
Die Erfahrungen aus der Musik- und Zeitungsindustrie zeigen, dass zunächst das Neue, das für das Alte bedrohliche erbittert bekämpft wird. Die Entwicklung kann dann noch um einige Jahre verzögert werden, doch nicht aufgehalten.
Dazu kommen noch die Möglichkeiten der Vernetzung der Fahrzeuge, um Entscheidungen nicht nur lokal im Fahrzeug treffen zu können, sondern aufgrund der gesamten Verkehrssituation im Umfeld, doch das ist für mich nicht der Schlüssel für dem Umbruch.
Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland
Was bedeutet das für den Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland? Ob es mir als Bürger und Arbeitnehmer in der Technologiebranche gefällt oder nicht: Für den Automobilstandort Deutschland wird es schwierig, da rasch viel zu viel Produktionskapazität vorhanden sein wird. Da wird es wohl große strukturelle Umwälzungen geben.
Wie unter anderem die VDI Nachrichten schreiben, arbeiten ja praktisch alle hiesigen Automobilhersteller am autonomen Fahren. Wie passt das mit den möglichen Auswirkungen aus dem vorigen Abschnitt zusammen?
Möglicherweise haben die Hersteller eine andere Zukunft des autonomen Fahrens im Sinn. Die Frage ist: wird vollautonomes Fahren ohne menschlichen Fahrer verboten oder erlaubt? Alles, was ich oben skizzierte, trifft ja nur zu, wenn der Mensch aus der Verantwortung für das Führen des Fahrzeugs entlassen wird. Wenn nicht, dann ändert sich ja faktisch nichts. Wenn ich die letzte Verantwortung für die Fahrt in jeder Konsequenz habe, dann kann ich ja den Blick weiterhin nicht von der Straße lösen. Auch diese Phase wird aber vorübergehen. Was dann?
Wie sieht Deutschland aus, wenn nur noch ein Fünftel der Zahl an Autos gebaut werden und fahren?
Ich bin insofern froh, dass wir in Deutschland nach wie vor eine große Tradition im Maschinenbau haben. Abertausende von kleinen Firmen, Mittelständlern und Konzernen sind in ihren jeweiligen Nischen die Weltmarktführer. Diese Industrie ist ‒ und das freut mich auch in meiner Arbeit bei MathWorks immer wieder zu sehen ‒ nach wie vor höchst innovativ und deshalb erfolgreich.
Doch wer wird Mitspieler als Hersteller von autonomen Fahrzeugen sein? Wer der Betreiber? Wer entwickelt die Infrastruktur bereit? Wer entwickelt die Geschäftsmodelle? Wer integriert das alles übers Internet?
Ausblick ‒ die Serie zu autonomen Autos
Mir ist das Thema autonome Autos wichtig, weil ich einen großen, lange andauernden Prozess der Umwälzungen sehe. Wann er beginnt? Jetzt. Wann wird er abgeschlossen sein? Das hängt ja eben nicht nur von der Technologie ab, sondern von den politischen Rahmenbedingungen, von der gesellschaftlichen Akzeptanz, von den Geschäftsmodellen. 1985 dachte man, bis 2015 seien fliegende Autos normal. Nachdem das und viele weitere Utopien der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nichts wurden, bin ich vorsichtig, einen festen Zeithorizont zu geben, auch wenn ich davon ausgehe, dass die Hochzeit der Umwälzungen wohl in zehn bis dreißig Jahren sein wird.
Mir ist das Thema autonome Autos wichtig, weil ich selbst in der Automobilindustrie gearbeitet habe und auch heute noch regelmäßig mit der Industrie zu tun habe.
Mir ist das Thema autonome Autos wichtig, weil diese Technologie irgendwo auf der Welt ‒ hoffentlich auch oder hauptsächlich bei uns ‒ große Entwicklungstätigkeit benötigen wird.
Deshalb läutet dieser Artikel eine kleine Serie ein über die Fragen, die ich für verschiedene Mitspieler beim autonomen Fahren und der zukünftigen Gesellschaft für relevant halte. Die einzelnen Beiträge werden etwa zwei- oder dreiwöchentlich erscheinen.
Der zweite Artikel in dieser Serie wird lauten: »Autonome Autos ‒ Fragen für Automobilhersteller«. Abonnieren Sie den Konvergenzbereich-Newsletter, um keinen Artikel zu verpassen. Tragen Sie einfach rechts Ihre eMail-Adresse ein. Ihre eMail-Adresse werde ich niemals weitergeben.
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